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Zerstörung in Sao Sebastiao, 19.2.2023

© AFP/-

Fluten in Brasilien, Erdbeben in der Türkei: Der Februar wird zum Monat der großen Naturkatastrophen

Erst die Erdbeben in der Türkei und Syrien, jetzt Extremwetter in Brasilien. Auch hier wären wahrscheinlich viele der Opfer vermeidbar gewesen.

Ein Kommentar von Richard Friebe

Der Februar 2023 wird so langsam zum Monat der großen Naturkatastrophen. Man kommt mit dem Berichten kaum hinterher: Die Erdbeben in Syrien und der Türkei, der Tropensturm in Neuseeland, die Überflutungen in Australien.

Und was einst eine Top-News gewesen wäre – die Waldbände in Chile – haben viele hierzulande nicht einmal mitbekommen. Von den multiplen, viele Menschenleben kostenden Lawinenunglücken in Tajikistan ganz, im Wortsinne, zu schweigen.

Jetzt kommt noch das Extremwetter im brasilianischen Bundesstaat Sao Paulo hinzu. Starker Regen, über die Ufer tretende Flüsse und Hangrutsche. In vielen Orten haben sie nicht nur die seit Monaten geplanten, erstmals seit Beginn der Pandemie wieder in aller Ausgelassenheit erwarteten Karnevalsveranstaltungen unmöglich gemacht. Dutzende Todesopfer sind bereits bestätigt. Wie viele es letztlich sein werden, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

Extremwetter

Welchen Anteil die Klimaveränderungen an den Naturkatastrophen haben, die nicht aus dem Erdinneren kommen, wird intensiv erforscht. Die Ergebnisse dieser Forschung, ausgedrückt in Prozentzahlen und den für die Leugner so willkommenen Fehlerbalken der Statistiken, werden aber an den Ergebnissen solcher Katastrophen nicht viel ändern.

Sie werden einerseits zu spät kommen. Und es gibt andererseits keinen Grund zu glauben, dass sie nach den schon heute vorliegenden, vollkommen ausreichenden Befunden eher die menschliche und institutionelle Ignoranz und Bequemlichkeit überwinden werden.

Erdrutsch am Highway SP-55 nahe Ubatuba, Bundessaat Sao Paulo, 19. Februar 2023.

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Zu diesem Schluss muss man auch angesichts einer kaum bestreitbaren Tatsache kommen: Die katastrophalen Folgen dieser Katastrophen – einschließlich derer, die in all ihrer tektonischen Gewalt nun wirklich nichts mit fossilen Brennstoffen und verdauenden Kühen zu tun haben – sie sind ganz offensichtlich menschengemacht. Aber wir Menschen schaffen es nicht, daran etwas zu machen.

Soweit bekannt sind die meisten Opfer der Fluten in Brasilien Bewohner von Siedlungen an unsicheren, entwaldeten Hängen. Sie siedeln dort, weil sie sich ein Apartment nicht leisten können. An den Hügeln wächst kein atlantischer Regenwald mehr, der den Boden vor Erosion und durchnässte Hänge vor dem Abrutschen schützt. Die Menschen und ihre Farmen, sie müssen schließlich irgendwo hin. Und es gibt wenig Kontrolle gibt.

Rettungsarbeiten in Sao Sebastiao.

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Tropische Wälder, sagt Patrick Roberts vom Jenaer Max-Planck-Institut für Geoanthropologie, „tragen mit ihrer Vegetationsdecke dazu bei, den Oberflächenabfluss von Wasser zu verringern und die Landschaft vor Wetterextremen und Überschwemmungen zu schützen.“ Die atlantischen Regenwälder seien insgesamt „stark bedroht und von ihrer ursprünglichen Ausdehnung reduziert, was die Anfälligkeit für Überschwemmungen erhöht.“

Reversible Schäden, vermeidbare Schäden

Doch es wäre prinzipiell möglich, menschenmöglich, diese Entwicklung umzukehren. Strategien dafür, basierend konkret auf den jeweiligen hydrologischen und topographischen Gegebenheiten, hat ein Team um Jennifer Viezzer von der Universidade Federal do Paraná erst im vergangenen Jahr vorgelegt. Diese Studie zeigt auch, dass dies menschenverträglich möglich ist, etwa durch Aufforstung mit ganz bestimmten Gehölzarten in der Nähe besiedelter Bereiche, also oft ganz ohne Menschen umsiedeln zu müssen.

Doch es geschieht bisher wenig. Die letzte vergleichbare Katastrophe ist erst ein Jahr her: 231 Menschen starben im südbrasilianischen Petropolis am 15. Februar 2022. Ursache war, laut einer Analyse von Forschern aus Brasilen, Singapur und Taiwan, die demnächst veröffentlicht werden soll, „eine „Kombination aus ungeplantem städtischem Wachstum an Hängen zwischen 45 und 60 Grad Neigung, Beseitigung der Vegetation und fehlenden Kontrollen“.

Ein Test für die Herausforderung Klimawandel

Ähnlich in der Türkei und Syrien, wo klar war, dass die Urgewalt der Erde sich genau dort, wo es geschah, bald wieder entladen wird, auf Planung und erbebensichere Bauweise aber großteils verzichtet wurde.

In Petropolis, dem Ort der Katastrophe vor einen Jahr im Bundesstaat Rio de Janeiro, sind jene Hänge zum Teil bereits wieder bebaut. Und dass etwa der türkische Staat dafür sorgen wird, dass der Wiederaufbau kein bloßer Wiederaufbau sein wird, sondern einer, der die Geologie berücksichtigt und langfristig dafür sorgt, dass die Häuser stehen und die Menschen leben bleiben – was langfristig auch finanziell günstiger kommt – bezweifeln schon jetzt viele.

Eins ist aber sicher: Wenn Verwaltungen, Nationen, die internationale Gemeinschaft es nicht schaffen, diese ganz offensichtlichen menschengemachten Folgen von Katastrophen zumindest zu minimieren, wird es, wenn kein technologisches Wunder geschieht, mit einer wirksamen menschengemachten Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels auch nichts werden.

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