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Das Publikum in Wimbledon macht nicht nur gute Stimmung.

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„Besoffenes Tennispublikum“: Warum auf den Rängen die Sitten verrohen

Das Verhältnis von Zuschauenden und Aktiven ist angespannt, das zeigt sich nicht nur in Wimbledon. Die zunehmend angespannte Weltlage hinterlässt auch hier ihre Spuren.

Ein Kommentar von Benedikt Paetzholdt

Wenn eine Tennisspielerin das Publikum als „besoffene Menge“ bezeichnet, dann sagt das schon viel aus über das schwierige Verhältnis zwischen den Aktiven und den Zusehenden. Die Belarussin Viktoria Asarenka hatte sich entsprechend geäußert, weil sie nach der Niederlage gegen Jelina Switolina aus der Ukraine auf heftigste Weise ausgebuht wurde.

Grund dafür war der ausgebliebene Handshake beider Spielerinnen, weil der Krieg in der Ukraine inzwischen auch auf diesen Sport ausstrahlt. Die allgemeine Verunsicherung durch die aufgewühlte Weltlage lässt auch das Publikum eskalieren.

Wahrscheinlich wäre es hilfreich gewesen, wenn der Schiedsrichter ein paar erklärende Worte an das aufgebrachte Publikum gerichtet hätte. Dass es in diesen Zeiten des Krieges zu keinem Handshake zwischen einer ukrainischen und einer russischen, beziehungsweise belarussischen Kontrahentin kommt. Stattdessen überließ man die Zuschauenden ihrem Treiben, in dem sich Politisches und Emotionales kreuzte.

Es ist schon auffällig, dass sich das Tennispublikum immer häufiger in eine Masse verwandelt, die für die ungeliebte Protagonistin oder den ungeliebten Protagonisten zu einem echten Widersacher wird. Gerade in Paris bei den French Open kommt es immer wieder zu regelrechten Eklats. Nachdem er wegen einer vermeintlich übertriebenen Jubelgeste und einer medizinischen Pause den Groll der Zuschauenden auf sich gezogen hatte, klagte Novak Djokovic während des Turniers, das er später gewann, an: „Es gibt Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die Freude daran finden, alles auszubuhen, was du tust. Ich finde das respektlos, und ich verstehe es auch nicht.“

Auch Taylor Fritz bekam den Unmut in Paris zu spüren, was aber vor allem daran lag, dass gegen den Franzosen Arthur Rinderknech und somit einen Lokalmatadoren antreten musste. In Roland Garros war es zudem ausgerechnet Switolina, die Pfiffe und Buhrufe kassierte, weil sie hier zum ersten Mal den Handshake verweigerte, nachdem sie gegen eine russische Spielerin angetreten war.

Enthusiastischer Support für Landsleute haben beim Tennis schon immer eine große Rolle gespielt. Auch Ausraster von Nick Kyrgios, Alexander Zverev und allen anderen werden konsequent mit Pfiffen goutiert. Die gewaltige Polarisierung in der heutigen Zeit durch Corona (Djokovic war bekennender Impfgegner) und den Krieg in der Ukraine sorgen dafür, dass das Publikum regelrecht außer Kontrolle gerät.

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