zum Hauptinhalt
„Dickson Greeting“ hieß der erste Film, der mit dem „Kinetoskop“ entstand.

© Wikimedia Commons

Heute vor 129 Jahren: Als die Bilder laufen lernten

Die Anfänge des Kinos waren eher bescheiden. Mit den ersten patentierten Aufnahme- und Abspielgeräten konnten nur einzelne Personen bewegte Bilder betrachten.

Eine Kolumne von Jan Kixmüller

Der Film heißt „Dickson Greeting“. Er ist nicht sehr lang, eigentlich nur ein paar Sekunden. Zu sehen ist ein Mann im Dreiteiler, der einen Strohhut von einer Hand in die andere führt. Die Sequenz ist so kurz, dass er nicht einmal Zeit hat, die Augen zu öffnen. Zwischen zwei Augenblicken also. Das war’s.

Immerhin bewegen sich die Bilder des 1891 entstandenen Werks. Und genau darum ging es den Schöpfern. Die Sequenz war in einem kleinen Kasten aus Kiefernholz zu sehen, der oben ein Loch von vielleicht einem Zoll Durchmesser hatte. Wer hindurch schaute, sah den Mann, der mit seinem Hut grüßte. „Jede Bewegung war perfekt. Es gab keinerlei Ruckeln“, hieß es nach der ersten Präsentation am 28. Mai 1891 in der „New York Sun“.

Drei Jahre später, heute von 129 Jahren, ließ Thomas Edison den „Kinetoskop“ genannten Kasten zusammen mit dem „Kinetografen“ als eine der ersten Filmkameras und Wiedergabegeräte der Welt patentieren. Die erste Kamera war es allerdings nicht, bereits 1888 hatte der Franzose Louis Le Prince die erste Filmkamera gebaut. Die Entwicklung der Filmkamera trieben unabhängig voneinander verschiedene Personen mit unterschiedlichen Ansätzen voran.

Die Apparate wurden von Edisons Mitarbeitern William K. L. Dickson (auch Hauptdarsteller und Produzent des Films) und Johann Heinrich Krüsi konstruiert und gebaut. In der Kamera wurde ein Zelluloidfilm mit bis zu 46 Bildern pro Sekunde an einem Objektiv vorbeigezogen und dabei belichtet. Der belichtete Filmstreifen wurde fotochemisch entwickelt, zur Wiedergabe diente das „Kinetoskop“, mithilfe der von Edison erfundenen Glühbirne in der Mitte des Apparates

Das „Kinetoskop“ war ein Guckkasten, in dem ein etwa 20 Meter langer Filmstreifen in Endlosschleife einem einzelnen Betrachter gezeigt werden konnte. Der Filmstreifen wurde von einem Elektromotor bewegt. Bis zum Breitbildformat Cinemascope der Filmgesellschaft Twentieth Century Fox war es noch ein weiter Weg. Aber der Grundstein des Kinos war gelegt. Die Bilder hatten laufen gelernt.

Ein entscheidender Unterschied zum Kinoerlebnis der folgenden Jahrzehnte war jedoch die Einsamkeit des Zuschauers. Nur eine Person konnte in den Kasten schauen. Was er sah, war also im Vergleich zum späteren Gemeinschaftserlebnis im Kinosaal ein recht subjektiver Eindruck.

Insofern scheint sich die Entwicklung wieder umgekehrt zu haben. Heute schauen wieder viele Menschen allein in einen kleinen Kasten, um bewegte Bilder zu sehen, wenn auch in HD-Qualität und mit Stereo-Tonspur.

Vielleicht sollten wir uns über diesen vermeintlichen Rückschritt aber nicht allzu viele Sorgen machen. Zumindest haben Filme wie „Asteroid City“, „Barbie“ und „Oppenheimer“ dieses Jahr wieder für volle Kinosäle gesorgt – und das mitten im Sommer.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false