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Sinn für Glamour. Designerin Anja Gockel (Mitte) residiert in Wilmersdorf und zeigt ihre Kollektion im Adlon.

© Daniel Dittus

Fashion Week Berlin: Mode vom Mond – Designerin Anja Gockel lädt ins Adlon

Die Designerin residiert in den früheren Räumen von Anna von Griesheim. Die geschichtsträchtigen Räume in der Pariser Straße bedeuten ihr viel.

An ihrer Berliner Klientel liebt Anja Gockel vor allem den Sinn fürs Authentische.  Die Designerin, die sich vor vier Jahren einen eigenen Standort in Berlin aufgebaut hat, glaubt, dass der oberflächliche Glamour, wie ihn zum Beispiel italienische Prestigemarken verkörpern, hier gar nicht so sehr verfängt.

Groß von Statur und breitschultrig verliert sie die politischen Aspekte ihrer Branche nie aus dem Blick. „Weltweit arbeiten 46 Millionen Sklaven in der Modeindustrie“, gibt sie zu bedenken. Da will sie auf keinen Fall mitmachen.

Sie schwärmt von den Näherinnen, die sie von Anna von Griesheim übernommen hat, in deren früheren Räumen sie residiert. Zwei Jahre hat sie mit der Designerin noch zusammengearbeitet, bevor diese sich endgültig zurückgezogen hat. Die Tatsache, dass sie deren Mitarbeiterinnen übernommen hat, war attraktiv für die Stammkundschaft.

Erinnerungen an Paris

Prominente Kundinnen hatte Anja Gockel freilich selbst schon lange vorher. Dazu zählen die Schauspielerin Christine Urspruch, die Moderatorin Bettina Cramer und Annabelle Mandeng, die sie schon in ihrer Hamburger Zeit kannte.

20
Länder ordern die Kollektionen von Anja Gockel

Fasziniert ist sie von der Geschichte der Räume, die sie in der Pariser Straße 44 übernommen und parallel zur Eventlocation weiterentwickelt hat. „Genau hier befand sich die letzte jüdische Druckerei, in der Flugblätter gegen die Nazis gedruckt wurden“, sagt sie.

Der Liebe wegen nach Mainz

Der Name des Ateliers „Paris44“ erinnert sie außerdem an die Befreiung von Paris im Jahr 1944. Mit Paris verbindet sie persönlich schöne Erinnerungen. Nach Lehr- und Wanderjahren in Hamburg und London unter anderem bei Vivien Westwood und am renommierten Central Saint Martins College fand sie nach der Gründung ihres eigenen Labels dort ihre ersten Kunden.

Anja Gockel
Anja Gockel

© Chris Gonz

Bald verkauften 100 Geschäfte in 20 Ländern ihre Kollektionen. Der Liebe wegen zog es die Mutter von vier Kindern dann nach Mainz. Inzwischen verbringt sie einen Teil des Jahres in der kleinen Dachwohnung über dem Atelier in der Pariser Straße.

Das Adlon lässt die Reichweite explodieren

Bei der Fashion Week war sie von Anfang an dabei. Als sie aber erfuhr, dass der Standort am Brandenburger Tor aufgegeben werden sollte, was sie für einen Fehler hielt, suchte sie sich ihre eigene Offsite-Location.

Die Show im Hotel Adlon sollte 2017 eigentlich ein einmaliges Event sein, ein Bonbon zum 20. Geburtstag. Das Konzept ging aber so gut auf, dass sie auch weiterhin dort in der Lobby ihre Mode zeigt, diesmal am 5. Februar.

Berliner sind Menschen mit einem inneren Reichtum, die in Deutschland produzierte, individuelle Kleidung zu schätzen wissen.

Anja Gockel

Der Reichweite ihrer Entwürfe hilft der kultige Ort massiv. Dadurch habe sie jeweils 200 Millionen Kontakte bekommen, schätzt sie. Und natürlich mögen auch die Kunden von auswärts das bekannte Hotel.

Sie weiß genau, wie wichtig ein besonderes Profil ist. In den vergangenen 20 Jahren sei ein Tsunami durch die Modebranche gefegt, sagt sie. Damit meint sie nicht nur die Sklaverei, sondern auch das stetig wachsende Internet-Geschäft mit billiger Kleidung.

Auch deshalb schätzt sie die Kunden, die sich bewusst für Kultur und Nachhaltigkeit entscheiden. „Berliner sind Menschen mit einem inneren Reichtum, die in Deutschland produzierte, individuelle Kleidung zu schätzen wissen.“

Sie ist stolz auf ihr junges Team. Drei Führungskräfte sind zwischen 50 und 55 Jahre alt, der Rest ist in den 20ern. „Ich höre gern auf die jungen Leute, die wissen, was auf der Straße los ist.“ Eine ihrer Mitarbeiterinnen habe sich sogar darauf spezialisiert. Von den Kindern im Alter zwischen 16 und 34 Jahren erfährt sie so manches aber auch am Esstisch.

Ihre neue Kollektion hat sie Gaia gewidmet, der Göttin der Erde und des Ursprungs. Damit kann sie sich gut identifizieren. Sie sieht sich selbst als fest verwurzelten, bodenständigen Menschen, sagt aber auch: „Die Gedanken dürfen auf dem Mond sein.“  

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