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Psychiatrien sind in Berlin voll ausgelastet.

© picture alliance/dpa/Armin Weigel

„Es drohen unhaltbare Zustände“: Berliner Kliniken sind bei der psychiatrischen Versorgung am Limit

Die Stationen für Psychiatrie-Patienten sind voll, aber auch die Gebäude brauchen mitunter Hilfe. Und dann sucht der Senat noch jemanden für einen entscheidenden Posten.

Die Debatte um Berlins psychiatrische Versorgung erfasst den Senat – es geht um übervolle Stationen, eine von Schließung bedrohte Klinik und einen vakanten Spitzenposten. Psychiater berichteten dem Tagesspiegel, dass sich die Lage in den Krankenhäusern zuspitze: In der Stadt würden immer öfter Männer, zuweilen auch Frauen aufgegriffen, die dringend Hilfe bräuchten. Oft spielten Drogen eine Rolle.

Zudem fürchten Mediziner eine Misere im Südosten Berlins, wo dem Hedwigshöhe-Krankenhaus das Geld fehlt, um die mittelfristig von Schließung bedrohten Psychiatrie-Gebäude zu sanieren. Die Klinik sei der alleinige Psychiatrie-Versorger im fast 300.000 Einwohner starken Treptow-Köpenick, sagte der Linke-Gesundheitspolitiker Tobias Schulze: „Wenn die Psychiatrie dort möglicherweise in einem Jahr wegen Baufälligkeit schließen muss, drohen unhaltbare Zustände.“ In den betroffenen Häusern gebe es Mängel in Dächern, Fenstern und Leitungen.

Pflegekräfte und Ärzte werden wohl öfter ausfallen

Formal gibt es dem Krankenhausplan des Landes zufolge circa 3200 stationäre Plätze für psychiatrische Fälle in Berlin. Je nachdem, wie viele Pflegekräfte und Ärzte krankheitsbedingt ausfallen, sind meist viel weniger als 3000 Betten einsatzbereit. Und diese Betten sind fast ständig belegt: Sobald ein Patient entlassen wird, kommt ein neuer. Einst galt eine Quote von 85 Prozent Belegung als Grenze guter Versorgung, weil nur dann ausreichend flexibel auf Notfälle reagiert werden kann.

3200
stationäre Plätze für psychiatrische Fälle gibt es in Berlin – aber nur auf dem Papier.

Liegt nun aber in fast allen Psychiatrie-Betten stets ein Patient, der womöglich noch durch schwere Sucht, Gewalt oder Suizidabsichten auffällt, belastet das auf Dauer auch erfahrene Pflegekräfte und Ärzte – die Ausfallquote im Personal wird also vermutlich eher steigen, was die Lage noch schwerer macht.

Kommt die Sanierung noch in den Haushalt?

Auf 145 Millionen Euro taxiert der Hedwigshöhe-Träger, eine von den katholischen Alexianerbrüdern betriebene Gesellschaft, den gesamten Investitionsbedarf. Auf eine voll ausgestattete Psychiatrie hat die Klinik einen Anspruch, denn die Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet, in Bauten und Technik aller für die Versorgung nötigen Krankenhäuser zu investieren. Die Krankenkassen wiederum sind für Personal-, Energie- und Arzneimittelkosten zuständig.

Am Montag bestätigte Gesundheitssenatorin Ina Czyborra den Eingang eines entsprechenden Investitionsantrags der Alexianer. Die SPD-Politikerin verwies im Abgeordnetenhaus jedoch auf eine „noch ausstehende Wirtschaftlichkeitsprüfung“, zu der man weitere Unterlagen aus der Klinik brauche.

Wirtschaftlichkeitsprüfungen dauern oft Monate, monierte Oppositionspolitiker Schulze, es müsse aber darum gehen, die Sanierung noch in den bald zu beschließenden Doppelhaushalt aufzunehmen. Die schwarz-rote Koalition müsse ein Zeichen setzen, damit man in Treptow-Köpenick mit dem Planen beginnen könne. Kürzlich forderte auch CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff, der Senat möge verhindern, dass diese psychiatrische Klinik wegbreche.

Ebenfalls am Montag äußerte sich Senatorin Czyborra zum vakanten Posten der Psychiatrie-Beauftragten des Landes. Erst im Januar hatte Degano Kieser das Amt übernommen, sie leitete zugleich das Referat „Psychiatrie, Sucht und Gesundheitsvorsorge“ in der Senatsverwaltung. Überraschend trat Kieser im Juni zurück – aus privaten Gründen, wie es hieß. Die Ausschreibungsfrist für die Stelle endete an diesem Dienstag, teilte Czyborra mit. Noch ist nicht bekannt, ob es aussichtsreiche Bewerber gibt.

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