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Auf einem Smartphone im Landratsamt ist die erste Hochrechnung der zwei Kandidaten und einer Kandidatin der Landratswahl vom brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald zu sehen.

© dpa/Patrick Pleul

Dahme-Spreewald vor der Landrats-Stichwahl: SPD-Hochburg in Brandenburg gefallen

Die SPD hat in Dahme-Spreewald, dem BER-Landkreis, seit drei Jahrzehnten den Landrat gestellt. Nun liegt dort die AfD vor der entscheidenden Stimmabgabe vorn.

Drei Jahrzehnte haben die Sozialdemokraten, die seit 1990 die Mark regieren, im Kreis Dahme-Spreewald den Landrat gestellt. Doch nun haben sie die rote Hochburg südlich von Berlin verloren. Nach der Niederlage bei der Landratswahl letzten Sonntag ruft die SPD für die jetzt erforderliche Stichwahl um den Spitzenposten der Kreisverwaltung am 12. November notgedrungen zur Wahl des Parteilosen Sven Herzberger auf, um einen möglichen Sieg des AfD-Kandidaten und bisherigen Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré zu verhindern.

„Es ist für uns ganz klar, dass Demokraten nun gemeinsam mobilisieren, um Herrn Herzberger zu unterstützen“, sagte David Kolesnyk, Generalsekretär der Landes-SPD am Montag dem Tagesspiegel. Den ersten Wahlgang am Sonntag hatte der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré mit 35,3 Prozent knapp vor dem Parteilosen Herzberger mit 34,8 Prozent gewonnen.

Der bisherige Bürgermeister von Zeuthen wird – ein Novum in Brandenburg – von CDU, Linken, FDP und Freie Wählern unterstützt. Diese breite Allianz dürfte der Grund sein, weshalb es die SPD-Kandidatin und bisherige Vize-Landrätin Susanne Rieckhof mit 29,9 Prozent als Drittplatzierte nicht in die Stichwahl schaffte, wenn auch knapp.

Steffen Kotré (AfD) erhielt im ersten Wahlgang die meisten Stimmen.

© dpa/Patrick Pleul

Herzberger von CDU, Linken, FDP und Freien Wählern unterstützt

„Es ist enttäuschend, aber kein Ergebnis, bei dem wir uns verstecken oder den Kopf in den Sand stecken müssten“, sagte Kolesnyk mit Blick auf diese regionale Besonderheit. „Es ist keine Katastrophe. Wenn wir 29 Prozent bei der Landtagswahl im nächsten Jahr hätten, dann gäbe es etwas zu feiern.“ Zur Wahl Rieckhofs hatten auch die Grünen aufgerufen. In die Stichwahl gegen Kotré geht der bisherige Zeuthener Bürgermeister Herzberger, dann unterstützt von CDU, SPD, Freien Wählern, Linken, Grünen und FDP, als klarer Favorit.

Damit beweist sich, dass Jörg Schönbohm recht hat mit seinem Ausspruch: ‚Es ist nicht Gott gegeben, dass die SPD in Brandenburg regiert. 

Jan Redmann, CDU-Chef in Brandenburg

Für Linke-Partei- und Fraktionschef Sebastian Walter hat diese Konstellation ohne SPD-Dominenz hingegen etwas Richtungsweisendes. „Die Ergebnisse zeigen, dass mit konkreten Angeboten und authentischen Kandidaten jenseits des üblichen Parteienstreits nicht als Einheitsfront, sondern an der Sache orientiert der AfD etwas entgegengesetzt werden kann“, sagte Walter. „Für die Landesebene kann daraus gelernt werden: Wenn es um die Probleme geht, müssen wir gemeinsam pragmatische Lösungen finden, die das Alltagsleben tatsächlich verbessern, statt immer wieder den gleichen Parteienzirkus aufzuführen.“

Sven Herzberger (parteilos) wird von CDU, Linken, FDP und Freie Wählern unterstützt. 

© dpa/Patrick Pleul

Allerdings müssen dafür die Kenia-Regierungsparteien SPD, CDU und Grüne „von ihrem hohen Ross herunter und den Vorwahlkampf endlich einstellen.“ Ähnlich sehen es die Freien Wähler: „Wir werden in den kommenden Wochen alles geben, um Sven Herzberger zum Sieg zu verhelfen“, erklärte Landeschef Peter Vida. „Dahme-Spreewald braucht einen unabhängigen Landrat mit Lösungskompetenz. Das wäre auch ein landesweites Signal.“

Der bisherige Dahme-Spreewald-Landrat Stephan Loge (SPD), der über Kreisgrenzen hinaus 2012 mit seinem Veto gegen eine Eröffnung der damaligen BER-Baustelle als Großflughafen bundesweit bekannt wurde, war nach 16 Jahren nicht erneut angetreten.

Hohe Wahlergebnisse für AfD

Dahme-Spreewald, wo die AfD wie in letzten Umfragen auf Landesebene trotz einer mit 50,8 Prozent hohen Wahlbeteiligung vorn lag, gehört zu den wirtschaftlichen Spitzenregionen Brandenburgs. Es ist einer der typischen märkischen Tortenstück-Kreise, die von der Berliner Stadtgrenze bis in die Tiefe des Landes reichen.

Nun belegt die Landratswahl erneut, dass die im Land extrem rechte AfD - vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft - mittlerweile nicht mehr nur in den ländlichen, berlinfernen Regionen, sondern auch im prosperierenden Umland auf ein stabiles Fundament zählen kann.

In der boomenden Flughafen-Gemeinde Schönfeld lag AfD-Mann Kotré mit 33 Prozent nur knapp hinter Herzberger (34,3). In Mittenwalde, zuletzt im Zusammenhang mit Google-Plänen für ein Großrechenzentrum in den Schlagzeilen, holte Kotré mit 40 Prozent die meisten Stimmen. Noch deutlicher fiel sein Vorsprung weiter im Süden aus, in den Gemeinden Unterspreewald (45,6), Märkische Heide (44,5), Heideblick (42,2) oder in Lübben (38,8).

Brandenburgs CDU sieht Rückenwind für die Landtagswahl im nächsten Jahr. „Die Wahlergebnisse in Dahme-Spreewald, Hessen und Bayern zeigen eines: Die SPD kann sich nicht mehr auf ihre Hochburgen verlassen“, sagte Partei- und Fraktionschef Jan Redmann, der 2024 Woidke als Regierungschef beerben will. „Das ist eine gute Chance, für uns als CDU mit einem guten Gegenentwurf zum Murx der Ampel zu punkten.“

Er erinnerte an den früheren CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, der 1999 die SPD-Alleinregierung in Brandenburg beendet hatte. „Damit beweist sich, dass Jörg Schönbohm recht hat mit seinem Ausspruch: ‚Es ist nicht Gott gegeben, dass die SPD in Brandenburg regiert.‘“

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