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Das Kraftwerk Reuter West ist das größte Heizkraftwerk von Vattenfall.

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Poker um die Berliner Fernwärme : So will der Senat Investoren aus Australien und Kanada ausstechen

Der schwedische Versorger Vattenfall will die Heizkraftwerke und das Wärmenetz Berlins verkaufen – womöglich zu jedem Preis. Darauf spekuliert die lokale Politik.

Georg Friedrichs ist ein tüchtiger Interessenvertreter. Der Gasag-Chef hat ebenso wie die Gasag-Aufsichtsräte Manfred Schmitz (für Engie) und Marten Bunnemann (Eon) viele Termine in der Politik. Nach dem Regierungswechsel im vergangenen Frühjahr beraten die Energiemanager vorrangig CDU-Politiker, die an der Sinnhaftigkeit eines Milliardengeschäfts zweifeln: Das Land Berlin übernimmt die Mehrheit an der Gasag, und anschließend kauft die Gasag das Berliner Fernwärmegeschäft von Vattenfall. Und dann?

Bis zu zehn Milliarden Euro könnte die Dekarbonisierung der Fernwärme in den kommenden 20 Jahren kosten, schätzt ein CDU-Abgeordneter, der das Land Berlin heraushalten möchte. Friedrichs argumentiert anders: „Wir können auf dem Weg zur klimaneutralen Energie- und Wärmeversorgung besser Geschwindigkeit aufnehmen, wenn wir die vielen Puzzleteile in der Stadt zusammenfügen.“ Die Gasag, die bislang Eon, Engie und Vattenfall gehört, mit dem Land Berlin als Mehrheitsaktionär, dazu Eon und Engie als weitere Aktionäre und industriellen Partner für die Wärmewende – so soll die Zukunft aussehen.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD heißt es dazu: „Die Koalition verfolgt weiter die Pläne zum Erwerb der Fernwärme.“ Und: „Der Erwerb der Fernwärme und der Mehrheit an der Gasag sind sich wirtschaftlich und vertraglich gegenseitig bedingende Themen.“ Vattenfall sieht das anders.

Erst die Gasag übernehmen

Der schwedische Staatskonzern hat das Berliner Geschäft mit zehn zumeist fossil betriebenen Heizkraftwerken und dem 2000 Kilometer langen Fernwärmenetz vor anderthalb Jahren zum Verkauf gestellt, aber nicht den Anteil von 31,6 Prozent an der Gasag. Der Senat hat inzwischen der Vattenfall-Führung in Stockholm die Reihenfolge deutlich gemach: Das Land steigt bei der Gasag ein, anschließend wird über die Fernwärme verhandelt.

„Der Senat sollte mutiger sein und klare Kante zeigen gegenüber Vattenfall“, heißt es im Umfeld der Gasag. Damit ist auch der Kaufpreis gemeint. Ursprünglich, so ist zu hören, hätten die Berliner Politiker rund zwei Milliarden Euro anbieten wollen, inzwischen liege man erheblich darunter. Die Vorstellungen von Vattenfall gingen angeblich in Richtung drei Milliarden. Auch wegen eines vermeintlichen Investitionsstaus von 1,5 Milliarden dürfte der Kaufpreis maximal bei 1,5 Milliarden Euro liegen, heißt es in der Szene. Zumal es außer dem Land Berlin keine ernsthaften Bieter gebe.

Tatsächlich gibt es zwei weitere Interessenten: Das australische Investmenthaus Macquarie sowie der kanadische Pensionsfonds CPPIB. „Nur auf dem Papier etwas wert“, heißt es bei der Gasag abschätzig über die Angebote der Finanzinvestoren. Der neue Fernwärmeeigentümer wäre aufgrund der anstehenden Regulierungen, etwa die kommunale Wärmeplanung, von einer guten Zusammenarbeit mit dem Land Berlin abhängig. „Die Fernwärme steht vor einer gewaltigen Transformationsaufgabe, die für einen rein renditeorientierten Finanzinvestor nicht zu bewältigen ist“, hatte der frühere Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) gewarnt.

Vattenfall pokert auch

Vattenfall wiederum spielt nun eine andere Karte im Preispoker. Vor zehn Tagen informierte das Unternehmen die Belegschaft der Berliner Wärme AG über den Stand der Verkaufsverhandlungen. Der Prozess brauche mehr Zeit als ursprünglich gedacht, und im Übrigen gelte die Ansage aus dem Frühjahr 2022: Vattenfall prüfe einen Verkauf der Fernwärme, schließe aber auch den Verbleib im Konzern nicht aus. Die Botschaft an Finanzsenator Stefan Evers (CDU): Wenn das Land nicht genügend zahlt, verkaufen wir nicht.

Das gehört wohl zum Spiel dazu und ist begrenzt glaubwürdig, da Vattenfall unbedingt das Engagement auf dem deutschen Markt reduzieren möchte. Die ostdeutsche Braunkohle wurde ebenso verkauft wie die Hamburger Fernwärme und das Berliner Stromnetz, für das der Senat vor zweieinhalb Jahren 2,14 Milliarden Euro ausgab. So viel wird das Land für die Fernwärme nicht anbieten. Aber zusammen mit der Mehrheit an der Gasag dürften rund zwei Milliarden Euro fällig werden.

Aber dann könnte endlich die Wärmewende aus einem Guss entwickelt werden, findet Gasag-Chef Friedrichs. Er kennt die Beteiligten gut, denn bevor er im Frühjahr 2021 an die Gasag-Spitze berufen wurde, arbeitete der Energiemanager 20 Jahre für Vattenfall. An Friedrichs Seite befindet sich seit August letzten Jahres mit Stefan Hadré als Gasag-Finanzvorstand ein alter Bekannter: Hadré war zuvor kaufmännischer Vorstand bei Vattenfall Wärme. Er weiß, was die Fernwärme wert ist.

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