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Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden.

© picture alliance/dpa/Andreas Arnold

Update

Wieder 19 statt sieben Prozent: Ökonomen begrüßen Rückkehr zu alter Mehrwertsteuer in Gastronomie

Die Branche hatte dafür geworben, die Steuersenkung für Speisen nicht Ende 2023 auslaufen zu lassen. Die Ampel hat sich anders entschieden. Branchenvertreter reagieren entsetzt.

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Lange war darüber debattiert worden, die Gastronomiebranche hatte immer wieder davor gewarnt, doch die Ampelkoalition hat sich festgelegt: Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wird zu Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben.  „Es ist uns leider nicht gelungen, die Verlängerung zu einem gemeinsamen Koalitionsprojekt zu machen“, erklärte dazu der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer der Nachrichtenagentur AFP.

Die Liberalen hatten sich dafür eingesetzt, Grüne und SPD waren dagegen. „Alle Pläne zur Verlängerung der reduzierten Umsatzsteuer in der Gastronomie standen von Anfang an unter Finanzierungsvorbehalt“, fügte Meyer hinzu.

Ihm zufolge wäre eine Einigung der Ampelparteien zwar möglich gewesen. „Aber auch mit Einigung in der Koalition war die Zustimmung der Länder und die Übernahme ihres Kostenanteils an den insgesamt 3,6 Milliarden Euro vollkommen offen.“

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Außerdem habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung der Mittel aus dem Corona-Fonds „die Haushaltsspielräume zusätzlich eingeschränkt“.

Es ist einfach nicht gut zu vermitteln, dass eine bestimmte Branche jetzt dauerhaft so stark unterstützt wird, indem man die Mehrwertsteuer absenkt.

Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise

Zuvor hatte auch der AfD-Haushälter Peter Boehringer bestätigte, dass sich SPD, Grüne und FDP in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages in der Nacht zum Freitag darauf geeinigt hätten, die Absenkung nicht über das Jahresende 2023 hinaus zu verlängern.

Die endgültige Entscheidung sei wegen der Vertagung des Ausschusses aber noch nicht gefallen, da die Steuer in den Einzelplan 60 zur Allgemeinen Finanzverwaltung falle, so Boehringer. Darüber will der Ausschuss erst in den abschließenden Etatberatungen am Donnerstag nächster Woche entscheiden.

Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird aktuell mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Das Finanzministerium hatte im September das Volumen der Umsatzsteuerreduzierung auf 3,4 Milliarden Euro beziffert. 

Die Bundesregierung verband damit die Hoffnung, dass die Gastronomen die Mehrkosten durch Energie und Inflation nicht sofort an die Kunden weitergeben. Die Preise in den Restaurants, Cafés und Bars stiegen in den vergangenen beiden Jahren dennoch bundesweit deutlich: Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts kosteten „Gaststättendienstleistungen“ im Oktober rund 20 Prozent mehr als im Januar 2021. Im Vergleich zu Februar 2022, also dem Monat, in dem der Ukraine-Krieg begann, liegt das Plus bei etwas mehr als 14 Prozent, wie die Agentur dpa schreibt.

Ökonomen unterstützen die aktuelle Entscheidung der Regierung. „Der Ampel gebührt Lob, dass sie jetzt endlich stärker priorisiert“, sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Argumente der Gastronomiebranche für eine Entfristung der Steuersubvention seien immer schwach und widersprüchlich gewesen. „Diese sehr teure Vergünstigung ist sozial problematisch, weil sie besonders den Wohlhabenden zugutekommt“, sagte Heinemann.

Zudem sei ihre eigentliche Begründung mit der Pandemie weggefallen. „Und sie fußte auf dem Missverständnis, dass man Strukturwandel einer Branche durch Dauersubventionen begleiten sollte“, sagte Heinemann. „Dennoch war die Kampagne der Lobbies aus Gastronomie und Großhandel laut und aggressiv.“ 

Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer. „Es ist einfach nicht gut zu vermitteln, dass eine bestimmte Branche jetzt dauerhaft so stark unterstützt wird, indem man die Mehrwertsteuer absenkt“, sagte die Wirtschaftsweise im Deutschlandfunk.

Man müsse sich fragen, welche Branchen in der neuen Situation dauerhaft Schwierigkeiten hätten und nur mit Subventionen überleben könnten. „Da muss es dann schon einen Strukturwandel geben“, sagte die Ökonomin. „Das wird auch für die Gastronomie gelten.“

Die Branche prognostiziert nun ein Kneipensterben. „Respekt und Wertschätzung für das, was unsere Gastgeber mit ihren Beschäftigten leisten, hat die Politik mit dieser Entscheidung nicht gezeigt“, sagte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Guido Zöllick, am Freitag der Agentur Reuters. Jetzt seien „tausende Existenzen gefährdet, der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert“.

Dramatische Umsatzeinbußen in der Branche und bei ihren Partnern, Jobverluste, Betriebsaufgaben, Insolvenzen sowie marode regionale Wirtschaftskreisläufe seien programmiert. Zudem mache die Rückkehr zum Steuersatz von 19 Prozent deutliche Preiserhöhungen notwendig. „Damit trifft sie Normal- und Geringverdiener besonders hart“, sagte Zöllick.

Der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) warnte vor „katastrophalen Auswirkungen auf die gesamte Gastronomie“. „Kostensteigerungen und ordnungspolitische Eingriffe in die unternehmerische Freiheit bedrohen die Unternehmen der Systemgastronomie massiv“, sagte BdS-Hauptgeschäftsführer Markus Suchert dem Bericht zufolge. (lem)

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