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Unterstützer der Klimaaktivisten von Letzte Generation demonstrieren in Berlin gegen die Einstufung als kriminelle Vereinigung durch die Behörden.

© dpa/Sven Käuler

Update

Schwarz-Rot verschärft Berliner Polizeigesetz: Präventivgewahrsam soll verlängert werden – aber nicht für Klimaaktivisten

Die Berliner Regierungsfraktionen von CDU und SPD haben sich auf einen ersten Entwurf für die Änderung des Sicherheitsgesetzes verständigt.

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CDU und SPD in Berlin wollen den Unterbindungsgewahrsam von Klima-Aktivisten anders als angekündigt doch nicht verlängern. Darauf haben sich die Koalitionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus in einem ersten Entwurf für die Überarbeitung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) und weiterer Rechtsvorschriften geeinigt. Der entsprechende Entwurf für die Novelle liegt dem Tagesspiegel vor.

Der Unterbindungsgewahrsam soll demnach bei schweren Straftaten verlängert werden, nicht aber bei Ordnungswidrigkeiten oder einfachen Straftaten mit Folgen für die Allgemeinheit wie etwa Straßenblockaden.

Der Präventivgewahrsam soll „im Fall einer bevorstehenden terroristischen Straftat“ auf bis zu sieben Tage ausgeweitet werden können. Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person „Straftaten gegen Leib oder Leben“, gegen die persönliche Freiheit oder Sexualstraftaten begehen könnte, soll der Gewahrsam auf maximal fünf Tage verlängert werden können. Für alle Fälle ist ein Richterbeschluss nötig. „Im Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer liegt Berlin mit dieser gesetzlich festgelegten Höchstdauer des Gewahrsams weiterhin am unteren Ende der Skala“, heißt es in der Begründung der Novelle. In anderen Ländern gilt teils eine Dauer von vier bis zu 14 Tagen. In Bayern sind es sogar bis zu 30 Tagen.

Klimaaktivisten drohen in Berlin bei Straßenblockaden und Wiederholungsgefahr 48 Stunden Gewahrsam – also maximal bis zum Ende des Folgetages nach der Festnahme. Dies soll offenbar auch in Zukunft so bleiben. Dabei hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung für eine Verlängerung „auch für Klima-Kleber“ plädiert. Auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte dies zuvor gefordert.

Bislang ordnen Richter in Berlin nur in wenigen Fällen für Klimaaktivisten einen Unterbindungsgewahrsam von zwei Tagen an. Dem Vernehmen nach ist dies ein Grund, warum CDU und SPD doch keine Verlängerung in diesen Fällen vorsehen. Obendrein hatte sich die SPD per Parteitagsbeschluss darauf festgelegt, den Präventivgewalt nur bei möglichen Terror-Taten zu verlängern. Tatsächlich ist längerer Gewahrsam auch für Klimaaktivisten in anderen Bundesländern nach den dortigen Gesetzen durchaus möglich.

In Berlin bleibt es bei den 48 Stunden. Allerdings hat die Koalition das Gesetz so angepasst, dass sogenannte Klimakleber künftig leichter in den Gewahrsam genommen werden können.

In dem Entwurf für die Novelle wird konkretisiert, in welchen Fällen Gewahrsam bei einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat angeordnet werden kann. Die Annahme, dass eine Person „eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird“, kann sich demnach darauf stützen, dass die Person die Tat vorher angekündigt oder dazu aufgefordert hat oder dass bei der Person „Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände“ gefunden wurden.

Auch soll Gewahrsam möglich sein, wenn eine Person bereits vorher mehrfach aus vergleichbarem Anlass Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen hat „und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist“. Diese Formulierungen dürften vor allem auf Mitglieder etwa der Vereinigung „Letzte Generation“ gemünzt sein.

In den vorgesehenen Gesetzesänderungen wird auch der künftige Einsatz von Bodycams durch Einsatzkräfte sowie von Tasern geregelt. Der Einsatz von Bodycams wird entfristet und ausgeweitet. Bislang ist er gesetzlich nur bis zum 1. April 2025 vorgesehen. Polizisten und Einsatzkräfte der Feuerwehr sollen künftig Kameras nicht nur bei Einsätzen im öffentlichen Raum am Körper tragen können, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch in Privaträumen.

Die Polizei soll Bodycams mehr einsetzen können.

© Jens Büttner/dpa

Möglich soll es sein, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person erforderlich ist“. Hierbei geht es etwa um Fälle von häuslicher Gewalt. Auch Mitarbeiter der Ordnungsämter sollen Bodycams künftig tragen dürfen, allerdings nicht in Wohnungen.

Weitere Neuerung: Die Kameraaufnahme soll angewendet werden, wenn die Polizei „unmittelbaren Zwang gegen eine Person“ anwendet, aber auch, wenn die von einer polizeilichen Maßnahme betroffene Person dies selbst verlangt.

Polizei und Feuerwehr bekommen zudem sogenannte Dashcams für ihre Fahrzeuge. Die Kameras sollen das Geschehen bei Einsätzen filmen.

Taser, im offiziellen Jargon „Distanzelektroimpulsgeräte“ genannt, bekommen nun einen eigenen Status in der Hierarchie der dienstlichen Einsatzmittel. Sie sollen nur dann gebraucht werden dürfen, wenn der Gebrauch von Schuss- oder Hiebwaffen dadurch vermieden werden kann oder wenn dies eine mögliche Selbstschädigung wie bei Selbstmord verhindern kann. Bislang liefen Taser im Testlauf, ihr Einsatz soll ausgeweitet werden. Gegenüber einem Schlagstock sei der Elektroschocker bei Bedarf das „mildere Mittel“. Gegen Kinder, erkennbar schwangere Frauen oder Herzkranke dürfen die Geräte nicht eingesetzt werden.

Taser sollen im Gesetz klarer geregelt werden.

© dpa

Für Schichtbedienstete von Polizei, Feuerwehr und Justiz sind zudem Ausnahmegenehmigungen in Gebieten mit Anwohnerparken vorgesehen. Diese Parkscheine für Schichtbeamte sollen künftig nicht mehr von den Bezirken, sondern zentral vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) geregelt werden.

Auf Anfrage sagte Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel: „Mit den Neuregelungen werden nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Polizei verbessert, sondern es wird auch Rechtssicherheit geschaffen.“ Es gehe aber auch darum, Bürgerrechte zu stärken.

Der Innenexperte der CDU-Fraktion, Burkhard Dregger, wollte sich zu Details zunächst nicht äußern, sprach aber von einem „Meilenstein“ für mehr innere Sicherheit in Berlin.

Die Gesetzesnovelle soll bis Ende des Jahres verabschiedet werden, so der Wunsch der Fraktionen. Für 2024 sind weitere Gesetzesänderungen in dem Bereich geplant. So soll etwa die Durchsuchung von Personen in Waffenverbotszonen, ohne dass eine konkrete Gefahr besteht, ermöglicht werden. Auch soll Polizeibeamten der sogenannte „finale Rettungsschuss“ in Zwangslagen erlaubt werden.

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