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Angesichts der auch im Jahr 2022 verfehlten Klimaziele im Gebäudesektor sei es laut Umwelthilfe fahrlässig, am Abrisswahn in Deutschland festzuhalten.

© IMAGO/Zoonar/Smilla72

Sanierung schont Klima und Ressourcen: Umwelthilfe fordert, Abrisse von Gebäuden zu stoppen

Der Nachholbedarf der energetischen Gebäudesanierung wird immer größer. Die Umweltorganisation sieht deutliches CO₂-Einsparpotenzial und fordert, Abrisse bis auf Weiteres zu stoppen. 

Jeden Tag werden in Deutschland rund 40 Gebäude abgerissen. Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zufolge spielt dabei Klima- und Ressourcenschutz nur eine untergeordnete Rolle. Dabei ermöglicht die Sanierung von Gebäuden, rund ein Drittel der Emissionen eines Neubaus und damit pro Jahr 1,1 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen.

Das geht aus einer Hochrechnung hervor, die die Umweltorganisation am Mittwoch veröffentlichte. Die DUH erneuerte außerdem ihre Forderung, keine weiteren Gebäude abzureißen, bis sowohl die Genehmigung als auch eine Ökobilanzierung von Abrissen gesetzlich vorgeschrieben werden.

„Es ist vollkommen unverständlich, warum die Bauministerin zulässt, dass vermeidbare Abrisse jedes Jahr Millionen Tonnen CO₂ freisetzen und wertvolle Ressourcen vernichten“, sagte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH, am Mittwoch. Angesichts der auch im Jahr 2022 verfehlten Klimaziele im Gebäudesektor sei es geradezu fahrlässig, am willkürlichen Abrisswahn in Deutschland festzuhalten.

Das Niveau der energetischen Sanierungen reicht nicht aus, um das Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen.

Martin Gornig, Ökonom DIW

Sanierungen entwickeln sich schlechter als der Neubau 

Nach Energiewirtschaft, Verkehr und Industrie ist der Gebäudesektor der viertgrößte Verursacher von Treibhausgasen: Rund zehn Prozent der jährlichen Emissionen in Deutschland gehen allein auf Herstellung, Bau und Entsorgung von Gebäuden zurück. Insgesamt stehen in Deutschland aktuell rund 21,4 Millionen Gebäude. Über 100.000 neue Gebäude kommen jedes Jahr dazu, zuletzt wurden über 14.000 abgerissen. Etwa, weil eine Sanierung zu teuer und Grundstücke nicht maximal genutzt werden oder sie nicht mehr aktuelle Wohnstandards erfüllen.

1,1
Millionen Tonnen CO₂ ließen sich nach DUH-Hochrechnung durch Sanierungen einsparen.

Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden befinden sich seit Jahren auf Talfahrt. Um Preiseffekte bereinigt liegt das Investitionsniveau bei Sanierungen 13 Prozent unter dem von vor über zehn Jahren. Investitionen in Neubauten sind dagegen 40 Prozent höher. Das zeigt eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Das Niveau der energetischen Sanierungen reicht nicht aus, um das Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen“, sagt DIW-Ökonom und Studienautor Martin Gornig.

Ökobilanz von Sanierungen deutlich besser

Für die Umweltbilanz ist das nicht unerheblich, da durch den Abriss von Gebäuden Energie und Ressourcen verbraucht, Abfälle produziert und gebundene Emissionen freigesetzt werden. Dabei gibt es Fachleuten zufolge eine große Dunkelziffer von Abrissen, da diese in der Regel nicht genehmigt, sondern nur angezeigt werden müssen. Außer, es handelt sich etwa um große Umbauten oder das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Jedes Bundesland hat dabei seine eigene Landesbauordnung. In Berlin ist der Abriss von Gebäuden mit Wohnraum zum Beispiel generell genehmigungspflichtig, aufgrund der angespannten Wohnsituation.

Während der Neubau wirtschaftlich gesehen vorteilhafter als die Sanierung sein mag, ist es bei einer ökologischen Betrachtung umgekehrt. Einer aktuellen Studie des Wuppertaler Instituts zufolge verursachen Gebäude über den gesamten Lebenszyklus betrachtet bei energetischer Sanierung nur halb so viel CO₂-Emissionen wie ein Neubau. So sinkt der Primärenergiebedarf eines Gebäudes um 90 Prozent. Die im Bestandsgebäude gespeicherten Grauen Emissionen werden nicht freigesetzt. Und auch der Bedarf an neuen Ressourcen ist geringer.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert, dass diese Klimaprüfung der Energie- sowie Ressourcenbilanz aktuell nicht vorgeschrieben ist und daher nicht stattfindet. Eigentümer könnten bisher nach eigenen Interessen entweder sanieren oder abreißen. Bereits im letzten Jahr haben Umweltschützer sowie Vertreter aus Forschung und Politik Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in einem offenen Brief aufgefordert, den Abriss von Gebäuden so lange zu stoppen, bis eine ökologische Prüfung stattfindet.

Die Umweltorganisation will Abrisse nur dann genehmigen lassen, wenn auf Basis des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes Abriss und Neubau ökologischer sind als Umbau und Sanierung. „Es wäre ein Leichtes, eine Abrissgenehmigungspflicht auf Basis einer Ökobilanzierung in die Musterbauordnung aufzunehmen“, sagt Barbara Metz. Nur dann würden auch die Bundesländer nachziehen und die Regelung in die Landesbauordnungen integrieren. Nach einem Rechtsgutachten sei das auch verfassungsrechtlich möglich.

Auch DIW-Ökonom Gornig sagt, die Sanierungsrate müsse sich innerhalb kurzer Zeit vervielfachen, um die Sanierungs- und CO₂-Reduktionsziele zu erreichen: „Dafür brauchen wir einen koordinierten Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten.“ Sinnvoll sei laut Gornig eine enge Abstimmung zwischen Produzenten, Baufirmen sowie öffentlichen und privaten Investoren. Dabei könne eine Koordninierungsstelle helfen, Fördermittel effizient zu verteilen und die Kapazitäten bei Sanierern zu erhöhen.

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