zum Hauptinhalt
Aufrisszeichnung der Frontfassade des Physikalischen Vereins an der Senckenberganlage zu seiner Errichtungszeit.

© gemeinfrei via Wikipedia

Heute vor 199 Jahren: Wissen von Bürgern für Bürger: Physikalischer Verein wird gegründet

Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern, ist damals wie heute ein erklärtes Ziel. Doch noch immer profitieren nicht alle davon.

Eine Kolumne von Stephanie Eichler

Sie wollten voneinander lernen und anderen Bürgern Grundwissen aus Physik und Chemie vermitteln: Am 24. Oktober 1824, heute vor 199 Jahren, gründeten elf Bürger mit Spaß an Naturwissenschaften den Physikalischen Verein in Frankfurt am Main. Sie hielten Vorträge über Lichtstrahlen, Blausäure und die Fallgesetze von Körpern.

Sie führten Experimente vor und erklärten die Funktionsweise von Barometern und Thermometern, Luftschiffen und Dampfmaschinen. Kurze Zeit zuvor soll Johann Wolfgang von Goethe, wohl der berühmteste Bürger Frankfurts, beklagt haben, dass das chemische Laboratorium seiner Heimatstadt unbrauchbar sei und die Physik noch gar nicht angekommen. Das hatte sich nun geändert.

Johann Valentin Albert, Kaufmann und Mechaniker, war einer der elf Gründungsväter des Vereins. Bis er nach gut zehn Jahren ausschied, überließ er den Vortragenden seine gesammelten physikalischen Apparaturen, damit sie sie als Anschauungsmaterial nutzten. Und er stellte sie aus.

Zu sehen gab es einen Alkoholmeter, ein Messgerät zur Ermittlung des Alkoholgehalts von Mischungen aus Alkohol und Wasser sowie ein Sonnenmikroskop. Doch die Ausstellung war nur werktags geöffnet und samstags von 15 bis 18 Uhr, nicht aber am Sonntag, dem einzigen Tag, an dem die Arbeiterklasse Zeit für Bildung gehabt hätte, weil sie dann nicht in Manufakturen und Fabriken beschäftigt war.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch Frauen spielten in dem Verein anfänglich kaum eine Rolle. Sie waren zwar zugelassen, durften aber erst ab 1898 Mitglied werden. Das Bildungsangebot nutzte also zunächst vor allem den Männern des aufstrebenden Bürgertums. Heute besteht der Verein weiterhin und hat beispielsweise Science Slams im Programm. Fachleute bekommen dabei zehn Minuten Zeit, um die eigene Forschung so zu erklären, dass jeder sie versteht.

Die Slams sollen das Interesse an Naturwissenschaften fördern, bei einem Publikum, das „in der Freizeit nicht in eine Ringvorlesung gehen würde und vielleicht auch selten in ein Museum oder an einen sonstigen wissenschaftlichen Ort“, informiert die Fachzeitschrift Forschung & Lehre. Gut möglich, dass Bildungsgerechtigkeit im Physikalischen Verein inzwischen besser klappt als im restlichen Bildungssystem Deutschlands: In Sachen Bildungserfolg zieht die Arbeiterschicht dort nach wie vor den Kürzeren.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false