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Teslas 300 Hektar großes Werksgelände in Grünheide. Neu hinzu kommen jetzt weitere 100 Hektar.

© dpa/Patrick Pleul

Brandenburg-Boom droht Bremsung: Mark hat keine großen Industrieflächen mehr

Würde Tesla jetzt anklopfen, müsste das Land abwinken. Nun haben Gutachter für die Regierung untersucht, wo bis 2030 neue Industrie- und Gewerbeflächen entstehen könnten.

Alles belegt, nichts frei: Wenn Elon Musk und Tesla jetzt eine Gigafactory in der Hauptstadtregion bauen wollten, müssten die Wirtschafsförderer abwinken. Damit der Ansiedlungsboom in den kommenden Jahren nicht abreißt, braucht Brandenburg dringend neue Gewerke- und Industrieflächen. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat dafür jetzt dem Potsdamer Kabinett ein „Gewerbe- und Industrieflächenkonzept für das gesamte Land Brandenburg“ vorgelegt, für das die Wirtschaftsförderagentur (WFBB) das gesamte Land zwischen Uckermark und Lausitz auf geeignete Areale hat abscannen lassen.

Das dieser Zeitung vorliegende Gutachten sieht ein Potenzial von weiteren 1434 Hektar Gewerbe- und Industrieflächen, die kurz- und mittelfristig erschlossen werden könnten - allerdings mit Schwierigkeiten. In Dahme-Spreewald, Oberhavel und Oder-Spree lassen sich demnach bis 2030 kaum noch neue Flächen ausweisen. Eng wird es auch in Märkisch-Oderland, Teltow-Fläming und Ostprignitz-Ruppin. Ein ausreichendes Flächenangebot wird in Cottbus, Spree-Neiße und der Uckermark gesehen.

„Wir müssen jetzt Vorsorge treffen“, sagte Steinbach am Dienstag bei der Präsentation des Gutachtens in Potsdam. Aktuell seien die Wirtschaftsförderer mit 35 größeren Investoren im Gespräch. Wenn Brandenburg überall den Zuschlag bekäme, wären die nötigen Flächen nicht verfügbar.

Brandenburg muss Anfragen abweisen

„Es ergeben sich vielerorts kritische Flächenengpässe“, heißt es im Gutachten, das die Firma EBP Deutschland GmbH unter Mitarbeit von drei weiteren Partnern erstellt hat. Danach gibt es für Neuansiedlungen bereits „so gut wie keine großen und zusammenhängenden Flächen“ mehr: „Ab einer Größenordnung von über 50 Hektar existieren in Brandenburg aktuell keine Angebote“, heißt es. „Das schränkt vor allem die Ansiedlungsakquisition der WFBB stark ein, da Anfragen von investitionsorientieren Unternehmen ab einer Flächengröße von 50 Hektar abgewiesen werden müssen.“

Zum Vergleich: Das Tesla-Werk in Grünheide hat eine Fläche von 306 Hektar - und der US-Elektroautobauer will weitere 100 Hektar Wald zur Erweiterung kaufen. Wie Steinbach einmal erläuterte, werden von Investoren in der Regel Standorte um die 60 Hektar gesucht, für die bereits Fehlanzeige gilt.

Jörg Steinbach (SPD), Brandenburger Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie.

© ZB / Soeren Stache

Doch selbst kleinere Gewerbeflächen werden Mangelware. Laut Gutachten sind landesweit noch sechs Standorte in einer Größe zwischen 25 und 50 Hektar verfügbar, und nur noch 21 Standorte zwischen zwischen 25 und 50 Hektar. Noch dramatischer ist die Lage bei Industrieflächen: Da sind in ganz Brandenburg nur 32 Standorte verfügbar, mit einer Gesamtfläche von 458 Hektar, kein Einziger über 50 Hektar.

Gewerbegebiete im Land über 90 Prozent ausgelastet

Zwar gibt es im ganzen Land 23.427 Hektar Industrie- und Gewerbeflächen im Bestand, die im Landesschnitt zu 90,2 Prozent belegt sind. Die Zeiten der 1990er-Jahre, als vor allem in den berlinfernen Regionen Gewerbegebiete lange leer blieben und als „beleuchtete Schafweiden“ verspottet wurden, sind lange vorbei.

Damit wird der tatsächliche Flächenmangel in seiner ganzen Dimension und teilweisen Dramatik deutlich.

Zitat aus dem Gutachten für die Brandenburger Landesregierung zu Gewerbeflächen

In Brandenburg gibt es derzeit noch 2302 Hektar verfügbare Flächen, davon nur 878 Hektar (38,1 Prozent) in kommunalem Eigentum. In der Regel handle es sich um „Restflächen“, teils ohne Industriegleise, selten an das Autobahnnetz angebunden, so das Gutachten. Von den vorhandenen privaten und kommunalen Flächen - davon 922 Hektar in der Lausitz - sind demnach 737 Hektar sofort vermarktungsfähig. „Damit wird der tatsächliche Flächenmangel in seiner ganzen Dimension und teilweisen Dramatik deutlich“, so das Gutachten.

Große regionale Unterschiede

Hinzu kommen, typisch für die Mark, regionale Unterschiede. In fünf Landkreisen sind demnach aktuell gar keine Flächen mehr oder nur noch unter zehn Hektar sofort vermarktbar. „Auf das gesamte Land betrachtet, könnte die ermittelte Nachfrage bis 2030 nicht einmal zur Hälfte gedeckt werden.“ Gewerbegebiete müssen also her. Und zwar „in ausreichender Quantität und hochwertiger Qualität, um den Bedarf im Land Brandenburg langfristig zu decken und die wirtschaftliche Entwicklung auch zukünftig zu sichern“, wie es in dem Papier heißt.

Vor den Toren von Frankfurt (Oder) steht ein Wegweiser, der in Richtung eines Gewerbegebietes zeigt.

© dpa/Patrick Pleul

Die 1434 Hektar, die entwickelt werden könnten, sind nicht am grünen Tisch herausgefiltert worden - sondern im Dialog mit den Kommunen und Kreisen, „in 193 Erhebungsterminen“ vor Ort. Bei diesen Flächen gibt es zumindest planungsrechtliche Vorläufe. Außerdem haben die Gutachter gemeinsam mit den Kommunen 66 „Ideenflächen“ mit einer Gesamtfläche von 3090 Hektar identifiziert, die in fernerer Zukunft, „wenn überhaupt“, entwickelt werden könnten.

Konkurrenz durch Wohnungsbau, Wind- und Solarparks

Als zentrale Hemmnisse für „verzögerte und ausbleibende Flächenentwicklungen“ identifiziert das Gutachten in dieser Reihenfolge personelle Ressourcen/Know-how als Hauptproblem, gefolgt von Eigentumsverhältnissen, Finanzen, Arten-, Natur- und Umweltschutz und Wald und Verkehrserschließung. Wasserprobleme, die sich insbesondere in der Tesla-Region zuspitzen, sind nicht ausgewiesen. Steinbach betonte: „Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass keine Ansiedlung an der Wasserfrage scheitern muss.“

„Es besteht eine hohe Nachfrage nach Gewerbe- und Industrieflächen“, mahnt das Gutachten. „Darüber hinaus hat sich seit einigen Jahren die Flächen- und Nutzungskonkurrenz noch einmal deutlich erhöht, unter anderem mit dem Bedarf an Wohnbauflächen und Flächen zur Erzeugung regenerativer Energien (Wind, Fotovoltaik).“ Es wird selbst in Brandenburg, das eines der größten Flächenländer in Deutschland ist, ziemlich eng.

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