zum Hauptinhalt
Am 27. Januar protestierten am RBB-Fernsehzentrum in Berlin mehrere Hundert Beschäftigte gegen die Haltung des Senders bei den aktuellen Tarifverhandlungen.

© Kurt Sagatz

Update

Warnstreik beim RBB: Nur improvisierte „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“

Musikkonserven und Notausgaben. Der Warnstreik beeinträchtigte große Teile des Radio- und Fernsehprogramms. Am Abend tagte der Rundfunkrat zu den Prüfberichten der Kanzlei Lutz/Abel.

| Update:

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg musste am Freitag auf Notbetrieb umschalten. Nachdem am Donnerstag die Tarifverhandlungen zwischen dem Regionalsender und den Arbeitnehmervertretern gescheitert waren, hatten die Gewerkschaften verdi und DJV für Freitag zu ganztägigen Warnstreiks aufgerufen.

Die rund 3000 festen und freien Mitarbeiter des RBB wurden dazu aufgefordert, an allen Standorten, in sämtlichen Landesstudios und im Homeoffice zwischen 4.30 Uhr morgens und 22.30 abends die Arbeit niederzulegen.

Der aktuelle Nachrichtensender RBB24 Inforadio übernahm am Freitagvormittag großflächig das Programm des ARD-Schwestersenders NDR. Nur die Nachrichten zur vollen Stunde kamen vom RBB selbst. „Auch wir sind betroffen und nicht so aktuell wie sonst gewohnt. Wir schalten darum wieder zu NDR Info um“, wurden die Hörer nach der Nachrichtensendung informiert.

Die Morgensendung von RBB Inforadio war bereits mit deutlich weniger eigenen Produktionen als sonst in den Tag gestartet. Das Online-Newsangebot RBB24 aktuell berichtete ebenfalls in geringerem Umfang als gewohnt. Die Welle RBB Kultur musste ein Ersatzprogramm ausstrahlen. Auch bei Radioeins kam es zu Einschränkungen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Ausstand wirkte sich auch auf das Fernsehprogramm des RBB aus. Die RBB24-Ausgaben um 13, 16 und 18 Uhr fielen aus, der Talk „Live aus Studio 3“ wurde mit einem Best-of aus der Konserve gesendet. Die Zuschauer wurden durch Laufbänder über den Streik informiert.

Bis zuletzt stand nicht fest, ob „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ stattfinden würden. Die Nadelöhre waren Schaltraum und Regie, die beide bestreikt wurden. Um 19 Uhr 30 starteten „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ denn nicht wie gewohnt als eigene Sendungen, sondern als gemeinsames Notprogramm. Moderator Sascha Hingst musste das reguläre Studio gegen die kleinere Variante tauschen, das mit wenigen Mitarbeitern gesteuert werden kann.

Hingst betonte, dass sich die Mitarbeiter der Magazine „ausdrücklich mit den Streikenden solidarisieren“. Man habe sich aber dennoch dazu entschieden zu senden, um den ohnehin gebeutelten Zuschauern nicht zuzumuten, ganz auf die Sendungen – immerhin die meistgesehenen des RBB – zu verzichten.

Der RBB ist nicht nur für seine acht Radio-Wellen und das Fernsehprogramm für Berlin und Brandenburg zuständig. Das ARD-„Mittagsmagazin“ wird sonst ebenfalls von Berlin aus produziert. An diesem Freitag fiel die Magazinsendung wegen des Streiks aus, statt dessen ging um 13 Uhr Tagesschau 24 auf Sendung. Im ZDF sendete eine verlängerte Ausgabe der „Drehscheibe“.

Parallel zu der um 13 Uhr startenden Sendung hatten die Gewerkschaften zu einer Streikkundgebung vor dem Fernsehzentrum am Theodor-Heuss-Platz in Berlin aufgerufen. An der Veranstaltung nahmen nach mehrere Hundert Mitarbeitende teil.

In den Reden wurde deutlich, dass die Verärgerung der Beschäftigten weit über die aktuellen Tarifverhandlungen hinausgeht. Am 22. Februar soll bekannt gegeben werden, an welchen Stellen der Fehlbetrag von 40 Millionen Euro im Haushalt des RBB eingespart werden kann. Von Mitarbeiterseite wird befürchtet, dass die Einsparungen vor allem zu Lasten des Programms und der Beschäftigten gehen könnten.

