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Stechuhr

© imago images/Gerhard Leber

Gesetz zur Arbeitszeiterfassung: Rückkehr zur Stechuhr oder Ende der Überstunden?

Arbeitgeber sollen künftig verpflichtet werden, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten elektronisch zu erfassen. Welche Folgen hat das?

Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) jetzt einen Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung vorgelegt. Arbeitgeber sollen nicht wie bisher nur Überstunden, sondern in Zukunft auch Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit der Mitarbeitenden elektronisch aufzeichnen. Erlebt die Stechuhr ein Comeback oder machen Beschäftige jetzt weniger Überstunden?

In unserem Format „3 auf 1“ fragen wir drei Expert:innen nach ihrer Einschätzung. (Alle Folgen „3 auf 1“ können Sie hier nachlesen)


Ein Zurück zur Stechuhr ist keine Option – es braucht ein modernes System zur Arbeitszeiterfassung

Arbeitszeit flexibel zu gestalten, ist eine zentrale Herausforderung der Arbeitswelt. Diese Herausforderung nehmen die Tarifvertragsparteien verantwortungsvoll wahr. Dort, wo es betrieblich möglich ist, wird mit Instrumenten wie Arbeitszeitkonten die Arbeitszeit flexibel verteilt. Das ist es, was der Vermeidung von Mehrarbeit und damit einer guten Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Anforderungen dient.

Das Arbeitszeitgesetz kann diese vertragliche Ausgestaltung der Arbeitszeit unterstützen. Dazu gehören z. B. flexible Wochen- statt Tageshöchstarbeitszeiten und mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei den Ruhezeiten. Besonders die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ist ein Fundament moderner Arbeitsbeziehungen. Sie ist ein notwendiger Beitrag, um mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Starre Arbeitszeitfenster konterkarieren den Wunsch der Menschen nach mehr Flexibilität.

Im Arbeitszeitgesetz müssen dafür die Spielräume genutzt werden, die der EuGH und das BAG ausdrücklich für die Umsetzung eines modernen Systems zur Arbeitszeiterfassung einräumen. Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts lässt sich nicht mit Regelungen des 20. Jahrhunderts produktiv und gesund gestalten. Wir Arbeitgeber erwarten daher eine grundlegende Überarbeitung des Referentenentwurfs. Ein Zurück zur Stechuhr ist keine Option – weder für Arbeitnehmer noch für Arbeitgeber!


Zeiterfassung und Flexibilität schließen einander nicht aus – Zeiterfassung ermöglicht eine faire Vergütung von Überstunden

Mit dem Bild der Stechuhr wollen Gegner:innen der Zeiterfassung ein Framing schaffen, nach dem die Erfassung der Arbeitszeit starr und altbacken sei. Aber dass flexible Arbeitszeiten durch Erfassung unmöglich würden, ist ein Mythos. Längst sind niedrigschwellige – übrigens für Unternehmen auch nicht sehr teure – digitale Zeiterfassungssysteme auf dem Markt, mit denen es ein Leichtes ist, die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Auch bei flexibler und mobiler Arbeit.

Und nach dem europäischen Recht und dessen verbindlicher Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof und das Bundesarbeitsgericht geht es vor allem um eins: den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten, ein hohes Gut. Überlange Arbeitszeiten machen nachweislich krank, bei Überstunden steigt das Unfallrisiko. Verantwortliche Arbeitgeber kommen ihrer Verpflichtung zum Schutz der Beschäftigten deshalb längst nach. Aber es geht eben auch um Geld: Wenn Beschäftigte um die Bezahlung von Überstunden streiten müssen, trifft sie die Beweislast.

Ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“, wie das europäische Recht es verlangt, hilft hier sehr, die Bezahlung von Überstunden durchzusetzen. Es geht also auch um Fairness.


Zeiterfassung kann Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz unterbinden

Die Stechuhr stammt aus einer Zeit, in der Arbeitnehmer durchweg im Büro oder der Fabrik arbeiteten. Die heutige Arbeitswelt ist in vielen Bereichen durch flexible Arbeits- und Arbeitszeitmodelle, wie Vertrauensarbeitszeit und mobiles Arbeiten, geprägt.

Für alle Formen der Arbeit schreibt der Gesetzesentwurf nun eine Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit perspektivisch in elektronischer Form vor. Der Arbeitgeber kann die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit auch auf den Arbeitnehmer übertragen; er bleibt aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung gegenüber Behörden und dem Betriebsrat verantwortlich.

Maßgeblich für diese Regelungen ist der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Wenn Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, zum Beispiel das Verbot der Sonntagsarbeit oder die Nichteinhaltung der Nachtruhe, dokumentiert sind, werden sie wohl unterbleiben, so der Gesetzesentwurf. Überstunden werden durch die Zeiterfassung nicht vermieden, im Gegenteil: Sie kann zu einer besseren Erfassung und Vergütung führen.

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