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Hart am Mann. Derry Scherhant (rechts) hielt im Spiel beim VfL Bochum dagegen.

© imago/osnapix / IMAGO/osnapix / Titgemeyer

Hertha BSC zurück auf einem Abstiegsplatz: Beim 1:3 gegen Bochum gibt es nur einen Lichtblick

Einzig Derry Scherhant zeigt beim 1:3 zum Start der zweiten Saisonphase vieles von dem, was Trainer Sandro Schwarz bei seinem Team vermisst.

Derry Scherhant, der Debütant, brauchte nicht lange, um den Eingang ins Spiel zu finden. Gerade zwei Minuten waren gegen den VfL Bochum vorüber, da verhakte sich der Offensivspieler von Hertha BSC in einen Zweikampf mit Anthony Losilla, dem Kapitän des VfL.

Der Ball schien schon verloren, aber Scherhant, 20 Jahre alt und erstmals in der Fußball-Bundesliga von Beginn an auf dem Feld, setzte an der Seitenlinie nach und holte einen Einwurf für seine Mannschaft heraus. „Ich finde, dass er sehr gut gearbeitet hat“, sagte Sandro Schwarz, Herthas Trainer. „Auch vor dem 1:0, das dann nicht gezählt hat, hat er sehr gut nachgearbeitet und ist gleich aktiv im Gegenpressing gewesen.“

In einer parallelen Welt wäre Derry Scherhant nach dem Spiel in Bochum vermutlich ausgiebig gefeiert worden. Von wegen: Hat vor dem eminent wichtigen 1:0 durch Lucas Tousart den Ball zurückerobert, leistete damit einen wertvollen Beitrag zum Auswärtssieg in Bochum, durch den sich Herthas Situation im Abstiegskampf gleich zu Beginn des Jahres merklich entspannt hat.

Hertha BSC ist Meister der parallelen Welten

Hertha war in der Vergangenheit häufiger mal ein Meister der parallelen Welten, umso härter ist anschließend der Aufprall in der Realität ausgefallen.

Jeder kann sich sicher sein, dass wir wissen, in welcher Tabellensituation wir sind.

Sandro Schwarz, Trainer von Hertha BSC

Auch am Samstag fiel er wieder überaus schmerzhaft aus. Der Führungstreffer wurde vom Videoassistenten einkassiert. Statt 1:0 für Hertha stand es zur Pause 0:2 gegen Hertha, kurz nach der Pause dann sogar 0:3 und am Ende 1:3. Die Situation im Abstiegskampf ist nicht entspannt, sondern gleich zu Beginn des Jahres ernst wie lange nicht.

Durch die Niederlage fiel Hertha in der Tabelle auf Platz 17 zurück. Abstiegskampf oder nicht? „Wie wir das nennen, das bleibt euch überlassen“, sagte Schwarz in der Pressekonferenz nach dem Spiel. „Aber es kann sich jeder sicher sein, dass wir wissen, in welcher Tabellensituation wir sind, und dass wir sehr seriös, konsequent und konzentriert damit umgehen.“

Gegen Bochum, den vormaligen Vorletzten der Tabelle, gelang seiner Mannschaft das nur in wenigen Phasen zu Beginn. Da war Hertha „sicherlich dominanter“, wie Bochums Trainer Thomas Letsch zugab, ehe das Spiel „immer mehr in unsere Richtung ging, aufgrund unserer Leidenschaft und unserer Mentalität“.

Im vierten Heimspiel unter Letsch feierte der VfL den vierten Sieg. Hertha hingegen kassierte die erste Niederlage in Bochum seit August 2009 und nach zuletzt drei Auswärtssiegen dort.

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Heimspiele hat der VfL Bochum unter Trainer Thomas Letsch bestritten. Alle hat er gewonnen.

Schwarz hatte während des Spiels eine lange Mängelliste angefertigt. Auf ihr war notiert: zu wenig Intensität, zu wenig Aggressivität, zu wenige Sprints, vor allem gegen den Ball. „Es geht vorne los im Anlaufverhalten, dass wir nicht so aktiv waren, wie wir es sonst sind“, sagte Herthas Trainer. „Das hat sich dann so reingeschlichen.“ Nach seiner Einschätzung handelte es sich allerdings um inhaltliche Versäumnisse. „Das hat wenig mit Einstellung zu tun.“

Es ist bemerkenswert, mit welcher Treffsicherheit Hertha in dieser Saison immer den falschen Moment für Anflüge von Naivität und Sorglosigkeit erwischt. Und es ist bezeichnend, dass es der jüngste und unerfahrenste Spieler im Team der Berliner war, dem noch die wenigsten Vorwürfe gemacht werden konnten.

„Derry war gut“, sagte Herthas Torhüter Oliver Christensen über den Startelfdebütanten Scherhant. „Er hat einen guten Eindruck gemacht.“ Auf ganze 40 Bundesligaminuten, verteilt auf zwei Kurzeinsätze, hatte es der 20-Jährige bis zum Samstag gebracht; in Bochum kamen 62 hinzu. Dass Schwarz Scherhant nach etwas mehr als einer Stunde auswechselte, hatte Gründe. Aber sie hatten nichts mit seiner Leistung zu tun.

Scherhant ist jetzt eine echte Option

Unmittelbar nach dem 0:3 brachte Schwarz drei neue Offensivkräfte, stellte vom 4-2-3-1 auf 4-4-2 um. Aber auch diese Maßnahme verpuffte.

Derry Scherhant war in die Startelf gerückt, weil neben dem verletzten Chidera Ejuke auch Dodi Lukebakio fehlte. Herthas bester Torschütze war wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt. Am Dienstag, im Heimspiel gegen seinen Ex-Klub VfL Wolfsburg, wird Lukebakio ins Team zurückkehren und Scherhant wieder auf der Bank Platz nehmen müssen.

Trotzdem hat der Junge aus dem eigenen Nachwuchs seine Position innerhalb des Kaders in der Vorbereitung und bei seinem Einsatz in Bochum deutlich verbessert. Scherhant ist jetzt eine echte Option für Schwarz.

Als linker Flügelspieler brachte er gegen den VfL all das ein, was Herthas Trainer bei seiner Mannschaft vermisst hatte: Scherhant war aktiv, griffig, mutig, widerständig. „Derry hatte sehr gute Momente. Er hat sehr gut dagegengehalten“, sagte Schwarz. „Für sein erstes Spiel von Anfang an war es sehr ordentlich.“

Und das erst recht bei seiner Vorgeschichte. Bis auf wenige Monate in Herthas A-Jugend hat Scherhant nie ein Nachwuchsleistungszentrum besucht. „Er hat einen ungewöhnlichen Weg genommen“, sagt Schwarz. „Das macht ihn speziell.“

Derry Scherhant sind die Dinge nie zugeflogen, er hat sich alles erkämpfen müssen. Das verstärkt den Hunger womöglich noch. Oliver Christensen, Herthas Torhüter, sagte nach dem Spiel in Bochum: „Ich denke, der wird kommen.“

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