
© dpa/Sebastian Gollnow
Ausbruch der Maul- und Klauenseuche: Brandenburg errichtet Bauzaun um Weide – Virus schon länger in Wasserbüffel-Herde?
Erstmals seit 1988 gibt es wieder Fälle von Maul- und Klauenseuche in Deutschland. Nun ist Eile geboten. Was heißt das für die Landwirtschaft? Gibt es ein Risiko für Menschen? Fragen und Antworten.
- Marius Gerards
- Ingo Salmen
- Annett Stein
- Anna Thewalt
- Monika Wendel
Stand:
Seit 1988 wurde in Deutschland kein Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) mehr registriert. Nun sind Wasserbüffel im brandenburgischen Kreis Märkisch-Oderland daran erkrankt. Der Ausbruch der hochansteckenden Tierseuche hat erhebliche Konsequenzen.
Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, wurde um den Betrieb in Hönow herum ein Sperrkreis errichtet. In Brandenburg werden Tiere getötet. In Berlin bleiben Zoo und Tierpark vorläufig geschlossen, denn Zoo- und Wildtiere sind ebenfalls gefährdet. Auch die Landwirtschaftsmesse Grüne Woche, die am kommenden Freitag beginnen soll, muss ihr Programm ändern.
Was ist über den Fall in Brandenburg bekannt?
Das MKS-Virus war am Freitagmorgen in Proben von Wasserbüffeln aus dem Ort Hönow in Märkisch-Oderland, unmittelbar an der Berliner Stadtgrenze, nachgewiesen worden. Auf welchem Weg das Virus in die Herde eingeschleppt wurde, war auch am Sonnabend noch unklar. Es gebe bisher keine Hinweise auf den Übertragungsweg, sagte Vize-Landrat Friedmann Hanke (CDU).
Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, gehen aufgrund von Wundmerkmalen der Wasserbüffel davon aus, dass die Infektion und damit die Einschleppung in den Bestand schon länger zurückliegt, wie eine Sprecherin des Landkreises sagte. Der genaue Zeitpunkt lasse sich bisher nicht benennen. Drei Tiere der Herde waren zum Zeitpunkt des Nachweises bereits verendet, weitere elf wurden getötet – infiziert waren Vize-Landrat Hanke zufolge wahrscheinlich alle Tiere.
Der CDU-Politiker sagte, der betroffene Landwirt unterhalte einen Biobetrieb, habe sein Futter abgedeckt und sich sehr umsichtig um seine Tiere gekümmert. Der Amtstierarzt von Märkisch-Oderland, Ralph Bötticher, erklärte, der Landwirt habe keine Futtermittel von außerhalb gekauft, sondern selbst Heu geerntet.
Eine Einschleppung des MKS-Virus sei etwa über Urlauber und mitgebrachte Nahrungsmittel möglich, wenn Lebensmittelreste einfach in den Wald oder auf Wiesen geworfen würden. Als ein möglicher Eintragweg gilt auch, dass Wildtiere wie Wildschweine das Virus zu den Weidetieren brachten.
Wie reagiert das Land Brandenburg?
Noch am Freitagmorgen verhängte das Land ein Verbot von Tiertransporten mit Klauentieren in Brandenburg bis Montag. Dies betrifft etwa Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine.
Darüber hinaus wurden ein Sperrkreis von drei Kilometern und eine Überwachungszone im Umkreis von zehn Kilometern um den betroffenen Betrieb errichtet. Innerhalb dieser Zone wurden Betriebe auf das Virus untersucht.
Am Sonnabend wurden zudem vorsorglich rund 200 Schweine im benachbarten Landkreis Barnim getötet. Die betroffene Schweinehaltung in der Gemeinde Ahrensfelde liegt innerhalb der Sperrzone. Andernorts wurden 55 Ziegen und einige Rinder getötet.

© dpa/Annette Riedl
Um die betroffene Weide in Hönow stellten Feuerwehr und Katastrophenschutz am Samstagabend einen etwa ein Kilometer langen Bauzaun auf. Damit will der Landkreis verhindern, dass Wildtiere auf die Fläche kommen und das Virus möglicherweise weiter verbreiten.
Der Landesjagdverband rief Jäger dazu auf, bei Wildtieren auf typische Anzeichen für die Erkrankung zu achten. Derzeit finden Jagden in den Waldgebieten statt. „Die Besorgnis ist groß“, sagte Verbands-Geschäftsführer Kai Hamann. Sollten Wildtiere mit dem typischen Krankheitsbild erlegt oder gefunden werden, müssten sie sofort dem zuständigen Amtstierarzt gemeldet werden, wie es hieß.
