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Bundesumweltministerin Steffi Lemke traf am Samstag Einsatzkräfte an der Oder.

© REUTERS/Annegret Hilse

Update

Massives Fischsterben in der Oder: Bundesumweltministerin sorgt sich um Vertrauensverlust bei der Bevölkerung

Noch ist die Ursache des Fischsterbens unklar. Grünen-Politikerin Steffi Lemke dankt den Helfern an der Oder – und gesteht anfängliche Probleme ein.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) befürchtet einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung, sollten die Hintergründe des Fischsterbens an der Oder nicht geklärt werden. Sie habe bei dem Treffen mit ihrer polnischen Amtskollegin am Sonntag in Stettin gefordert, wirklich alles dafür zu tun aufzuklären, wer der Verursacher sei, sagte Lemke im ARD-„Morgenmagazin“ am Montag.

Alle Entscheidungsträger seien jetzt in der Verantwortung, diesen Verursacher zu identifizieren. „Es gäbe einen massiven Vertrauensverlust vor allem in der polnischen Bevölkerung, aber wahrscheinlich auch bei uns, wenn das nicht gelänge.“

Die Tatsache, dass Informationen über das Fischsterben aus Polen die deutsche Seite erst sehr spät erreicht hätten, erschwere jetzt das Identifizieren der Schadensursache, sagte Lemke. Die Grünen-Politikerin strebt nun eine bessere Koordinierung an.

Lemke berät mit polnischer Amtskollegin

„Die Frage der deutsch-polnischen Zusammenarbeit hat an dieser Stelle ganz offensichtlich nicht funktioniert (...), sonst hätten wir früher Informationen erhalten, zumindest das Land Brandenburg oder auch die Anrainerkommunen“, sagte Lemke bereits am Samstagabend in Frankfurt (Oder). Dort hatten Helfer viele tote Fische vom Ufer eingesammelt.

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„Tatsächlich wissen wir, dass diese Meldekette, die für solche Fälle vorgesehen ist, nicht funktioniert hat“, hatte ein Sprecher des Umweltministeriums zuvor gesagt. Brandenburg hatte ebenfalls offen kritisiert, es sei von polnischen Behörden nicht informiert worden.

Lemke sagte, mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa habe sie bereits am Freitag in einem ersten Gespräch dazu vereinbart, dass es eine gemeinsame Expertenbewertung der Situation und einen Austausch der Analyseergebnisse geben solle. Sie kündigte weitere Gespräche mit Moskwa an. „Und wir werden auf dem deutsch-polnischen Umweltrat übernächste Woche die Thematik mit Sicherheit vertiefen.“

Lemke zeigte sich bewegt davon, was die amtlichen und ehrenamtlichen Helfern geleistet hätten und dankte ihnen. „Auch den Anglern muss man danken, die hier offensichtlich sehr schnell aufmerksam gemacht haben, nachdem sie die ersten toten Fische bemerkt haben.“ Hier sei aufmerksam von Bürgern reagiert worden, auch ohne die Gründe für das Sterben zu kennen.

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Das immer noch bestehende Unwissen über das Ausmaß der Katastrophe, die Länge sowie die Folgen für die Nahrungskette und die Natur, „das treibt mich massiv um“, sagte Lemke. „Aber Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung werden über die Messungen und dann über entsprechende Warnungen von der deutschen Seite vorgenommen.“

Polens Regierung: Quecksilber nicht die Ursache für Fischsterben

Erhöhte Quecksilberwerte sind nach Angaben der polnischen Regierung nicht die Ursache für das Fischsterben in der Oder. Dies hätten die ersten toxikologischen Untersuchungsergebnisse von Proben toter Fische ergeben, schrieb Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Samstag auf Twitter. „Das staatliche Veterinärinstitut hat sieben Arten getestet. Es hat Quecksilber als Ursache für das Fischsterben ausgeschlossen.“ Man warte nun auf die Ergebnisse von Untersuchungen auf andere Schadstoffe.

Tote Fische im deutsch-polnischen Grenzflusses Oder im Nationalpark Unteres Odertal nördlich der Stadt Schwedt.
Tote Fische im deutsch-polnischen Grenzflusses Oder im Nationalpark Unteres Odertal nördlich der Stadt Schwedt.

© dpa/Patrick Pleul

Das Fischsterben in der Oder beunruhigt seit Tagen die Menschen, die in Polen und Deutschland an dem Fluss leben. Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben bereits Ende Juli erste Hinweise darauf bekommen, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben.

Die Ursache des Fischsterbens ist noch ungeklärt. Nach Angaben von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) weist die Oder „sehr stark erhöhte Salzfrachten“ auf. Der Begriff Salzfrachten bezeichnet im Wasser gelöste Salze. Polens Regierung vermutet, dass der Fluss mit Chemie-Abfällen vergiftet wurde. Da die Ursache für die Umweltkatastrophe in Polen vermutet wird, wurden in Deutschland bereits Vorwürfe laut, das Nachbarland habe nicht rechtzeitig informiert und die übliche Meldekette bei solchen Ereignissen nicht eingehalten.

Polen setzt Belohnung für Hinweise aus

Polen hat eine hohe Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung eines Täters führen. Die Polizei habe dafür eine Summe von umgerechnet 210.000 Euro ausgelobt, sagte Vize-Innenminister Maciej Wasik am Samstag in Gorzow Wielkopolski. „Wir wollen die Schuldigen finden und die Täter des Umweltverbrechens bestrafen, um das es hier wahrscheinlich geht“, betonte Regierungschef Mateusz Morawiecki.

