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© dpa/Jörg Carstensen

Streit um Radwege-Planungsstopp: Jarasch sieht Senat in die Krise schlittern – Saleh beklagt „Kommunikationsdesaster“

Sollen etliche Radwegprojekte auf den Prüfstand? Verkehrssenatorin Schreiner steht in der Kritik. Dabei geht es auch um Fördermittel im zweistelligen Millionenbereich.

| Update:

Die Diskussion um die umstrittene Radverkehrspolitik des Berliner Senats ist aus Sicht der Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch ein Zeichen dafür, dass die neue Landesregierung in eine Krise schlittert. „Es ist absurd, fortgeschrittene Planungen zu stoppen. Und es ist auch absurd, das mit dem Argument zu tun, man müsste priorisieren“, sagte Jarasch am Freitag der Deutschen Presse-Agentur zur Ankündigung von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), zahlreiche Radwegeprojekte zurückzustellen.

„Schon bevor man beginnt zu planen und Firmen zu beauftragen, priorisiert man. Es werden jetzt Projekte gestoppt, die umsetzbar wären.“ Das sei das Gegenteil vom „Mal ins Machen kommen“, das die CDU im Wahlkampf angekündigt habe. „Auch an solchen Themen zeigt sich: Bekommt man diese Stadt ans Funktionieren oder schafft man das nicht?“, sagte Jarasch. „Das Radwegechaos wächst sich zunehmend zu einer echten ersten Krise aus.“

Über die Einschätzung des SPD-Landesvorsitzenden Raed Saleh über das Kommunikationsdesaster des Senats zum Radverkehr könne man nur den Kopf schütteln. „Ich stelle fest, ein Kommunikationsdesaster löst man nicht, indem man öffentlich streitet, sondern indem man Probleme im Senat klärt“, so die Grünen-Politikerin. „Sonst verschärft man es noch. Das öffentliche Zusammenstehen bei Schwarz-Rot hat nicht mal die ersten 100 Tage überstanden.“

Deswegen glaube sie, es werde Zeit für den Regierenden Bürgermeister, dem Einhalt zu gebieten und dringend auf die Bezirke zuzugehen. Denn die Bezirke fühlten sich vom neuen Senat doppelt nicht mitgenommen. „Beim Thema willkürlicher Stopp ihrer Radwegeplanungen und im Blick auf den nächsten Doppelhaushalt und die Frage, was die Bezirke dann noch leisten können oder nicht.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner müsse vor allem langsam zeigen, wie er sich eine funktionierende Stadt vorstelle. „Wir Grünen stehen ausdrücklich bereit für eine konkrete Verwaltungsreform, die mit den Bezirken gemacht wird und nicht gegen sie“, sagte Jarasch. „Die Stadt braucht eine Verwaltungsmodernisierung, und zwar schnell, aber die macht man mit der Verwaltung und mit den Bezirken.“

So wie die neue Regierung das Thema Radwegebau angegangen sei, zerstöre sie jedes Vertrauen der Verwaltung in diejenigen, die sie reformieren wollten, sagte Jarasch. „So wird das nichts. Kai Wegner hat die Verwaltungsreform zur Chefsache gemacht. Aber wir warten bis jetzt auf einen konkreten Arbeitsplan, der uns zeigt, wie wir da weiterkommen wollen.“

Saleh: Radnetz muss ausgebaut werden

SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh pocht darauf, dass das Radwegenetz in Berlin ausgebaut werden müsse. „Über das Kommunikationsdesaster des Senats der vergangenen Tage zum Radverkehr in Berlin kann man nur den Kopf schütteln“, sagte Saleh am Freitag mit Blick auf die Diskussionen, die Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) mit ihren Ankündigungen zu Einschränkungen beim Radwegebau ausgelöst hatte.

„Wir wollen und werden nämlich mehr und sichere Radwege in Berlin bauen und diese Prozesse beschleunigen“, betonte Saleh. „Dazu sind wir in der Koalition verabredet zu priorisieren, welche der über 50 Projekte schon in den nächsten drei Jahren fertiggestellt werden können.“

Raed Saleh, Landesvorsitzender der SPD Berlin. (Archivbild)

© dpa/Carsten Koall

Aus Sicht des SPD-Politikers ist nicht das Ziel, die Ansprüche an den Radwegebau zurückzuschrauben: „Das Mobilitätsgesetz gilt weiter und wird lediglich unter den Aspekten der Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Anpassung an örtliche Gegebenheiten überprüft“, sagte er. „Von einem Stopp der Radverkehrsplanung und des Radverkehrsbaus kann keine Rede sein.“

Der SPD-Politiker sieht allerdings auch die Verkehrspolitik des rot-grün-roten Senats durchaus kritisch: „Es muss Schluss sein mit der Ankündigungspolitik der vergangenen Jahre, als von den bereitgestellten Geldern nicht einmal 50 Prozent verbaut wurden“, sagte er.

Kritik auch von SPD-Bundestagsabgeordneten Helmut Kleebank

Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete und frühere Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) kritisiert den Ausbaustopp des Berliner Radnetzes. Falls Berlin den Radwegeausbau einstelle, verärgere das nicht nur eine wachsende Zahl von Radfahrer:innen und behindere deren Sicherheit, so Kleebank. Zudem würde Berlin auf eine veritable Bundesförderung verzichten, die gegebenenfalls zurückerstattet werden muss. „Ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln“, so Kleebank.

Für den Ausbau von Radwegen werden dem Land Berlin vom Bund bis 2028 rund 46 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. „Fünf Prozent von diesen Mitteln hat Berlin bereits abgerufen und 62 Prozent davon sind verplant“, erläutert Helmut Kleebank. Er hoffe, dass Berlin sich eines Besseren besinnt und den Ausbau des Netzes weiter voranbringt. „Die Richtung, den Stadtraum bedarfsgerechter zu verteilen, muss weiterverfolgt werden. Wir sehen an europäischen Städten wie Kopenhagen oder auch Paris, dass das ein Erfolgsmodell ist“, so Kleebank.

Verkehrssenatorin Schreiner hatte erhebliche Kritik provoziert, als sie am Freitag vergangener Woche mitteilte, bestimmte Radverkehrsprojekte sollten nicht weiter verfolgt werden.

Das gilt laut der Verkehrsverwaltung, wenn für den Radweg Busfahrstreifen wegfallen müssten, es zu Einschränkungen des ÖPNV kommen oder der Wirtschafts- und Lieferverkehr eingeschränkt würde oder mehrere Autostellplätze wegfallen müssten. Über Details wurden die Bezirke erst mehrere Tage später per E-Mail unterrichtet.

Berlins Regierungschef Kai Wegner hat Schreiner verteidigt. „Das ist kein Stopp, sondern eine Prüfung und Priorisierung. Und das ganze Thema wird zu Unrecht aufgebauscht“, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“ (Donnerstag). „Im Koalitionsvertrag steht, dass wir deutlich mehr Radwege bauen wollen als die letzte Landesregierung. Was ich nicht will, sind Radwege, mit denen man Autos mutwillig ausbremst.“ (dpa/Tsp)

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