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26.09.2023, Berlin: Bana Mahmood (l-r), Veza Clute-Simon und Achim Lindemann von der «Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen» äußern sich bei einer Pressekonferenz vor dem Roten Rathaus über die nächsten Schritte der Initiative zur geplanten Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne. Bei dem Volksentscheid am 26. September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Bernd von Jutrczenka

100.000 Euro Spenden nötig: „DW enteignen“ will in einem Jahr eigenes Enteignungsgesetz für Berlin anfertigen

Die Enteignungsinitiative strebt damit einen zweiten Volksentscheid an. Dieser soll für die Berliner Landesregierung rechtlich bindend sein. Die FDP reagiert mit einer ungewöhnlichen Idee.

Die Enteignungsinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ startet eine Spendensammlung, um ein eigenes Enteignungsgesetz zu schreiben. Dafür benötigen die Aktivisten 100.000 Euro, wie sie am Dienstag bei einer Pressekonferenz vor dem Roten Rathaus in Berlin erklärten. Das Gesetz soll dann möglichst innerhalb eines Jahres fertig werden. Die Initiative will es dann bei einem erneuten Volksentscheid zur Abstimmung stellen. Damit will die Initiative die „Angebotsmieten sofort senken“, versprach eine Sprecherin.

Sie warf der Berliner Landespolitik vor, den bereits erfolgreichen Volksentscheid vom 26. September 2021 zu „ignorieren und zu verschleppen“. Das vom Senat angedachte Enteignungsrahmengesetz bezeichnete die Initiative als „absichtlich wirkungsloses Gesetz“. Der schwarz-rote Senat will darin rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für Enteignungen in verschiedenen Bereichen festsetzen und dieses Regelwerk selbst dem Verfassungsgericht vorlegen. Ob dieses Vorgehen juristisch sinnvoll ist, ist unter Juristen höchst umstritten.

„Die Zeit des Appellierens ist vorbei“

Die Initiative befürchtet eine Verzögerungstaktik der politisch Verantwortlichen. „Die Zeit des Appellierens und Reagierens ist vorbei – wir wollen nicht mehr warten!“, rief die Sprecherin. „Wir werden jetzt ein echtes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten.“ Anders als beim ersten Volksentscheid – ein sogenannter Beschlussvolksentscheid – sei ein vom Volk beschlossenes Gesetz für die Politik rechtlich bindend.

Durch die juristische Debatte um den Vergesellschaftungsparagrafen, Artikel 15 im Grundgesetz, und die Vorarbeit der Expertenkommission des Senats sehe man sich nun dazu in der Lage, ein eigenes Gesetz zu erarbeiten. Dies sei beim ersten Volksentscheid noch nicht möglich gewesen. „2021 war die Debatte um Artikel 15 noch in den Kinderschuhen. Das ist heute anders“, sagte die Sprecherin.

Die Zeit des Appellierens und Reagierens ist vorbei – wir wollen nicht mehr warten.

Eine Sprecherin von „DW enteignen“

Auf die baldige Aussicht eines Gesetzesentwurfs blickte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Dienstag gelassen: „Wenn es jetzt einen Gesetzentwurf gibt, dann freue ich mich geradezu, weil ich mir sicher bin, dass Gerichte dann dazu Stellung nehmen werden. Dann haben wir Klarheit in der Sache und das wäre vielleicht gar nicht so schlecht“. Worauf es wirklich ankomme, sei der bestmögliche Schutz für Mieterinnen und Mieter vor steigenden Mieten, so Wegner weiter, und mehr Wohnungsneubau. Vergesellschaftung hingegen schaffe „keine einzige neue Wohnung“.

Der zeitliche Ablaufplan ist noch sehr unsicher: In einem Jahr will die Initiative ein eigenes Gesetz erarbeitet haben. Dieses muss dann in einem ersten Schritt als Volksbegehren beantragt werden, dafür braucht es 20.000 Unterschriften. Nach diesem Schritt prüft die Innenverwaltung das Gesetz auf Verfassungskonformität und kann das Vorhaben an das Landesverfassungsgericht überweisen. So ist es zum Beispiel mit dem Volksbegehren „Berlin autofrei“ geschehen. Das Gericht prüft dieses seit mehr als einem Jahr. Nur wenn ein mögliches Enteignungsgesetz diese Prüfung übersteht, kommt es zu einem Volksbegehren. In einer Frist von vier Monaten müssen dann sieben Prozent der Bürger unterzeichnen. Erst dann käme es zu einem erneuten Volksentscheid.

FDP fordert eigenen Gesetzesentwurf von CDU und SPD als Reaktion

Die Berliner FDP fordert CDU und SPD auf, als Gegenreaktion auf den erneuten Enteignungsversuch, ein eigenes Gesetz für die Bebauung des Tempelhofer Feldes vorzustellen. „Schwarz-Rot muss im Abgeordnetenhaus einen eigenen Gesetzentwurf als Gegenposition zum Enteignungsgesetz der Initiative auf den Weg bringen. Die klare Gegenposition ist ein Gesetzentwurf für Wohnungsbau am Rand des Tempelhofer Feldes“, sagte Christoph Meyer, Landesvorsitzender der Liberalen, dem Tagesspiegel.

„Schwarz-Rot muss endlich raus aus dieser lähmenden Behäbigkeit und endlich einen Gestaltungsanspruch für Berlin formulieren. Was will Kai Wegner? Enteignungen oder ein Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft über die ganze Stadt?“, fragte der FDP-Politiker. Hintergrund der Forderung ist, dass das Abgeordnetenhaus nach Paragraf 30 des Abstimmungsgesetzes einen eigenen Gesetzesentwurf als offizielle Gegenposition zum Entscheid einbringen kann. Über diesen könnte dann ebenfalls abgestimmt werden. Berliner Grüne und Linke begrüßten dagegen am Dienstag die neue Gesetzesinitiative der Aktivisten.

Bei dem ersten Volksentscheid am 26. September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Der damalige rot-grün-rote Senat hatte daraufhin eine Kommission aus Expertinnen und Experten eingesetzt. Deren Abschlussbericht kam zu dem Ergebnis, dass die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen grundsätzlich möglich sei.

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