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Feinstaub entsteht unter anderem im Verkehr durch Verbrennungsmotoren, aber auch durch Reifenabrieb.

© dpa/Marijan Murat

Studie untermauert These: Schon geringe Feinstaub-Werte steigern offenbar Demenzrisiko

Feinstaub steht schon länger im Verdacht, das Risiko für Demenz zu erhöhen. Einer neuen Untersuchung zufolge sind bereits geringe Konzentrationen riskant.

Von Walter Willems, dpa

Feinstaub steht schon länger im Verdacht, das Risiko für Demenzerkrankungen zu erhöhen. Eine im „British Medical Journal“ („BMJ“) veröffentlichte Analyse von 16 Studien bestätigt diesen Zusammenhang: Demnach steigern auch Partikel-Konzentrationen deutlich unterhalb der in der EU geltenden Grenzwerte die Erkrankungsgefahr. Die Studie unterstreiche die Dringlichkeit, die Luftbelastung auch durch politische Maßnahmen weltweit zu senken, heißt es in einem Kommentar in der Fachzeitschrift.

Weltweit lebten mehr als 57 Millionen Menschen mit einer Demenz, und die Zahl steige an, schreibt das Team um Marc Weisskopf von der Harvard University in Boston. Heilen lässt sich die neurodegenerative Krankheit, zu der auch das Alzheimer-Syndrom zählt, nicht. Schon seit langem steht der Verdacht im Raum, dass Luftverschmutzung das Erkrankungsrisiko erhöht – insbesondere die Belastung mit kleinen Feinstaub-Partikeln mit einem Durchmesser bis 2,5 Mikrometer (Tausendstel Millimeter; PM2,5).

Um diesen Zusammenhang zu prüfen, wertete das Team 16 überwiegend aus Nordamerika und Europa stammende Studien aus. Neun davon hatten eine modernere Methodik, bei der nicht nur Informationen aus Datensätzen abgeglichen, sondern die Teilnehmer aktiv untersucht wurden. 14 Studien konzentrierten sich auf Feinstaub-Partikel der Größe PM2,5, mehrere unter anderem auch auf verschiedene Stickoxide und Ozon (O3).

Feinstaub entsteht unter anderem durch Verbrennungsmotoren

Die ausgewerteten Studien fanden mit steigender Feinstaubbelastung ein höheres Erkrankungsrisiko. Gemittelt stieg diese Gefährdung bei einer Zunahme der durchschnittlichen jährlichen PM2,5-Konzentration um zwei Mikrogramm pro Kubikmeter um vier Prozent. Bei jenen Studien, in denen die Teilnehmer aktiv untersucht wurden, stieg das Risiko pro zwei Mikrogramm je Kubikmeter sogar im Mittel um 42 Prozent. Einen Zusammenhang zum Demenzrisiko fand die Untersuchung – auf kleinerer Datenbasis – auch für Stickoxide, nicht jedoch für höhere Ozonwerte.

Die Autoren räumen ein, dass ihre Studie nicht beweisen könne, dass Feinstaub tatsächlich zu Demenz beitrage. Sie betonen jedoch, dass die Resultate den Verdacht stärken, dass Feinstaub schon unterhalb gängiger Grenzwerte bedenklich sei. Der PM2,5-Grenzert liegt in den USA bei einem jährlichen Mittel von zwölf Mikrogramm pro Kubikmeter, in Großbritannien bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter und in der EU bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Feinstaub entsteht unter anderem im Verkehr durch Verbrennungsmotoren, aber auch durch Reifenabrieb. Weitere Quellen sind etwa Industrie, Kraftwerke und Holzöfen. Zwar sei der ermittelte Effekt der Luftverschmutzung auf das Demenzrisiko geringer als etwa der durch Rauchen – denn auch Zigarettenrauch enthält Feinstaub. Angesichts der schieren Zahl der Menschen, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, seien die Folgen auf Bevölkerungsebene aber substanziell, schreibt die Gruppe.

Mehrere biologische Zusammenhänge könnten den Effekt von Feinstaub auf Demenzerkrankungen erklären, heißt es weiter. So schädige Feinstaub bekanntermaßen das Herz-Kreislauf-System, und Herz-Kreislauf-Probleme gelten als Risikofaktoren für eine Demenz.

Zudem könne Feinstaub die Blut-Hirn-Barriere schädigen und Entzündungsreaktionen im Gehirn begünstigen, bis hin zum Absterben von Nervenzellen. Allerdings sei der Nachweis schwierig, dass solche Mechanismen beim Menschen an Demenz beteiligt seien, betont das Team.

In einem „BMJ“-Kommentar verweisen Andrew Sommerlad und Kathy Liu vom University College London auf die drastischen Unterschiede in der Feinstaubbelastung verschiedener Städte: So liege der Jahresmittelwert für PM2,5 in Toronto unter zehn Mikrogramm pro Kubikmeter, in manchen Städten wie etwa Delhi seien es mehr als 100 Mikrogramm. Gerade aus jenen Regionen in Afrika und Asien, wo die Feinstaubbelastung besonders hoch ist, gebe es kaum Studien.

„Luftverschmutzung geht auch mit anderen Gesundheitsfolgen und mit Sterblichkeit einher“, schreiben Sommerlad und Liu. Sie verweisen auf eine Schätzung, der zufolge jährlich mehr als 6,5 Millionen Todesfälle auf schlechte Luft zurückgehen. Etwa 40 Prozent aller Staaten hätten keinerlei Regulierungen zur Luftqualität, bemängeln die Mediziner und verweisen auf das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Feinstaubkonzentrationen unter fünf Mikrogramm pro Kubikmeter anzuvisieren.

„Jegliche positive Auswirkung auf Demenz und die generelle Gesundheit würde begleitet von einem wichtigen Effekt auf den Klimawandel und die Artenvielfalt“, heißt es im Kommentar weiter. In Deutschland sind Schätzungen zufolge mehr als 1,4 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen.

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