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Die AfD fischt auch unter Migranten um Stimmen – und findet dabei Unterstützung bei religiösen Influencern. Ihr Lockmittel ist die Ablehnung von Schwulen, Feministen und generell der Moderne.

© Gestaltung: Tagesspiegel; Getty Images/iStockphoto

Dreiste Charmeoffensive: Wie die AfD jetzt Migranten umwirbt

Die AfD fischt auch unter Migranten um Stimmen – und findet dabei Unterstützung bei religiösen Influencern. Ihr Lockmittel ist die Ablehnung von Schwulen, Feministen und generell der Moderne.

Eine Kolumne von Sebastian Leber

Dass es ernsthaft Menschen gibt, die glauben, ihr eigenes Leben werde sich irgendwie verbessern, sollte die AfD je an die Macht gelangen, geht mir nicht in den Kopf. Zumindest dachte ich bisher: Wenn es eine Gruppe gibt, die vor diesem Irrtum gefeit ist, dann sind es Migranten. Weil doch bekannt ist, was die rechtsextreme Partei von ihnen hält. Und was sie mit ihnen vorhat.

Umso verstörender, was sich seit einiger Zeit im Netz beobachten lässt. AfDler versuchen, Menschen mit Migrationshintergrund davon zu überzeugen, AfD zu wählen. Und es gibt Leute, die tatsächlich darauf hereinfallen.

Es wäre doch schön, den Grünen und den Linken und der SPD einige Muslime abzuluchsen.

 Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Hardliner aus Sachsen-Anhalt

Einer, der es ganz offen ausspricht, ist Hans-Thomas Tillschneider. Ein einflussreicher Hardliner der Partei aus Sachsen-Anhalt mit Verbindungen zur Identitären Bewegung und anderen Verfassungsfeinden. In einer Youtube-Sendung hat er kürzlich erklärt, dass er im Grunde ja niemals ein Islamkritiker gewesen sei. Und dann sagt Tillschneider wörtlich: „Es wäre doch schön, den Grünen und den Linken und der SPD einige Muslime abzuluchsen.“

AfD-Funktionär besucht islamistischen Youtuber

Wie soll das gehen bei einer Partei des Islamhasses, der Hetze gegen Zugewanderte und der schon lange gehegten Vertreibungsfantasien? Und wer wäre so blöd, diesen Widerspruch nicht zu erkennen?

Der Youtube-Kanal, der Tillschneider eine Plattform bietet, gehört dem Islamisten Huseyin Özoguz, einem deutschen Influencer mit türkischen Wurzeln und Sympathien für das iranische Mullah-Regime. Wer die beiden plaudern hört, begreift schnell, wo ihre Schnittmengen liegen.

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Huseyin Özoguz warnt vor einem „zerstörerischen Feminismus“, vor „Homo-Kult“ und „geschlechtlichen Verirrungen“. Er glaubt, Grüne und Linke zerstörten Deutschland, auch dessen Familien, die Kultur und Religion. Viele Muslime, sagt er, stünden den meisten Inhalten der AfD sehr nahe und würden die Partei sehr gern wählen, wäre sie nicht so offen islamfeindlich. Etwa die Forderung nach einem Kopftuchverbot an Schulen. Könne sich die AfD da nicht bewegen? „Na ja, das ist schwierig“, antwortet Tillschneider …

Dafür lobt er, viele Muslime hätten eine „geopolitische Orientierung“, die „vielen Westdeutschen überlegen“ sei. Zum Beispiel, was die grundsätzliche Kritik an den USA angehe.

Der Vater des Influencers ist übrigens der Islamist Yavuz Özoğuz, Betreiber des Portals „Muslim Markt“ und Bruder der Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD). Auf seiner Webseite hetzt er regelmäßig gegen Israel und verbreitet antisemitische Verschwörungserzählungen.

Gerade erst kritisierte er, die aktuellen Großdemonstrationen gegen die AfD würden von „Zionisten“ initiiert und sollten bloß von Israels Einmarsch in Gaza ablenken. Der rechte TV-Sender „Auf1“ lobt Özoğuz als einen Mann, der bei vielen Themen wie etwa „Wertezerfall“, „Zerstörung der Familie“ oder „Geschichtslügen“ dieselbe Sprache spreche wie die meisten Rechten.

Manche Migranten halten die AfD für „Gesinnungsgenossen“

Es ist die Verachtung des liberalen Westens und allgemein der Moderne, die manche Migranten in die Arme der AfD treiben könnte – auch wenn sie genau wissen, dass führende Parteifunktionäre sie lieber heute als morgen aus Deutschland vertreiben möchten. Influencer wie Huseyin Özoğuz, hoffen darauf, dass die Rechten sie nicht mehr als Feinde, sondern als potentielle Bündnispartner erkennen.

Genau dies fordert auch der rechte Autor Frederick Höfer, der extra ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat. Darin zählt er weitere Gemeinsamkeiten auf: Muslime lehnten die „Abtreibungsindustrie“ kategorisch ab, könnten mit der Klimapolitik der Bundesregierung nichts anfangen und sähen die „wertegeleitete Außenpolitik“ skeptisch. Zudem ärgerten sie sich über „GEZ-Rechnungen“. Dies müssten die Rechten doch erkennen und für sich nutzen.

Hans-Thomas Tillschneider (rechts) und Huseyin Özoguz auf Youtube.
Hans-Thomas Tillschneider (rechts) und Huseyin Özoguz auf Youtube.

© Screenshot: Youtube

Dass manche Migranten die AfD für „Gesinnungsgenossen“ halten, sei eine gefährliche Entwicklung, sagt mir am Telefon Eren Güvercin von der Alhambra-Gesellschaft, einem Zusammenschluss aufgeklärter europäischer Muslime. Güvercin beobachtet das Phänomen bereits länger, hauptsächlich in türkisch-nationalistischen und islamistischen Milieus in Deutschland. Angeheizt würden die Sympathien durch eine verstärkte Homosexuellen- und Transfeindlichkeit in der Türkei, die über unterschiedliche Kanäle auch Deutsche mit türkischen Wurzeln erreiche.

Dazu passe dann auch das Tik-Tok-Video, in dem Maximilian Krah, der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, erst kürzlich den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verteidigte. Dessen Bilanz als Präsident könne sich sehen lassen, lobte Krah. Und dann noch: „Patrioten sind nicht unsere Feinde.“

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