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Einer der Angeklagten im Gerichtssaal des Kriminalgerichts Moabit.

© dpa / Christian Ender

„Das enttäuschende Ende“: Berlins Generalstaatsanwältin irritiert mit Grußbotschaft

Zum Urteil im Neukölln-Komplex hat sich Generalstaatsanwältin Margarete Koppers in einem Schreiben geäußert. Richterschaft und Anwälten geht das zu weit.

Es sind nur ein paar Worte in einem dreiseitigen Gruß zum Jahresende, doch in der Justiz sorgen sie für einiges Aufsehen. In ihrem Schreiben zieht Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers Bilanz – und äußert sich auch zum Neukölln-Komplex, der mutmaßlich rechtsextremen Anschlagsserie.

Im Dezember war mit Tilo P. einer der beiden Hauptverdächtigen für zwei Brandanschläge aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Koppers nennt es in ihrem Weihnachtsgruß „das enttäuschende Ende dieser Verhandlung“. Am Einsatz der Staatsanwälte sei es nicht gescheitert.

In Teilen der Justiz stößt dabei auf, dass Koppers damit die Entscheidung des Gerichts scheinbar in Zweifel zieht und dabei unterschlägt, dass die Staatsanwaltschaft zu wenige Beweise vorlegen konnte. „Die Äußerung ist respektlos gegenüber dem unabhängigen Gericht“, sagte Mirko Röder, Verteidiger von Tilo P. „Derlei ist frei von jeglicher Selbstreflexion und jeglicher Selbstkritik.“

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Hingewiesen wird in der Richterschaft auch darauf, wie die Staatsanwaltschaft selbst bei der Wahl ihrer Mittel agierte. Dabei geht es um den vorgezeichneten Weg durch die Instanzen, der sich nun hinziehen dürfte.

Nach der Anklage hat ein erweitertes Schöffengericht am Amtsgericht den Fall verhandelt. Damit ist für die jetzt von allen Seiten zu erwartende Berufung am Landgericht keine einfache Berufungskammer, sondern eine der großen Strafkammer zuständig. Doch die sind wegen zahlreicher Verfahren zum Verbrechermessenger Encrochat, mit dem Banden Drogen- und Waffenhandel abgewickelt haben, völlig überlastet. Und genau das müsste der Staatsanwaltschaft bewusst gewesen sein.

Zudem ist der Neukölln-Komplex keine sogenannte Haftsache, bei der die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen und der Fall daher beschleunigt behandelt werden müsste. Jedenfalls dürfte es einige Zeit dauern, bis der Fall am Landgericht neu verhandelt wird.

Dann erwartet Mirko Röder, der Verteidiger von Tilo P., eine weitaus umfangreichere Verhandlung. „Aber vor 2024 rechne ich nicht damit“, sagte er. Die Anklage vor dem Amtsgericht führt auch dazu, dass die Revision maximal vor dem Kammergericht landet – und kein Fall für den Bundesgerichtshof (BGH) wird.

Generalstaatsanwältin Margarete Koppers.
Generalstaatsanwältin Margarete Koppers.

© Generalstaatsanwaltschaft Berlin/Mona Lorenz

Auf Anfrage wollte sich der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft nicht zu der Neukölln-Passage aus der Grußbotschaft äußern. Koppers Vize, der stellvertretende Leiter der Generalstaatsanwaltschaft, Dirk Feuerberg, hatte sich zuvor vorsichtiger zum Urteil geäußert als seine Chefin. Feuerberg untersteht die Terrorismus- und Staatsschutzabteilung, dort wurde die Anklage gegen die beiden Neonazis P. und Sebastian T. wegen der Brandanschläge geschrieben.

Neonazis zu Geldstrafe verurteilt

„Wir nehmen mit Respekt zur Kenntnis, dass das Gericht anders entschieden hat“, hatte Feuerberg der „Welt“ in einem Interview gesagt. Es sei aber ein Erfolg, „dass nach einem langen und wechselhaften Weg ein Gericht mit der Sache befasst war, auch wenn wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht hätten“.

Der Prozess am Amtsgericht wird gegen den zweiten Hauptverdächtigen Sebastian T. noch fortgesetzt, auch bei diesem Neonazi erscheint eine Verurteilung wegen der Brandanschläge eher unwahrscheinlich. Das Gericht hatte den früheren AfD-Politiker P. wegen rechtsextremer Schmierereien zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt, bei T. geht es im Prozess noch um Subventionsbetrug mit Corona-Hilfen.

Die Staatsanwaltschaft hatte es nicht geschafft, das Gericht von der Schuld von P. und T. für zwei Brandanschläge zu überzeugen. In der Nacht zum 1. Februar 2018 waren die Autos des Linke-Abgeordneten Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann in Flammen aufgegangen. Die Ermittler sind sich sicher, dass die Neonazis die Opfer einschüchtern wollten, weil diese sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Darum ging es auch bei anderen Engagierten, die Opfer einer Serie von insgesamt mindestens 72 rechtsextremen Straftaten in Neukölln wurden.

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