zum Hauptinhalt
Paul Mendelssohn-Bartholdy der Ältere im Jahr seiner Promovierung, 1863.

© Wikimedia

Farbfilm ab 1893: Mit der Berliner Agfa zum scharfen Bild

In Folge 31 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berliner Wirtschaftsgeschichte dreht es sich um die Erfindung des Farbfilms, der eng verbunden ist mit der „Aktien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation“, kurz Agfa.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Genie zu sein, ist ein Wunsch vieler Menschen. Doch manchmal reichen auch Talent, Durchhaltevermögen und die richtigen Partner. Paul Mendelssohn-Bartholdy, Nachfahre von Moses Mendelssohn und Sohn des weltberühmten Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, entschied sich zunächst gegen das Abitur, holte es jedoch später nach, um in Heidelberg Naturwissenschaften zu studieren.

Verpackung für AGFA Glasplatten von 1880 via Wikimedia in Fotoplatte agfa

© Wikimedia

Besonders die Chemie faszinierte ihn. Also begab er sich in die damals führende Stadt in diesem Fachgebiet: Berlin. Für Mendelssohn-Bartholdy war es ein Heimspiel – nach dem Tod seines berühmten Vaters und dem Verlust seiner Mutter nur wenige Jahre später, lebte der gebürtige Leipziger bei seinem Onkel in der Französischen Straße 35.

Im chemischen Labor von Professor August Hoffmann lernte er Carl Martius kennen, den Entdecker eines heute noch für Lederprodukte verwendeten Farbstoffs namens „Bismarckbraun“. Gemeinsam gründeten sie im März 1867 die Gesellschaft für Anilinfabrikate und errichteten eine Fabrik für chemische Erzeugnisse in der Rummelsburger Bucht. Hier wurde insbesondere Anilin produziert, ein Farbstoff hergestellt aus Benzol und Teerdestillationsprodukten.

Die beiden Gründer standen in Kontakt zu Max Jordan, dem Besitzer einer chemischen Fabrik am Treptower Wiesenufer (heute Lohmühlenstraße/Jordanstraße), die bereits 1850 gegründet worden war und seit 1863 der erste konzessionierte Hersteller von Anilin in Deutschland war.

Film-Zubehör von Agfa im 20. Jahrhundert.

© IMAGO/piemags

Am 21. Juli 1873 übernahmen sie die Jordan’sche Fabrik und meldeten die neue Firma als „Aktien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation“ an. Im Jahr 1897 wurde der Name zu „Agfa“ abgekürzt und fortan als Warenzeichen für fotografische Erzeugnisse benutzt.

Ein lukratives Geschäft

Im Jahr 1889 gründete die Firma, die seit 1898 ebenfalls „Agfa“ hieß, eine neue Foto-Abteilung, um dem Chemiker und Fotografie-Fan Dr. Momme Andresen, der der Treptower Gesellschaft seinen neu entwickelten Entwickler namens „Eikonogen“ anbot, mehr Ressourcen zu bieten. Andresen brachte im Jahr 1892 die Idee ein, Bromsilber-Gelatine Trockenplatten herzustellen, und Paul Mendelssohn-Bartholdys Firma stieg mit ein.

Vor dem Durchbruch der Digitalfotografie war Agfa eine sehr bekannte Marke – hier als Bandenwerbung im Fußballstadion 1988.

© imago/Kicker/Liedel Tita

Das Jahr 1893 gilt heute als die Geburtsstunde der Produktion von fotochemischen Erzeugnissen. Das Warenzeichen „Agfa“ wurde auch für die ab 1898 in Kreuzberg am Landwehrkanal hergestellten Agfa Röntgenplatten verwendet. Aufgrund von Platzmangel war es in Treptow nicht möglich, die Fabrik zu erweitern, weshalb die Firma neue Standorte im heutigen Bitterfeld-Wolfen aufbaute.

Bereits frühzeitig stellte sich in Berlin jedoch ein anderes Problem dar: Die unmittelbar an der Fabrik vorbeiführende Görlitzer Eisenbahn mit ihrem Staub und Ruß war eine Katastrophe für die Produktqualität. Die seit 1900 laufende Rollfilmherstellung musste nach fünf Jahren aufgegeben werden. Zwischen 1928 und 1932 wurde auch die Herstellung von Röntgenplatten in Treptow eingestellt.

Das Werk und das Hauptlabor verließen Berlin in Richtung Wolfen, wo im Jahr 1936 der heute legendäre Agfacolor Film vorgestellt wurde, der zuvor bereits in Berlin ausgearbeitet worden war. Heute ist es jedoch der „Rodinal“ – Momme Andresens Film-Entwickler, der seit 1891 verkauft wird – der, ähnlich wie der Name Mendelssohn, zu einer Weltmarke geworden ist. Es handelt sich dabei um das älteste noch hergestellte Produkt in der Geschichte der Fotografie und es findet sogar Erwähnung im Guinness Buch der Rekorde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false