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Weltmeister Johannes Thiemann spielt die individuell beste Saison seiner Karriere, konnte Albas Krise aber auch nicht verhindern.

© IMAGO/isslerimages

Schwerste Phase seit sieben Jahren: Alba Berlin hat seine Identität verloren

Ab 2017 verzückten die Berliner Basketballer ihre Fans mit begeisterndem Basketball. Doch diese goldenen Jahre sind vorbei. Albas Umbruch stockt und das Team ist kaum wiederzuerkennen.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Sechs Ligasiege in Folge, Rekord um Rekord, ungeschlagen seit Ende November – es könnte nicht besser laufen bei Alba Berlin. Zumindest für die Basketballerinnen in der DBBL, die am Sonntag 69:59 in Halle gewannen und Meister Keltern weiter dicht auf den Fersen bleiben. Ihre männlichen Kollegen können von solchen Hochgefühlen nur träumen, denn Albas BBL-Team erlebt momentan die schwierigste Phase seit sieben Jahren.

Am Sonntag unterlagen die Berliner in Bamberg mit 79:99 und kassierten bereits die vierte Niederlage im zwölften Spiel. In der Euroleague ist das Team mit einer Bilanz von 3:16 Tabellenletzter. Schlimmer als die Statistiken ist jedoch das Gefühl, dass Alba seine Identität abhandengekommen ist.

Nachdem die spanische Trainerlegende Aito Garcia Reneses die Berliner im Sommer 2017 nach durchwachsenen Jahren wachgeküsst hatte, entwickelte sich der „Alba-Basketball“ zu einer echten Marke. Talentierte Spieler kamen und gingen, doch die Spielphilosophie blieb. Die Berliner spielten schnell, kreativ, mit Energie, Esprit – und Erfolg.  

National erreichte Alba zehn Finals in Folge und holte dabei fünf Titel. International zauberte sich das Team 2019 bis ins Endspiel des Eurocups und steigerte sich danach in der Euroleague Jahr für Jahr, trotz eines vergleichsweise mickrigen Etats.

Diese Hochphase hat den Klub, die Fans und alle Beobachter verzückt und verwöhnt. Jahrelang schien es, als wären begeisternder Basketball und regelmäßige Erfolge der Normalzustand. Auch nach dem Abschied von Reneses verlief der Übergang zu seinem früheren Assistenten Israel Gonzalez beeindruckend reibungslos.

Doch schon in der vergangenen Saison war ein klarer Abwärtstrend zu erkennen. Alba gewann zwar in der BBL-Hauptrunde mehr Spiele als je zuvor, die Leichtigkeit war aber immer seltener zu sehen. In den Play-offs scheiterten die Berliner sang- und klanglos am späteren Meister Ulm.

In dieser Saison wird diese Entwicklung noch deutlicher. Natürlich gibt es genug Erklärungsansätze für die Berliner Schwierigkeiten. Mit Maodo Lo, Luke Sikma und Jaleen Smith haben sich prägende Figuren verabschiedet. Ersetzt wurden sie durch hochveranlagte, aber auf diesem Niveau gänzlich unerfahrene Talente. Die Kombination aus Liga, Pokal und Euroleague sorgt für einen Spielplan, der aus gesundheitlicher Sicht eigentlich unvertretbar ist.

Wirklich beunruhigend an der aktuellen Situation sind daher nicht mal die Niederlagen, sondern das Gefühl, dass Besserung nicht wirklich in Sicht ist und die goldenen Jahre vorbei sind. Alba steckt im Umbruch fest. Eine Rückkehr von Martin Hermannsson würde sicherlich helfen, doch ein Wundermittel wären auch ein erfahrener Point Guard und ein neuer Center nicht. Und im Sommer drohen weitere Abgänge, insbesondere von Kapitän Johannes Thiemann.

Mit etwas Abstand lässt sich schon jetzt erkennen, dass die vergangenen Jahre noch besonderer gewesen sind, als sie sich live angefühlt haben. Dass internationale Topspieler wie Lo und Sikma ihre besten Jahre in Berlin verbracht haben, wird eine absolute Ausnahme bleiben. Alba muss sich etwas einfallen lassen – doch immerhin gehörte Kreativität in den vergangenen Jahren nicht nur auf dem Platz zu den Stärken der Berliner.

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