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Die Kon-Tiki-Expedition wird nach ihrer Ankunft in Papeete, Tahiti, Polynesien, am 18. September 1947 gezeigt.

© PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS

Heute vor 76 Jahren: Per Floß über den Pazifik

Im Jahr 1947 reist der Norweger Thor Heyerdahl auf einem Floß über den Pazifik, um eine Hypothese zu beweisen. Seine Theorie gilt heute als widerlegt – zumindest teilweise.

Eine Kolumne von David Will

Rund 7000 Kilometer – so viel Meer liegt zwischen der Küste Perus und dem Tuamotu-Archipel, einer polynesischen Inselgruppe im Südpazifik. Thor Heyerdahl überquerte diese Distanz auf einem Floß aus Holzplanken, Schilf und Seilen, das nur über ein einfaches Segel verfügte.

Am 7. August 1947, heute vor 76 Jahren und nach insgesamt 101 Tagen auf See, legten der Norweger und seine fünf bärtigen, hellhäutigen Gefährten in Polynesien an. Das erklärte Ziel der Reise: Zu beweisen, dass Polynesien zuallererst von bärtigen, hellhäutigen Männern aus Südamerika besiedelt wurde.

Heyerdahl war Zoologe, Hobbyarchäologe und schon in seinen Flitterwochen Mitte der 1930er Jahre nach Polynesien gereist. Beim Anblick von Statuen aus vorkolonialer Zeit war ihm damals die zündende Idee gekommen: Diese Statuen musste eine frühe Hochkultur erbaut haben, die ihren Ursprung in weiter Ferne hatte. Den „sanftmütigen, braunen Menschen“ vor Ort, wie Heyerdahl sie nannte, traute er das nicht zu.

Später stieß er auf Berichte spanischer Eroberer, die sowohl im Pazifik als auch in Peru auf weiße, bärtige Menschen gestoßen sein sollen. Fertig war die Theorie: Kon-Tiki Viracocha, ein mythischer und angeblich hellhäutiger Inka-Herrscher, hatte demnach die Inseln vor rund 2500 Jahren besiedelt – lange vor der Ankunft asiatischer Siedler:innen. Die Reise mit dem Floß „Kon-Tiki“ im Jahr 1947 sollte schließlich der Beweis sein, dass es technisch möglich war.

In der breiten Öffentlichkeit kam das gut an. Heyerdahls Erfahrungsbericht wurde zum Bestseller, eine Oscar-prämierte Dokumentation verfilmte den Stoff, selbst die Komikertruppe Monty Python griff die Reise in einem Sketch auf. Doch in der Fachwelt dominierten die Zweifel, nicht zuletzt wegen der pompösen Behauptungen und der im Vergleich dünnen Indizien.

Heute weiß man, dass Heyerdahl zumindest in Teilen recht hatte. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020, für die Genome hunderter Menschen analysiert wurden, finden sich im Erbgut von Polynesier:innen tatsächlich Spuren südamerikanischer Siedler:innen. Allerdings landeten sie dort vermutlich erst vor etwa 800 Jahren und mischten sich unter die Bevölkerung, ohne einen Zivilisationsschub auszulösen, wie er Heyerdahl vorschwebte. Die Besiedlung gab es also wirklich – die hellhäutigen Kulturbringer eher nicht.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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