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Anahita Contemporary, Hashem Shakeri: Porträt von Dorna und Sevda, beide 12 Jahre alt, die am Wochenende durch die neugebaute Stadt Parand spazieren, 2016, aus der Serie Cast Out Of Heaven, 2016 – Ongoing © Hashem Shakeri

© Hashem Shakeri

Fotografien aus dem Iran: Aus dem Himmel verstoßen

Ästhetisch, authentisch, poetisch – vor allem aber politisch. Der Fotograf Hashem Shakeri hält die drastische Realität der iranischen Satellitenstädte fest.

Bereits kurz nach der Eröffnung der Vernissage „Cast out of Heaven“, die gesammelte Werke von Hashem Shakeri zeigt, bildet sich eine Menschentraube im Entree der Kant-Garagen; die Kuratorinnen Lilja-Ruben Vowe und Anahita Sadighi begrüßen dort die vielen Besucher:innen. „Schön, dass ihr alle seid“, sagt Sadighi. Das heute sei ein Herzensprojekt, fügt Vowe hinzu.

Es ist die erste Einzelausstellung des iranischen Fotografen Hashem Shakeri in Berlin. Im Rahmen des European Month of Photography werden Fotoserien gezeigt, an denen er seit über sieben Jahren kontinuierlich arbeitet. Der Künstler selbst kann zur Eröffnung in Berlin nicht dabei sein, „aus verschiedenen Gründen“, sagt Kuratorin Vowe.

Hashem Shakeri lebt in Teheran. Er ist Künstler, Fotograf und Filmemacher. Shakeri begann bereits als Jugendlicher, sich mit Fotografie auseinanderzusetzen und machte das Hobby irgendwann zum Beruf. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet und erhalten weltweit Aufmerksamkeit.

Verpflichtung zur Authentizität

Von den Fotos in den weißen Papierumrahmungen geht ein Sog aus; sie zeigen die Umbrüche in den Leben fremder Menschen. Oft sind weite Landschaften abgebildet, so weit, dass man glauben könnte, das Bild sei eigentlich nicht an seinem Rand zu Ende, über den Rahmen hinweg gehe es weiter.

Der Hintergrund, getaucht in gleißend helles Licht, ist wahlweise bestückt mit Bauabfällen, Hochhäusern oder einem Strand. Im Vordergrund sind mal ein Zelt, mal ein Mann aus der Provinz Sistan oder belutschische Mädchen zu sehen. Die durchdringenden Blicke der Mädchen, das gerade abgebaute und halb in der Luft schwebende Zelt, die just in dem Moment des Schnappschusses laufende Ziegenherde sind nicht bloß stumme Statisten – sie sind aktive Akteure in lebhaften Momenten. Und sie erzählen alle eine Geschichte.

„Das Herzstück meiner Arbeit ist die Verpflichtung zur Authentizität. Ich bemühe mich, das Wesentliche meiner Motive einzufangen, sei es eine flüchtige Emotion, eine Atmosphäre oder die Details einer natürlichen Form“, sagt der Künstler selbst über seine Arbeit. Hashem Shakeri gehe es nicht nur um Ästhetik, seine Fotografie sei auch Storytelling, sagt Kuratorin Vow und zeigt auf ein Schwarzweiß-Foto einer Frau, die sich am Stiel eines Wischmobs festhält und gedankenverloren zur Seite blickt.

Der Name der Frau ist Helma, sie ist eine Freundin von Shakeri. Die Iranerin wanderte vor sieben Jahren nach Dänemark aus, lebt dort im Exil und dem stetigen Gefühl der Entfremdung. Weder im neuen Land noch in der Heimat fühlt sie sich angekommen. Ihre Geschichte ist eine von vielen, die in Shakeris Serie „Stranger to ourselves“ seit 2018 die psychologischen Nachwehen von Migration und Flucht offenbaren.

Zunehmende Entfremdung

In der Ausstellung „Cast out of Heaven“ werden gleich mehrere Serien gezeigt. Die gleichnamige zur Schau lenkt den Blick auf die Folgen systemimmanenter Probleme, die sich auf das persönliche Leben der Iraner:innen auswirken. Es geht um Menschen, die sich ein Leben in Teheran nicht mehr leisten können und in sogenannten Satellitenstädten eine zunehmende Selbstentfremdung erleben.

In der Serie „An Elegy for the Death of Hamun“ lenkt Shakeri den Blick auf die marginalisierte Bevölkerungsgruppe der Belutsch:innen. „Belutschistan und Sistan ist eine Region im Iran, die im Westen so gut wie gar nicht besprochen wird. Umso wichtiger ist es diese Gruppe zu zeigen, die extrem unter dem Klimawandel zu leiden hat und Verdrängung spürt.“

„Diese Arbeit bewegt sich jenseits von Stereotypen, die in den Medien und an Ausstellungsorten kursieren“, sagt Galeristin Anahita. „Cast out of Heaven“ – aus dem Himmel verstoßen – zeigt den Iran, meint aber globale Probleme. Es sind persönliche Geschichten, die universell verstanden werden müssen

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