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Ein Küsschen für den Wimbledon-Pokal. Carlos Alcaraz ist mit 20 Jahren schon der beste Tennisspieler der Welt.

© Imago/PanoramiC

Wimbledon-Sieg hier, Grand-Slam-Frust da: Was Carlos Alcaraz von Alexander Zverev unterscheidet

Der eine galt als potenzielle Nummer eins und Grand-Slam-Sieger, der andere hat beides schon erreicht. Warum der Weg vom Talent zum Champion nicht selbstverständlich ist.

Als Alexander Zverev vor einigen Jahren als Teenager auf die Profi-Tour wechselte, sahen nicht wenige Experten in dem Deutschen die künftige Nummer eins im Männertennis. Zverev brachte vermeintlich alles mit, was es braucht, um Erfolg zu haben. Da war das Talent, das seines Gleichen suchte. Dazu war das Umfeld derart auf den Sport fokussiert, dass Zverev eigentlich gar nicht anders konnte, als selber zum Schläger zu greifen.

Vater, Mutter und Bruder – sie alle hatten ihre Erfahrungen im Profizirkus gesammelt und gaben diese an den jüngsten Spross der Familie weiter. Dazu reiste Zverev junior seit Kindesbeinen von Turnier zu Turnier – er musste sich gar nicht mehr groß auf die Herausforderungen als Profi einstellen.

Inzwischen hat Alexander Zverev viel erreicht. Er gewann 19 Einzeltitel, wurde Olympiasieger und holte sogar zweimal den Titel bei den ATP-Finals, dem Endturnier der besten Tennisspieler einer Saison. In der Weltrangliste kletterte er bis auf den zweiten Platz und gehört seit Jahren zu den etablierten Profis auf der Tour. Und doch ist seine Karriere unvollendet. Weil ihm der große Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier bisher versagt blieb.

Carlos Alcaraz startete seine Profikarriere mit ähnlichen Vorschusslorbeeren wie Zverev. Auch er stammt aus einer Tennisfamilie und galt schon frühzeitig als potenzieller Nachfolger von Rafael Nadal. Die spanische Tennislegende mochte solche Vergleiche allerdings nicht besonders gern, weil das den Druck auf Alcaraz nur unnötig erhöhen würde und der seinen eigenen Weg gehen sollte.

Das ist Alcaraz auf seinem Vormarsch an die Spitze im Welttennis in kurzer Zeit eindrucksvoll gelungen. Er ist erst bei zehn Grand-Slam-Turnieren angetreten und hat schon zwei gewonnen. Noch nie schied er bei einem der Majors in der ersten Hauptfeld-Runde aus, seine Bilanz steht bei unglaublichen 36 Siegen und acht Niederlagen. Zum Vergleich: Alexander Zverev brachte es bei seinen ersten zehn Grand-Slam-Teilnahmen gerade mal auf eine Bilanz von 12:10.

Tennis wird im Kopf entschieden

Was also kann Alcaraz besser, wenn das Talent-Level ähnlich hoch ist? „Ich habe noch nie gegen einen Spieler wie ihn gespielt“, sagte Novak Djokovic nach seiner Finalniederlage in Wimbledon am Sonntag und sieht in dem Spanier eine Mischung aus Roger Federer, Nadal und ihm selbst. Als Alcaraz im vergangenen Herbst die US Open und damit seinen ersten Grand-Slam-Erfolg feierte, prophezeite Nadal: „Ich bin sicher, dass es noch viele weitere geben wird.“

Alexander Zverev musste auch in Wimbledon einmal mehr frühzeitig die Taschen packen.
Alexander Zverev musste auch in Wimbledon einmal mehr frühzeitig die Taschen packen.

© IMAGO/USA Today

Derselbe Nadal hatte einst über Alexander Zverev und dessen Jagd nach einem Major-Titel gesagt: „Ich bin mir sicher, er wird mehr als nur einen gewinnen.“ So sicher sind sich da andere Experten nicht mehr unbedingt. Das Talent scheint ihm genau wie Alcaraz in die Wiege gelegt zu sein, aber Zverev, inzwischen 26, trägt zu viel psychischen Ballast mit sich herum. Zum Beispiel die Erwartungshaltung, auch von ihm selbst, die ihn oft zu lähmen scheint.

Und wer sich an das verlorene US-Open-Finale des Deutschen gegen Dominic Thiem 2020 erinnert, hat einen Zverev vor Augen, der Angst vor dem Gewinnen hatte. Ganz anders als Carlos Alcaraz, der in einer vergleichbaren Situation 2022 gegen Casper Ruud in New York triumphierte und nun die größtmögliche Herausforderung meisterte und Novak Djokovic im Finale von Wimbledon in fünf Sätzen bezwang.

Dass Tennis im Kopf entschieden wird, ist keine neue Erkenntnis. Die Beispiele von Alcaraz und Zverev zeigen das mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Dass der Deutsche durchaus das Zeug hat, auch große Matches bei Grand Slams zu gewinnen, zeigte er nie auf eindrucksvollere Weise als 2022 im Viertelfinale der French Open. Sein Gegner damals war – Carlos Alcaraz. Bis heute war dies Zverevs einziger Erfolg gegen einen Spieler aus den Top Ten der Tennis-Weltrangliste bei einem Grand-Slam-Turnier.

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