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Zeitgenössische Darstellung der Zugfahrt von 1841, organisiert von Thomas Cook, mit der er einige Hundert Menschen zu einem Abstinenzlertreffen brachte und damit veranstalte, was vielen als erste Pauschalreise gilt.

© picture alliance / dpa/Thomas Cook

Heute vor 178 Jahren: Wie der Massentourismus erfunden wurde

Am 5. Juli 1841 fuhren 500 Arbeiter von Leicester nach Loughborough. Thomas Cook organisierte den Ausflug, um die Menschen vom Trinken abzuhalten. Er gilt als Erfinder des Massentourismus, der heute in Verruf geraten ist. Zu Unrecht, wie eine Studie zeigt.

Eine Kolumne von Stephanie Eichler

Für Arbeiter herrschten im viktorianischen Zeitalter elende Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Viele trösteten sich mit Alkohol – Gin war billig. Der Baptistenprediger Thomas Cook, selbst in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wollte den Menschen helfen. Er predigte nicht nur, sondern lieferte: Seit ein paar Jahren transportierte die Eisenbahn Güter durch England, nun wurden auch Personenzüge eingesetzt. Da kam Cook auf die Idee, sie für seine Schützlinge zu nutzen.

Am 5. Juli 1841, heute vor 182 Jahren, organisierte er für knapp 500 Arbeiter und Handwerker eine Fahrt von Leicester ins nahe gelegene Loughborough, Schinkenbrote und Tee inklusive. Am Ziel angekommen, nahm die Reisegruppe an einer Kundgebung gegen Alkohol teil, verbrachte den Tag mit Spielen, Reden und Essen. Am Abend fuhren alle gemeinsam zurück. Reisen statt trinken.

Thomas Cook war nicht der Einzige, der nun Bahnreisen für Gruppen organisierte und das Reisen der Arbeiterklasse zugänglich machte, doch niemand war so erfolgreich wie er. 1845 stellte Cook zum ersten Mal eine kommerzielle Tour auf die Beine. Es ging von Leicester nach Liverpool. Für seine Kundschaft hatte Cook einen 60-seitigen Reiseführer erstellt. Es folgten Reisen nach Schottland, nach London, Paris, in die Schweiz, nach Italien, Japan, Indien und anderswohin.

Reise, Unterkunft, Verpflegung

Ab 1855 handelte Cook mit Pauschalangeboten im heutigen Stil: Die Urlaubenden buchten Reise, Unterkunft und Verpflegung zusammen, und zahlten dafür festgesetzte Tarife. Und er ermöglichte Frauen zu reisen. Sie konnten vertrauenswürdige männliche Begleiter hinzubuchen, „zu einer Zeit, in der Frauen ohne männliche Aufsicht nicht weiter als bis ins eigene Wohnzimmer kamen“, schreibt Jane Robinson, Expertin für Sozialgeschichte an der Oxford University.

Sohn und Enkelsohn vergrößerten das Unternehmen. 1928 wurde es an eine belgische Firma verkauft. Doch 2019 meldete der Reiseveranstalter Konkurs an, wurde von einem chinesischen Mega-Konzern übernommen, soll aber nun erneut zum Verkauf stehen.

Thomas Cook in einer zeitgenössischen Abbildung.

© dpaThomas Cook

Ganz anders als zu seinen Ursprüngen wird der Massentourismus heute öfter mit Saufgelagen in Verbindung gebracht. An einem bestimmten Abschnitt der Playa de Palma auf Mallorca zum Beispiel, auch als Ballermann bekannt, artet der Urlaub einzelner Pauschaltouristen, Touristinnen oder ganzer Reisegruppen, die meist für wenig Geld in Hotels unterkommen, regelmäßig in Alkoholexzesse aus.

Um etwas dagegen zu tun, werden die Angebote auf der Mittelmeerinsel zunehmend schicker und teurer. Doch somit werden auch jene Reisenden zurückgedrängt, die tagsüber im Meer baden, keinen Alkohol trinken oder früh schlafen gehen, aber auf sehr günstige Unterkünfte angewiesen sind.

Diese Entwicklung hätte Thomas Cook missbilligt. Außerdem könnte sie schlecht für die Umwelt sein, wie der Geograph Macià Blazquez und der Tourismusforscher Thomas Schmitt in einer Studie gezeigt haben.

Der ökologische Fußabdruck typischer Massentouristen ist jeweils deutlich kleiner als der von sogenannten Qualitätstouristen, die sich an der Küste oder auf dem Land ein Haus mit Pool mieten, mit einem Auto umherfahren und golfen gehen. In Sachen Flächen- und Wasserverbrauch schneidet ein typischer Massentourist einfach besser ab.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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