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Das Verwaltungsgericht wird sich mit Berlins Krankenhauspolitik befassen.

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„Werden beim Geld eklatant benachteiligt“: Fast 30 Krankenhäuser verklagen den Berliner Senat

Weil der Senat die landeseigenen Vivantes-Häuser mit Millionensummen bevorzuge, reichten andere Kliniken jetzt Klage ein. Ein Urteil während der Krankenhausreform kann bundesweit Folgen haben.

Stellvertretend für insgesamt 29 Krankenhäuser in Berlin verklagen die DRK-Kliniken den Senat. Am Donnerstag reichte die Geschäftsführung des Köpenicker DRK-Krankenhauses wie angedroht Klage beim Verwaltungsgericht ein. Die Richter sollen prüfen, ob die Krankenhausfinanzierung der Landesregierung legitim ist. Eine Sprecherin des Berliner Verwaltungsgerichts bestätigte den Eingang der Klage.

Anlass der Klage sind millionenschwere Sonderzahlungen an Vivantes. In den Jahren 2019 bis 2022 seien der landeseigenen Klinikkette zusätzlich zu den regulären Investitionen 515,05 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Im Haushalt 2023 seien unter anderem als Defizitausgleich weitere 224,9 Millionen Euro vorgesehen.

Die Betreiber der 29 privaten, frei-gemeinnützigen und konfessionellen Kliniken monieren, die kommunalen Vivantes-Krankenhäuser würden seit Jahren unverhältnismäßig stark vom Senat bedient. Damit verstoße das Land gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, das EU-Beihilferecht, das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die Vorgaben zur Haushaltsplanung, letztlich auch gegen die Berufsfreiheit – denn Vivantes könne, so der Vorwurf, durch die Sondersubventionen bessere Löhne zahlen, was die Personalnot anderer Kliniken verstärke.

Bekommen Vivantes-Kliniken zu viel Geld?

Hintergrund ist, dass die Bundesländer gesetzlich verpflichtet sind, in Bauten und Technik aller für die Versorgung nötigen Krankenhäuser zu investieren. Auch in den aktuellen Haushaltsberatungen für 2024 und 2025 sind für Vivantes 572,1 Millionen Euro extra als Defizitausgleich im Gespräch, zudem zweistellige Millionenbeträge im Jahr für die Integration der Tochterfirmen.

Zusammen betreiben die Vivantes-Kliniken und die ebenfalls landeseigene Charité circa 9000 der 23.000 Krankenhausbetten in Berlin. Anders als Vivantes finanziert sich die Universitätsklinik auch mit Forschungsmitteln, weshalb es in der Klage nicht um die Charité geht.

„Wir stellen tagtäglich weit mehr als die Hälfte der stationären Gesundheitsversorgung in Berlin sicher, sollen bei der Verteilung der Finanzmittel durch das Land aber weiterhin eklatant benachteiligt werden“, sagte der Geschäftsführer der DRK-Kliniken, Christian Friese. „Da helfen dann auch die konstruktiven Gespräche mit der Gesundheitssenatorin in den letzten Wochen nicht.“ Die Mitarbeitenden würden am Ende mit ihren Steuern die Sonderleistungen für die landeseigenen Häuser bezahlen.

Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD).
Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD).

© imago/Emmanuele Contini/IMAGO/Emmanuele Contini

Man habe dazu zwar vertrauensvoll mit Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) sprechen können, die von den 29 Kliniken gestellte Frist aber sei verstrichen. Nur wenn es „konkrete Lösungsansätze“ gebe, könne man die Klage zurückziehen.

Sollte das Gericht zugunsten der Kläger entscheiden, könnte das bundesweite Folgen haben – zumal während der vom Bund geplanten Reform ab 2024 einige Krankenhäuser schließen oder fusionieren werden müssen. In der Branche ist zu hören, dass sich Klinikbetreiber aller Art auf den etwaigen Gerichtsbeschluss berufen werden, wenn sie sich Wettbewerbern gegenüber benachteiligt sehen.

Neben der gezeigten Klinik in Berlin-Spandau betreibt Vivantes sieben Krankenhäuser sowie 13 Pflegeheime.
Neben der gezeigten Klinik in Berlin-Spandau betreibt Vivantes sieben Krankenhäuser sowie 13 Pflegeheime.

© imago/Schöning

Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Stuttgart 2017 nach Klage des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken den Verlustausgleich des Landkreises Calw für seine Kreiskliniken für rechtmäßig erklärt, allerdings nur in einem bestimmten Umfang. Die Berliner Richter werden die Lage womöglich anders beurteilen, zumal die Zusatzzahlungen an Vivantes auch Löhne betreffen.

Rettungsstellen versorgen überproportional viele Notfälle

So werden im Haushaltsentwurf des Senats unter „Rückholung Töchterunternehmen“ ab 2025 pro Jahr 40 Millionen Euro avisiert, damit Vivantes und die Charité ihre Firmen für Reinigung, Speiseversorgung und Transport voll in die Stammhäuser integrieren können. Insbesondere Verdi machte dazu zuletzt Druck. Die Gewerkschaft will so für das Personal der Tochterfirmen den Tarif des öffentlichen Dienstes durchsetzen. Dessen Löhne sind höher als die üblichen Tarife im Reinigungsgewerbe und Catering.

Sollten die nicht-kommunalen Kliniken im Falle eines gerichtlichen Sieges mehr Landesmittel erhalten, teilte Verdi unlängst mit, müssten sie ähnlich wie Vivantes öffentlich Rechenschaft über ihre Tarifpolitik ablegen.

Auch die Opposition äußerte sich zu dem Streit: Vivantes stelle in sozialen Brennpunkten die Notversorgung sicher, sagte Linken-Gesundheitspolitiker Tobias Schulze kürzlich. Sollten dem Landeskonzern nach einem etwaigen Urteil die Mittel gekürzt werden, drohe dessen Insolvenz, was die Versorgung Berlins gefährde. Die sieben Vivantes-Rettungsstellen versorgen nach Tagesspiegel-Informationen überproportional viele Notfälle.

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