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Habe die Ehre. Fabian Reese verzückt bei Hertha BSC das Publikum.

© imago/kolbert-press/IMAGO/kolbert-press/Marc Niemeyer

Tempo, Dribblings, Tore, Überzeugung: Wie gefährlich ist die Abhängigkeit von Fabian Reese für Hertha BSC?

Beim 0:0 gegen den VfL Osnabrück zeigt sich, wie sehr Hertha BSC die Fähigkeiten von Fabian Reese benötigt. Der Flügelspieler hat in der Hinrunde den kreativen Mangel überspielt.

Am Samstag, ungefähr zur Mittagszeit, postete Fabian Reese auf seinem Instagram-Account ein Foto, das nichts Gutes verhieß. Zu der Zeit, da seine Kollegen von Hertha BSC im Olympiastadion gerade ihre Kabine bezogen haben dürften, lag Fabian Reese mit grauer Wollmütze auf dem Kopf und verquollenen Augen auf dem heimischen Sofa. „Mich hat’s erwischt“, schrieb er dazu.

Halb Berlin sei gerade krank, hatte Pal Dardai, Herthas Trainer, erst am Donnerstag erzählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann auch Fabian Reese treffen würde, war also angesichts des aktuellen Virenflugs einigermaßen groß. Aber hätte es nicht auch einen oder zwei Tage später passieren können?

So fehlte Reese, Herthas Offensivspieler, im letzten Spiel vor der Winterpause. Der Berliner Fußball-Zweitligist quälte sich im eigenen Stadion zu einem 0:0 gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück, und dass das eine ursächlich mit dem anderen zusammenhing, das war alles andere als eine originelle Erkenntnis.

Was der Mannschaft gefehlt habe, wurde Florian Niederlechner nach dem Spiel gegen den VfL Osnabrück gefragt. „Auf alle Fälle hat Fabi gefehlt, so ehrlich muss man sein“, antwortete er. „Aber das darf heute keine Ausrede sein.“

Selbstverständlich ist er ein Unterschiedsspieler. Und ich habe auch wahrgenommen, welche Persönlichkeit er in diesen Klub bringt.

Uwe Koschinat, der Trainer des VfL Osnabrück, über Fabian Reese

War es auch nicht. Nur eine Erklärung, die offen auf der Hand lag. Nicht von ungefähr hatte Trainer Dardai bis zuletzt auf einen Einsatz Reeses gehofft, der in der Hinrunde an mehr als einem Drittel der Treffer seiner Mannschaft (13 von 33) direkt beteiligt war. Vier Tore erzielte er selbst, neun bereitete er vor.

Dardai hatte gehofft, den Flügelspieler wenigstens für die letzten 20 Minuten bringen zu können – falls es notwendig wäre. Und es wäre tatsächlich notwendig gewesen, weil Hertha gegen die energisch verteidigenden Gäste in der zweiten Halbzeit bis exakt 20 Minuten vor dem Ende keine einzige Torgelegenheit zuwege brachte.

Aber am Morgen hatte Dardai von der medizinischen Abteilung die Info bekommen, dass Reese Fieber hat. „Mit Fieber spielt keiner“, sagte der Ungar.

Es war erst das zweite Mal in dieser Saison, dass Reese bei Hertha nicht in der Startelf stand. In der Woche zuvor, beim Auswärtsspiel in Kaiserslautern, hatte Trainer Dardai aus freien Stücken zunächst auf ihn verzichtet. Am Ende einer anstrengenden Englischen Woche mit dem Pokalkrimi gegen den HSV sollte Reese ein wenig durchschnaufen.

Als er zur zweiten Halbzeit eingewechselt wurde, lag Hertha 0:1 zurück, am Ende hieß es 2:1 für die Berliner.

Reese zieht Aufmerksamkeit auf sich

Die Nachricht, dass Reese fehlen würde, wurde auch beim VfL Osnabrück mit, nun ja, Interesse zur Kenntnis genommen. „Ich müsste lügen, wenn ich sage, das hätte gar nichts ausgelöst bei uns“, sagte Trainer Uwe Koschinat. Als er davon sprach, dass er sehr, sehr großen Respekt gehabt habe vor Herthas „Wucht und der Fähigkeit, das Spiel aus dem Nichts heraus zu beschleunigen“, da dürfte er vor allem an Fabian Reese gedacht haben.

„Selbstverständlich ist er ein Unterschiedsspieler“, sagte Koschinat. „Und ich habe auch wahrgenommen, welche Persönlichkeit er in diesen Klub bringt.“ Reeses Fehlen habe seiner Mannschaft definitiv geholfen. Er sei nicht nur ein Individualist, der ein Stadion emotionalisieren könne, Reese habe auch „ein paar Special Effects“ wie den extrem weiten Einwurf.

Die Einwürfe übernahm gegen Osnabrück Marton Dardai. Am Fußballerischen versuchten sich wechselseitig Derry Scherhant und Gustav Christensen. Sie mühten sich, um es mal wohlwollend auszudrücken. „Man hat gesehen, dass uns Fabis Klasse gefehlt hat, obwohl wir Jungs auf dem Platz hatten, die wollten“, sagte Kapitän Toni Leistner. „Aber im Endeffekt waren wir heute zu ideenlos.“

Im letzten Spiel des Jahres wurde deutlich, wie sehr die Berliner von Reeses Klasse abhängig sind, von seiner Schnelligkeit, seinen Dribblings, seiner Überzeugung. Reese zieht die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich, die dann an anderer Stelle auf dem Platz fehlt. Er kann mit seinen individuellen Fähigkeiten festgefahrene Situationen auflösen. So ist Fabian Reese, obwohl von seiner Position links in der offensiven Dreierreihe eigentlich ein Außenseiter, zur zentralen Figur bei Hertha BSC geworden.

Das hängt auch mit dem kreativen Mangel im Spiel der Berliner zusammen. Im Laufe der Hinrunde (und bis zu deren Ende) sind fast alle Spieler ausgefallen, die für eine leitende Position in Frage gekommen wären: Ibrahim Maza stand Trainer Pal Dardai in dieser Saison kein einziges Mal zur Verfügung. Palko Dardai fehlt seit Mitte September, sein Bruder Bence seit Anfang November und Jeremy Dudziak seit Anfang Oktober.

Trainer Dardai hofft auf die baldige Rückkehr seiner Kreativspieler, aber: „So gut sieht es nicht aus“, sagte er am Samstag nach dem 0:0 gegen Osnabrück. Nur mit Dudziak, der schon wieder individuell trainiert, kann er mit Blick auf den Beginn der Vorbereitung am 3. Januar verlässlich planen. Für Palko und Bence Dardai könnte es selbst für das Trainingslager in Spanien (7. bis 14. Januar) eng werden. Immerhin dürfte Fabian Reese bis dahin wieder gesund sein.

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