zum Hauptinhalt
„Basta! Gewalt ist nicht ‚normal‘“ steht auf einem Plakat bei einer Demo am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen in Berlin.

© IMAGO/CHRISTIAN MANG

Gewalt gegen Frauen bekämpfen: Berliner Senat will mehr Fokus auf Täter legen

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) lud am Mittwoch zu einer Konferenz. Anlass war der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Die Akteure fanden deutliche Worte.

Bevor es am Mittwoch in die inhaltliche Fachdiskussion geht, nennt die Anwältin und Autorin Christiana Clemm bedrückende Zahlen aus ihrem Buch „Gegen Frauenhass“: Hielte man für jede von ihrem Ex-Partner ermordete Frau in Deutschland pro Jahr eine Schweigeminute, schwiege man über zwei Stunden. Gedenke man aller Frauen, die einen Tötungsversuch überlebt hätten, wären es sechs Stunden.

Trotzdem werde zu oft nur von Einzelfällen gesprochen, statt von einem strukturellen Problem. Fälle, in denen etwa bekannte Männer, die Täter geworden seien, deutliche Konsequenzen gespürt hätten, die gebe es wiederum nur wenig. Die Täter: Immer wieder rücken sie bei der Konferenz zu „Innovativen Ansätzen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ in den Fokus.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat dazu am Mittwoch verschiedene Akteure aus den Behörden, den Hilfsorganisationen und der Forschung zum Austausch eingeladen. Anlass ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am kommenden Samstag. In Berlin sind die Zahlen der Betroffenen von Partnerschaftsgewalt nach Angaben der Verwaltung stark gestiegen – seit 2019 um 15 Prozent. Allein 2022 wurden 17.498 Personen Opfer von partnerschaftlicher und innerfamiliärer Gewalt, die überwiegende Anzahl von ihnen sind Frauen.

Für einen Beitrag ist auch eine weitere Rechtsanwältin eingeladen, die kürzlich ein Buch zum Thema veröffentlicht hat: Asha Hedayati. Sie sagt deutlich: „Es muss ein Ende der Verantwortungsverschiebung geben, die Täter müssen in den Fokus gestellt werden.“

Nur drei Beratungsstellen in Berlin

Der Blick auf und die Arbeit mit den Tätern – sie kommen in Berlin verhältnismäßig kurz, da sind sich viele der Konferenzteilnehmer einig. Berlin hat bislang nur drei Beratungsstellen in diesem Bereich. In Rheinland-Pfalz, das als Bundesland eine vergleichbare Einwohnerzahl hat, sind es neun.

Eine der drei Berliner Stellen für Täterarbeit ist das Projekt „Beratung für Männer – gegen Gewalt“ der Volkssolidarität Berlin. Sie bekommt ihre Klienten entweder über die Weisung eines Gerichts oder über eine Empfehlung vom Jugendamt, dem Strafvollzug oder auch über vermittelnde Anwälte. Bevor die eigentliche Arbeit beginne, müsse die betreffende Person in einem Telefongespräch eine erste Einsicht gezeigt haben, erzählt Isabel Schneider, Leiterin des Projekts, am Rande der Konferenz. Ohne diese gehe es nicht.

Es wird immer viel Hoffnung auf die Täterarbeit gesetzt, aber das steht in keinem Verhältnis zu den bereitgestellten Ressourcen für Personal und Ausstattung.

Isabel Schneider, Leiterin des Projekts „Beratung für Männer – gegen Gewalt“ der Volkssolidarität Berlin

Danach gibt es laut Schneider zeitnah eine erste Phase, in der in Vorgesprächen geklärt wird, was passiert ist, wie die familiäre Situation der Person ist, was sie sich von der Beratung erhofft. Im Idealfall folgt dann der wichtigste Schritt: Der Mann nimmt für sechs Monate an einem sozialen Trainingskurs teil. Darin setzen sich zehn Teilnehmer zusammen mit einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft mit der eigenen Gewalttat auseinander, sprechen über Folgen für die Betroffenen und erlernen alternative Handlungsmöglichkeiten.

80 Prozent der Teilnehmer schließen den Kurs nach Angaben von Schneider ab. Sie sagt: „Es wird immer viel Hoffnung auf die Täterarbeit gesetzt, aber das steht in keinem Verhältnis zu den bereitgestellten Ressourcen für Personal und Ausstattung.“ Es brauche flächendeckende Angebote in Berlin. Die drei Stellen in Mitte, Charlottenburg und Schöneberg reichten schlicht nicht aus.

So sieht es auch Innensenatorin Spranger: „Es ist zu wenig“, sagt sie mit Blick auf die Beratungsstellen. Die Politik müsse da „stark steuern“.

Immerhin: Damit bald noch mehr Leute erreicht werden, soll bald das Projekt der Servicestelle Wegweiser die proaktive Vermittlung von Täterangeboten aufnehmen. Die Idee: Menschen, denen eine Tat vorgeworfen wird, frühzeitig erreichen. So soll künftig in einem Pilotprojekt mit einer Berliner Polizeidirektion der mutmaßliche Täter Informationsmaterial über die Servicestelle erhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false