Weitere Streiks wurden nicht ausgeschlossen. Besonders problematisch wäre dies besonders am 12. Februar bei den Neuwahlen in Berlin. Der RBB soll an dem Tag die Berichterstattung für die ARD übernehmen.

Gewerkschaften weisen „unterirdisches Angebot“ zurück

Die Gewerkschaften begründeten den eintägigen Ausstand damit, dass der Sender das Angebot von Mitte Dezember nicht nachgebessert habe. Bei den Verhandlungen am Donnerstag hatte der Sender zudem überraschend erklärt, dass er derzeit kein Verhandlungsmandat habe. Interims-Intendantin Katrin Vernau habe sich noch keinen vollständigen Überblick über die Situation des Senders machen können, hieß es zur Begründung.

Vernau hat die Leitung des Senders nach der Affäre um Vetternwirtschaft und Missmanagement unter Ex-Intendantin Patricia Schlesinger und Ex-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf übernommen und wird die ARD-Anstalt bis zur Wahl eines Nachfolgers in diesem Jahr führen.

Auf RBB24 bedauerte Vernau die Programmausfälle. Sie habe aber zugleich Verständnis für die Forderungen der Gewerkschaften nach einem angemessenen Inflationsausgleich. Die finanziellen Spielräume des RBB seien aber begrenzt. Man arbeite an einer Lösung.

Im aktuellen Tarifstreit geht es unter anderem um die Gehälter und Honorare der Beschäftigten. Der Sender hat ein Angebot mit einem monatlichen Plus von 1,9 Prozent und einer Einmalzahlung von 2000 Euro je Mitarbeiter bei 24 Monaten Laufzeit angeboten. Die Gewerkschaften haben es als „unterirdisch“ und „nicht diskutabel“ zurückgewiesen.

Die Forderungen der Arbeitnehmerseite sehen einen monatlichen Festbetrag von 550 Euro oder als Inflationsausgleich wie in anderen ARD-Sendern eine Einmalzahlung von 3000 Euro vor.

Ein weiterer, seit langem schwelender Streitpunkt ist der Bestandsschutz langjähriger freier Mitarbeiter. Ein für Montag anberaumtes Gespräch dazu wurde vom Sender abgesagt.

Sondersitzung Rundfunkrat

Am späten Nachmittag tagte der Rundfunkrat des Senders zu den Anwaltskosten, die zur Aufarbeitung des Filzskandals für den Sender angefallen sind. Im Zentrum stand dabei die Kanzlei Lutz/Abel, die im Auftrag der Compliance-Beauftragten und des Verwaltungsrates die Affären rund um die entlassene Intendantin Patricia Schlesinger aufarbeitet.

Für Ärger im Gremium sorgte, dass noch immer kein Abschlussbericht vorliegt und dafür auch kein genaues Datum genannt wurde. Von der Verwaltungsratsspitze des Senders hieß es am Freitag in der Sitzung, dass die Kanzlei in einem Gespräch - jedoch unter Vorbehalt - Ende April genannt habe. Die Höhe der Anwaltskosten für diese Kanzlei belief sich im vergangenen Jahr nach jüngsten Angaben der Senderchefin Katrin Vernau auf knapp unter eine Million Euro. Insgesamt seien seit Aufkommen des Skandals Anwaltskosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro bis Jahresende 2022 angefallen, die sich auf mehrere Kanzleien verteilen. Im Gremium wurde diskutiert, ob der Prüfauftrag zeitlich begrenzt und die Kosten dafür gedeckelt werden sollten. Der Rundfunkrat will jetzt am 28. Februar in einer außerordentlichen Sitzung einen Fortschrittsbericht der Kanzlei Lutz/Abel, die am Abschlussbericht arbeitet, hören, wie in der Sitzung am Freitag deutlich wurde. Ende Februar endet auch die Amtszeit des jetzigen Rundfunkrates, weswegen auch das Ziel verfolgt wird, dem neu zusammengesetzten Gremium nicht das Thema aufzuhalsen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false