Warum bleiben Tierpark und Zoo Berlin geschlossen, wenn die Seuche in Brandenburg ausgebrochen ist?
Der Tierpark liegt im Sperrkreis, der um den betroffenen Landkreis gezogen wurde. „Dies ist eine für Paarhufer gefährliche Viruserkrankung, die als anzeigepflichtige Tierseuche eingestuft ist“, schreibt der Tierpark auf seiner Internetseite. „Die Schließung ist deshalb die wichtigste – mit dem Bezirksamt Lichtenberg abgestimmte – Präventivmaßnahme.“
Auch der Berliner Zoo, der sich nicht innerhalb des Sperrkreises befindet, will seine Tiere schützen und die weitere Ausbreitung der Seuche verhindern. Jedoch ist für die Besucher eine Öffnung in Sichtweite: Die Schließung gilt vorerst nur bis einschließlich Montag. Hingegen bleibt das Aquarium auch über das Wochenende hinweg geöffnet.
Welche Maßnahmen wurden in Berlin zusätzlich ergriffen?
Wie das Land Brandenburg verfügten auch die Berliner Bezirke allesamt ein sogenanntes „Verbringungsverbot“ für Klauentiere, sagte eine Sprecherin der Justiz- und Verbraucherschutzverwaltung.

© picture alliance / dpa
Im Sperrkreis lägen ein paar kleine Betriebe, bei denen nun Proben entnommen worden seien. Die Untersuchung eines Schafes, das ein Halter auf seiner Weide in Marzahn-Hellersdorf tot aufgefunden hatte, erbrachte jedoch keinen Hinweis auf die Maul- und Klauenseuche.
Auch das größte Tierheim Europas, das Tierheim Berlin, hat mehrere Maßnahmen ergriffen, um die dort in Obhut befindlichen Schweine vor einer Infektion mit der gefährlichen Seuche zu schützen. Die Tiere dürfen den Stall nicht verlassen, Tierpfleger dürfen sie nur in Schutzkleidung aufsuchen.
Nach Angaben der Senatsverwaltung hat das bezirkliche Veterinäramt Charlottenburg-Wilmersdorf zudem entschieden, dass Klauentiere von der Grünen Woche ausgeschlossen werden. Damit werden bei der Messe keine Rinder, Schafe, Ziegen und Alpakas zu sehen sein.
Was tut der Bund?
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) reagierte mit der Einberufung eines Zentralen Krisenstabs und will Anfang der Woche mit Vertretern der Agrarbranche sprechen. „Nun geht es darum, so schnell wie möglich herauszufinden, welchen Weg das Virus genommen hat“, sagte Özdemir.

© IMAGO/Achim Zweygarth/IMAGO/Achim Zweygarth
Nach Angaben der Grünen-Abgeordneten Renate Künast kommt zudem der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestags am Mittwoch auf Antrag ihrer Fraktion und der SPD zu einer Sondersitzung zusammen.
Welche Folgen hat der Ausbruch für die Landwirtschaft?
In der Landwirtschaft ist die Sorge vor einer Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche groß, zumal viele Betriebe bereits durch andere kursierende Krankheiten wie Afrikanische Schweinepest, Vogelgrippe und Blauzungenkrankheit belastet sind.
„Es ist eine Seuche, die hochinfektiös ist und einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen kann innerhalb von Deutschland“, sagte Brandenburgs Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD). 2001 zum Beispiel hatte es einen verheerenden Seuchenzug in Großbritannien mit Folgeausbrüchen in anderen europäischen Ländern gegeben, Millionen Tiere wurden getötet, auch der finanzielle Schaden war immens.
Brandenburgs Bauernpräsident Henrik Wendorff befürchtet Restriktionen für Landwirte. „Das bringt wirtschaftliche Probleme mit sich“, sagte er. „Welche Maßnahmen die EU ableitet, ist die nächste Frage.“
Deutschland verliert den Status, frei von Maul- und Klauenseuche zu sein. „Das zieht internationale Handelsbeschränkungen nach sich“, meinte Wendorff. Auch Schlachthöfe könnten nun aufgrund des Aufbruchs davor zurückschrecken, Tiere aus Brandenburg abzunehmen.
Wie verbreitet ist das Virus weltweit?
Überraschend kommt der Nachweis nicht wirklich. Deutschland und die EU galten dem FLI zufolge zwar schon viele Jahre lang als frei von Maul- und Klauenseuche – die Gefahr der Einschleppung aus anderen Ländern war und ist aber groß.
