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Traditionszeitschrift wird eingestellt: Die „Fußball-Woche“ liebte und lebte den Berliner Fußball
Ob Kreis- oder Bundesliga, die „Fußball-Woche“ berichtete seit 1923 immer mit viel Herzblut. Das Fachblatt war integraler Bestandteil der Berliner Fußballkultur – und wird eine riesige Lücke hinterlassen.
Stand:
Viele Jahrzehnte lang vereinte ein Ritual den Berliner Fußball. Ob jung oder alt, Spandau oder Rudow – nach der Wende auch Köpenick oder Hellersdorf – die „Fußball-Woche“ war am Montag Pflichtlektüre. Bevor das Internet die Art revolutioniert hat, wie wir Informationen konsumieren, war das Fachblatt alternativlos. Ergebnisse, Tabellen, Torschützenliste von der Bundesliga bis in die Niederungen der Kreisliga, dazu Jugend, Senioren und Betriebssport – alles mit viel Herzblut. Das gab es sonst nirgends.
Die FuWo war nicht nur Informationsquelle, sie war integraler Bestandteil der Berliner Fußballkultur. Es gab kaum einen Sportplatz, auf dem nicht irgendwo ein Exemplar herumlag, die Reichweite überstieg die verkaufte Auflage um ein Vielfaches. Montags sah man in Bussen und Bahnen zahlreiche Menschen, die in der „Fußball-Woche“ blätterten. Selbst Manfred Krug las in der ersten Folge der ARD-Serie „Liebling Kreuzberg“ die FuWo.
Die Zeitschrift hat einen Weltkrieg, die deutsche Teilung und zahlreiche Krisen überlebt. 2023 feierte sie 100. Geburtstag, an diesem Montag ist überraschend die letzte Ausgabe erschienen. „Abpfiff für die Fußball-Woche“, heißt es auf Seite drei. Auf dem Titel ist von der Einstellung des Traditionsmediums nichts zu lesen. Stattdessen: „Landespokal: Nur Inter überrascht – TeBe, Dynamo & Co. im Achtelfinale“. Selbst in ihrer letzten Stunde blieb sich die FuWo treu. Der Sport stand stets im Mittelpunkt, ohne Skandalisierung oder laute Schlagzeilen.
Dass es der Fußball-Woche nicht gutging, war schon länger bekannt. Seit den Neunzigerjahren stand das Fachblatt mehrfach vor dem Aus, 2008 gelang die Rettung in eine eigene, kleine Verlagsgesellschaft. Doch der Negativtrend blieb. Die Leserschaft wurde älter, der Digitalisierung verweigerte sich die Redaktion lange. Zudem wurde es immer schwieriger, freie Mitarbeiter zu finden, die ihre Sonntage für ein bescheidenes Honorar auf den Fußballplätzen der Stadt verbringen.
Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine stellten den Verlag vor zusätzliche Herausforderungen. Mit viel Hilfe aus dem Berliner Fußball wurde dennoch ein großer Meilenstein erreicht: der 100. Geburtstag im September 2023. In den letzten Jahren war ein langsamer Wandel spürbar. Auf Social Media gab sich die FuWo jünger und diverser, eine kostenpflichtige Online-Plattform sowie ein E-Paper wurden angeboten. Finanziell ausgezahlt hat sich das nicht.

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Zuletzt hoffte die Redaktion auf die Unterstützung des Berliner Fußball-Verbands, doch eine tragfähige Lösung war nicht in Sicht. „Die toxische Mischung aus Einnahmerückgängen, Kostensteigerungen und fehlenden Investitionsmitteln lässt uns keine andere Wahl“, schreibt Horst Bläsig, lange Jahre Chefredakteur und seit 2024 Herausgeber, im Namen von Redaktion und Verlag.
Berliner Fußball ohne die FuWo, das ist für viele Menschen unvorstellbar – ab dem kommenden Montag aber traurige Realität. Auch wenn Ergebnisse und Tabellen mittlerweile in Echtzeit online zu finden sind und es Portale gibt, die sich dem Amateurfußball widmen, hinterlässt die Fußball-Woche eine riesige Lücke.
Während sich viele Medien dem kleinen Fußball nur widmen, wenn es mal wieder eine Schlägerei gegeben hat, war die FuWo tief verwurzelt und verzweigt in der Szene. Die vielen freien Mitarbeiter waren oft selbst Fußballer, sie standen bei Wind und Wetter am Spielfeldrand, telefonierten wöchentlich mit Trainern und Vorstandsmitgliedern. Es ist nicht nur einmal passiert, dass ein FuWo-Berichterstatter der einzige Zuschauer bei einem Spiel war. Das schaffte Vertrauen und brachte besondere Geschichten zutage. Ruhte der Spielbetrieb im Sommer und Winter wurden Kreisliga-Knipser vorgestellt, als wären sie Bundesligastars.
Doch nicht nur Amateurfußballern bot sie eine Plattform, sondern auch jenen, die über sie schrieben. Zahlreiche Journalisten haben bei der FuWo ihre Karrieren begonnen, auch der Autor dieser Zeilen. Sie durften sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln, wachsen.
Die „Fußball-Woche“ und ihre Mitarbeiter liebten und lebten den Amateurfußball – und die Zeitschrift wirkte nachhaltig in diesen hinein. Bis zuletzt galt in vielen Vereinen die Regel: Wer in der Elf des Tages seiner Spielklasse steht, muss der Mannschaft einen ausgeben. Wenn die Redaktion zum Abschied von einer „Institution des Hauptstadt-Fußballs“ und einem „Stück Heimat und Identifikation“ schreibt, ist das keineswegs übertrieben. Die Fußball-Woche wird fehlen.
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