zum Hauptinhalt
Vereint beim Geldausgeben: die Bundesregierung beim Fototermin während der Kabinettsklausur in Meseberg in der vorigen Woche.

© imago/Manngold

Zu viele Tricks und Schiebereien: Warum der Rechnungshof die Ampel massiv rügt

Die Haushaltskontrolleure zeigen auf, wie die Koalition bei Ausgaben und Schulden weiter auf Expansionskurs ist.

Der Bundesrechnungshof hält der Ampel-Koalition vor, durch das fortgesetzte Ausweichen in Nebenhaushalte die tatsächlichen Ausgaben und die echte Neuverschuldung zu verschleiern. Der eigentliche Bundeshaushalt für das kommende Jahr, der nächste Woche in erster Lesung im Bundestag debattiert wird, habe daher „deutlich an Aussagekraft eingebüßt“.

Die Kritik findet sich in der Analyse zur Lage der Bundesfinanzen, welche der Rechnungshof jährlich dem Haushaltsausschuss vorlegt und die dem Tagesspiegel vorliegt. Der Etatentwurf der Regierung für 2024 sieht Ausgaben in Höhe von 445,7 Milliarden Euro vor, das ist deutlich weniger als in den Krisenjahren 2021 bis 2023.

Die Neuverschuldung liegt bei 16,6 Milliarden Euro – was ebenfalls erheblich weniger als in den Krisenjahren. Im laufenden Jahr sind dafür noch 45,6 Milliarden Euro vorgesehen. 2022 lag die Nettokreditaufnahme bei 115 Milliarden Euro.

Der Bundeshaushalt hat durch das Ausweichen in Nebenhaushalte deutlich an Aussagekraft eingebüßt.

Aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes

Wegen dieser Rückgänge spricht Finanzminister Christian Lindner von der Rückkehr zum Normalhaushalt. Der Bundesrechnungshof widerspricht ihm hier allerdings. Das tatsächliche Ausgabenvolumen einschließlich der Nebenetats (häufig als Sondervermögen bezeichnet) liegt laut Rechnungshof bei 539 Milliarden Euro. Darin sind die Ausgabepläne im Klima- und Transformationsfonds (KTF) in Höhe von knapp 58 Milliarden Euro und gut 19 Milliarden Euro im Sondervermögen Bundeswehr enthalten.

Zubuchung per Nachtragsetat

Auch die tatsächliche Neuverschuldung ist nach dem Bericht der Haushaltskontrolleure deutlich höher als die im Kernetat ausgewiesene Planung, die von der Schuldenbremse gedeckelt wird. Sie liegt demnach bei 85,7 Milliarden Euro.

Um nicht mit der Schuldenbremse zu kollidieren, hat die Ampel schon mit dem Nachtragsetat für 2021 die Buchungspraxis geändert. Praktisch bedeutet das, dass die neuen Kredite in den Nebenhaushalten nicht dem Jahr zugerechnet werden müssen, in dem sie aufgenommen werden, sondern dem Jahr, in dem sie als Rücklage in das Sondervermögen geparkt wurden.

So konnten die 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen, welche die Ampel mit dem Nachtragsetat 2021 gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit dem KTF zugebucht hat, diesem Jahr zugeordnet werden. Laut Rechnungshof werden sie dort „als der Schuldenregel entzogene Kreditreserve vorgehalten“.

Ähnlich verfuhr die Koalition beim Befüllen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dessen Volumen in Höhe von 200 Milliarden Euro komplett dem Jahr 2022 zugeordnet wurde, als die Schuldenbremse nicht wirkte, weil der Bundestag krisenbedingt die Notlage erklärt hatte.

Undurchsichtiges Geflecht

Das Fazit des Rechnungshofberichts lautet, dass das so entstandene Geflecht von Buchungsvorgängen und deren Wirkung auf die tatsächliche Schuldenaufnahme „nur noch schwer zu durchschauen“ sei. Die Wirksamkeit der Schuldenregel sei gefährdet. „Das Parlament (aber auch die Öffentlichkeit) droht den Überblick und damit auch die Kontrolle zu verlieren.“

Dass Lindner seinen Etatentwurf nur mit einer Reihe von – allerdings üblichen – Haushaltstricks decken konnte, listet der Rechnungshof ebenfalls auf. So werden acht Milliarden Euro schon vorab pauschal als Minderausgabe veranschlagt.

Dahinter steckt die Erwartung, dass am Ende die Ministerien weniger ausgeben werden als geplant. Zudem haben die Kabinettskollegen von Lindner auferlegt bekommen, sich zu überlegen, wie sie zusammen 3,5 Milliarden weniger ausgeben können – ausgenommen ist nur der Verteidigungsminister.

Gesenkte Zuschüsse

Außerdem hat der Finanzminister die Zuschüsse an die Sozialversicherzungen – Rente, Gesundheitsfonds, Pflegeversicherung – um 3,6 Milliarden Euro gesenkt, ohne dafür zu sorgen, dass deren Ausgaben ebenfalls sinken.

Und 13,2 Milliarden Euro für Munitionsausgaben sowie die Subventionierung von neuen Halbleiterwerken wurden aus den Etats des Wehrressorts und des Wirtschaftsministeriums ausgelagert in das Sondervermögen Bundeswehr und den KTF, obwohl diese für solche Zwecke eigentlich nicht eingerichtet wurden.

Zu guter Letzt hat Lindner 4,2 Milliarden Euro als Einnahme verbucht, die tatsächlich aus der Auflösung eines Nebenhaushalts stammen – des „Sondervermögens Digitale Infrastruktur“. Wie alle Rücklagen muss sie durch die Aufnahme neuer Kredite in Geld umgewandelt werden, was also die Neuverschuldung entsprechend erhöht, ohne dass das auf die Schuldenbremse angerechnet wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false