In der Türkei, im Nahen Osten und in Afrika, in vielen Ländern Asiens sowie in Teilen Südamerikas gibt es nach FLI-Angaben nach wie vor regelmäßig MKS-Fälle. „Illegal eingeführte tierische Produkte aus diesen Ländern stellen eine ständige Bedrohung für die europäische Landwirtschaft dar.“ Auch Futtermittel und Einstreumaterialien aus Ländern mit Ausbrüchen stellten ein Risiko dar.
„Die MKS gehört wegen ihrer potenziell katastrophalen Auswirkungen zu den weltweit wirtschaftlich bedeutsamsten Tierseuchen“, so das Institut. „Durch die Zunahme des globalen Handels- und Reiseverkehrs besteht ständig die Gefahr einer Wiedereinschleppung und explosiven Ausbreitung der MKS in Europa.“
Wie äußert sich die Erkrankung bei den Tieren?
Die Krankheit verläuft bei den meisten erwachsenen Tieren nicht tödlich, führt aber zu einem lange anhaltenden Leistungsabfall. Behandlungsmöglichkeiten gibt es nicht.
Neben hohem Fieber, Appetitlosigkeit und Apathie entwickeln sich typische Blasen am Maul und auf der Zunge sowie an den Klauen und den Zitzen. Viele Tiere lahmen oder können vor Schmerzen gar nicht mehr gehen, wie das FLI erläutert. Bei Schafen und Ziegen verläuft die Infektion hingegen meist unauffällig.
Gibt es eine Impfung für Tiere?
Forscher haben den spezifischen Virustyp bestimmt. Ein passender Impfstoff könne innerhalb weniger Tage hergestellt werden, teilte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) am Samstagabend mit. Bei einem infizierten Wasserbüffel stellten die Experten den MKS-Virus vom Serotyp O fest. Nah verwandte Viren kommen im Nahen Osten und in Asien vor, wie das Forschungsinstitut erläuterte.
„Für diese Viren geeignete Impfstoffe sind in der MKS-Antigenbank Deutschland vorhanden“, hieß es weiter. Sie sei eigens für Fälle wie den aktuellen Ausbruch eingerichtet. Die Antigenbank könne nach Aktivierung durch die Bundesländer benötigte Impfstoffe innerhalb weniger Tage herstellen.
Gibt es ein Risiko für Menschen?
Nein. Menschen sind dem Friedrich-Loeffler-Institut zufolge für das MKS-Virus praktisch nicht empfänglich. Auch von pasteurisierter Milch, daraus hergestellten Milchprodukten oder von Fleisch gehe unter den in Deutschland üblichen hygienischen Bedingungen zufolge keine Gefahr aus. Hunde, Katzen und andere Haustiere können in der Regel ebenfalls nicht erkranken.
Wie wird die Maul- und Klauenseuche üblicherweise bekämpft?
Entscheidend ist dem FLI zufolge die frühe Erkennung von Infektionen – „da sich die Seuche ansonsten bereits so weit ausgebreitet haben kann, dass eine rasche Eindämmung nicht mehr möglich ist“.
Im Falle eines Nachweises werden strenge Maßnahmen ergriffen: Ist in einem Betrieb auch nur ein Tier infiziert, wird vorsorglich der gesamte Bestand getötet, wie es beim FLI heißt. Auch Klauentiere in Betrieben der näheren Umgebung werden demnach zumeist getötet, Ställe, Fahrzeuge und Geräte gründlich desinfiziert.
Die Maul- und Klauenseuche kann auch über die Luft übertragen werden. Erkrankte Tiere streuen das Virus mit der Flüssigkeit aufgeplatzter Blasen, Speichel, Ausatmungsluft und Milch.
Alles, was einmal mit einem infizierten Tier in Berührung gekommen ist, kann dem FLI zufolge zur Verbreitung beitragen: Menschen ebenso wie Katzen, Hunde, Geflügel oder andere Tiere sowie Fahrzeuge, Geräte, Schuhe und Kleidung. Das Virus ist sehr widerstandsfähig und kann im Boden oder eingetrocknet in Kleidung Monate bis Jahre überdauern. (mit dpa)
- Brandenburg
- CDU
- Cem Özdemir
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Die EU
- Gesundheit
- Lichtenberg
- Marzahn-Hellersdorf
- SPD
- Tiere
- Tierpark
- Virus
- Zoo
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: