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Der Sitz des französischen Zug- und Bahntechnikhersteller Alstom in Görlitz. Der Standort hat eine 150-jährige Industriegeschichte.

© imago images/Andre Lenthe/Andre Lenthe Fotografie via www.imago-images.de

Kein Waggonbau mehr in Görlitz: Alstom legt Auslastungspläne vor

Vor allem die ostdeutschen Standorte sind von der Verlagerung nach Polen betroffen. Ministerpräsident Kretschmer bemüht sich um einen neuen Investor.

Alstom, nach der chinesischen CRRC der größte Zughersteller der Welt, verlagert seine Wertschöpfung von Deutschland nach Polen. Der Rohbau der Waggons soll künftig in Kattowitz erfolgen. Das Werk im ostsächsischen Görlitz steht vor dem Aus. Mitte 2026 läuft die Fertigung aus. Auch die Alstom-Standorte in Hennigsdorf bei Berlin, in Bautzen und Salzgitter verlieren nach Angaben der Arbeitnehmervertreter Produktionskapazität. Hennigsdorf, mit rund 2000 Arbeitsplätzen das größte Werk, könnte zu einem reinen Entwicklungs- und Servicestandort schrumpfen.

„Bei der Produktion soll der Fokus stärker auf den Innenausbau gelegt werden“, teilte Alstom dazu mit. Zudem setze der Konzern in Deutschland „auf die Wachstumsbereiche Service und Digitalisierung“, sagte Alstom-Sprecher Andreas Florez. „Davon werden die drei genannten Werke, je nach Standortprofil, profitieren.“

Für Görlitz gilt das nicht. Auf dem 150 Jahre alten Industrieareal arbeiten für Alstom 700 Beschäftigte. Derzeit werden vor allem Waggons für einen israelischen Kunden produziert. Der Auftrag ist demnächst abgearbeitet. Da Alstom und zuvor Bombardier seit Jahren kaum in Görlitz investiert haben, verlor das Werk zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit.

„Der Wagenkastenrohbau erfolgt bedarfsgerecht und ist in Deutschland rückläufig“, teilte Alstom mit. Es sei jedoch nicht der Zeitpunkt, um daraus unmittelbare Konsequenzen für den Standort Görlitz abzuleiten. „Der Zukunftstarifvertrag läuft bis 2026 und schützt die Standorte.“ Aktuell liefen in Görlitz Produktionen für Doppelstockwagen für Israel und die Deutsche Bahn. Zudem würden verschiedene Straßenbahnprojekte umgesetzt. „Auch die Vorbereitungen für die Wagenkästen für die Leipziger Straßenbahnen sind angelaufen.“

Da diese Projekte endlich sind, bemühen sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und die IG Metall um neue Investoren. Das riesige Gelände an der polnischen Grenze könnte zu einem Industriepark mit verschiedenen Unternehmen umgestaltet werden.

Besuch im Kanzleramt

Mit Blick auf die Landtagswahlen am 1. September und die hohen Umfragewerte der AfD wollte Alstom die Entscheidung über die Werkschließung ursprünglich erst im Spätherbst kommunizieren. Den Arbeitnehmervertretern stellte das deutsche Management in den vergangenen Tagen die Auslastungsplanung für die kommenden Jahre vor, wonach für Görlitz keine Tätigkeiten mehr vorgesehen sind.

2021 hatte Alstom die kanadische Bombardier Transportation mit einem Dutzend Standorte und 9000 Mitarbeitenden in Deutschland übernommen. Bombardier wiederum hatte 1998 die Deutsche Waggonbau und 2001 die Daimler-Zugsparte Adtranz gekauft. Erfolgreich waren die Kanadier in zwei Jahrzehnten nicht, Qualitätsmängel und Sanierungsrunden bestimmten immer wieder die Schlagzeilen.

Wir wollen, dass der 150 Jahre alte Standort erhalten bleibt; wir erwarten daher Vorschläge von Alstom.

Dresdner Wirtschaftsministerium zu Görlitz

Alstom setzt den Kapazitätsabbau der Kanadier fort. Die Best-Cost-Strategie der französischen Konzernspitze sieht die Produktion der Bahnen in Kattowitz und Breslau vor. Wenn die polnische Kapazität ausgeschöpft ist, wird der Überlauf im relativ modernen Werk in Bautzen abgewickelt. Für Görlitz gibt es keine Verwendung. „Wir wollen, dass der 150 Jahre alte Standort erhalten bleibt; wir erwarten daher Vorschläge von Alstom“, teilte das Dresdner Wirtschaftsministerium bereits vor Wochen mit.

Vor gut einem Jahr hatte die IG Metall einen „Zukunftstarifvertrag“ mit Alstom vereinbart, um die 9000 Arbeitsplätze zu sichern und den Standorten eine Perspektive zu geben. Die Beschäftigten verzichteten auf insgesamt 34 Millionen Urlaubsgeld/Jahr, der Konzern sagte Investitionen zu.

Da der Arbeitgeber angeblich seine Verpflichtungen nicht eingehalten hat, kündigte die IG Metall kürzlich den Tarifvertrag. Für Tausende Beschäftigte bereitet die IG Metall Klagen vor, um die Zahlung des Urlaubsgeldes zu erzwingen. Das Unternehmen geht dagegen immer noch von der Gültigkeit des Tarifvertrags aus. Wie auch immer es kommen mag: Das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist massiv beschädigt.

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