Polens Regierung und Behörden stehen unter Druck, weil sie zu zögerlich auf das Fischsterben reagiert haben. Am Freitagabend hatte Morawiecki deshalb den Chef der Wasserbehörde und den Leiter der Umweltbehörde entlassen. Er schließe weitere personelle Konsequenzen nicht aus, sagte der Regierungschef nun. Morawiecki räumte ein, er habe erst am 10. August von dem massiven Fischsterben erfahren. „Ich wurde auf jeden Fall zu spät informiert.“

Ein Schild warnt vor dem Kontakt mit dem Wasser der Oder.
Ein Schild warnt vor dem Kontakt mit dem Wasser der Oder.

© dpa/Patrick Pleul

Der Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) forderte nach einem Treffen mit Regionalpolitikern die Regierung auf, in den vier Wojewodschaften an der Oder den Ausnahmezustand wegen einer Naturkatastrophe zu verhängen.

Fischsterben könnte sich auf Ostsee ausweiten

Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern rechnet unterdessen mit Auswirkungen des Fischsterbens in der Oder auf das Stettiner Haff. Es sei damit zu rechnen, dass die Belastungen die Odermündung nahe Stettin (Polen) abhängig von Wind- und Strömungsverhältnissen bereits am Abend erreichen, schrieb das Ministerium in einer Mitteilung am späten Freitagabend. Im Verlauf des Samstags könnte dann auch der vorpommersche Teil des Stettiner Haffs betroffen sein.

Das Ministerium von Till Backhaus (SPD) rief daher die Anlieger vorsorglich dazu auf, auf das Fischen in und die Wasserentnahme - unabhängig von der Nutzung - aus dem Gewässer zu verzichten. Die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bereiten demnach aktuell Gewässer- und Fischproben vor.

Sorge um den Nationalpark

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), nannte das Fischsterben in der Oder eine Umweltkatastrophe nie dagewesener Dimension. Der Nationalpark Unteres Odertal habe große Befürchtungen, dass die Auswirkungen so riesig seien, dass sie sich auch über Jahre hinziehen, sagte Hoppe im rbb-Inforadio am Samstag. „Für uns ist diese Vergiftungssituation, die sich jetzt in der Oder aufgebaut hat, eine Umweltkatastrophe von noch nie dagewesenem Ausmaß.“ Auch der Tourismus sowie die Weide- und Fischwirtschaft seien stark beeinträchtigt.

Am Samstag begann in Schwedt an der Oder eine Aktion zum Einsammeln der Kadaver. Die Einsatzkräfte seien mit Schutzanzügen ausgerüstet, sagte Hoppe im rbb-Inforadio. Es sei davon auszugehen, dass dort gesundheitsgefährdende Stoffe für den Menschen vorhanden seien.

Nach dem Einsammeln sind die Kadaver nach Angaben der Kreisverwaltung am Nachmittag in eine Verbrennungsanlage gebracht worden. Die Fische würden in einer vom Landesumweltamt zugelassenen Anlage entsorgt, sagte die Sprecherin der Kreises, Ramona Fischer, am Samstag. Die Verbrennungsanlage sei in Schwedt auf dem Gelände der Raffinerie PCK.

Helfer keschern tote Fische aus der Oder bei Frankfurt/Oder.
Helfer keschern tote Fische aus der Oder bei Frankfurt/Oder.

© Imago/Winfried Mausolf

Der Nationalpark Unteres Odertal bei Schwedt in der Uckermark wurde vor mehr als 25 Jahre gegründet und gilt als Deutschlands einziger Flussauen-Nationalpark. Das Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze hat eine Länge von 50 Kilometern und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 10.000 Hektar. Er zieht sich am westlichen Uferrand der Oder von Hohensaaten im Süden bis Staffelde im Norden. Wasservögel und andere Zugvögel nutzen das Areal als Rastgebiet.

„Ich rechne mit mehreren Tonnen Fisch, die wir rausholen“

Auch in anderen Brandenburger Landkreisen wurden am Samstag Fischkadaver eingesammelt. Etwa 300 Einsatzkräfte sind seit Samstagmorgen im Kreis Märkisch-Oderland auf rund 80 Kilometern Länge am Ufer unterwegs, wie der Sprecher des Kreises, Thomas Rubin, sagte. „Ich rechne mit mehreren Tonnen Fisch, die wir rausholen.“

An der Oder in der brandenburgischen Kleinstadt Lebus, nicht weit entfernt von Frankfurt (Oder), habe sich durch die Verwesung der Fische unangenehmer Geruch ausgebreitet, schilderte ein dpa-Reporter. Es seien auch Vögel zu sehen, die tote Fische wegtragen.

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Helferinnen und Helfer waren mit Handschuhen, Gummistiefeln oder auch Watthosen ausgerüstet. Teils seien auch Boote im Einsatz, sagte der Sprecher des Kreises. Die Kadaver kommen ihm zufolge in Müllsäcke, die an mehreren Standorten gesammelt und dann in Container gebracht werden.

Nach dem Einsammeln der Fische am Samstag soll die Entsorgung im Kreis Märkisch-Oderland voraussichtlich am Montag weitergehen, wie der Sprecher sagte. (dpa)

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