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Gedenken an Hermann Bach

© EGLV

Interview über innovativen Chemiker, der von den Nazis ermordet wurde: „Hermann Bach war ein Visionär“

Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, erinnert an deren früheren Chef-Chemiker, den die Gestapo vor 80 Jahren in Berlin ermordete.

Von Markus Hesselmann

Wann und auf welchem Wege haben Sie zum ersten Mal von Hermann Bach und seiner Geschichte gehört?
Eines meiner ersten Projekte in meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband war die Aufarbeitung der Rolle von EGLV im Nationalsozialismus in Zusammenarbeit mit Prof. Goschler vom Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Ruhr-Universität Bochum. Nach einer Vorstudie wurde im Juni 2017 das Forschungsprojekt gestartet. Die Ergebnisse finden sich im 2020 erschienenen Buch „Fließende Grenzen – Abwasserpolitik zwischen Demokratie und Diktatur“ von Eva Balz und Christopher Kirchberg.

Im Rahmen ihrer Forschungen befragten beide 2018 auch ehemalige Mitarbeitende von EGLV. Einer von ihnen war der Vater von Martina Gorlas, Johannes Gorlas, der von 1958 bis 1975 im Labor als Chemieingenieur tätig war und Zeitzeugen der Entlassung Hermann Bachs kannte. Frau Gorlas begann daraufhin mit ihren Recherchen und machte die Nachfahren von Hermann Bach in Amerika ausfindig.

Wie entwickelte sich die Idee, an ihn und seine Familie zu erinnern?
Frau Gorlas trat mit ihren Erkenntnissen an uns heran, es entstand die Idee, die Nachfahren von Hermann Bach nach Essen einzuladen und in Berlin-Weißensee einen Grabstein zu setzen. Darüber hinaus sollte auch in Essen ein Stolperstein gesetzt und das Labor nach Hermann Bach benannt werden.

Was ist Hermann Bachs Bezug zu Berlin?
Zum einen zog die Familie nach der Entlassung von Hermann Bach nach Berlin. Dort wurde er während eines Verhörs ermordet und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Außerdem leben einige der Nachfahren seiner Frau Margareta Bach in Berlin.

Hermann Bach, 1875 - 1944.
Hermann Bach, 1875 - 1944.

© Hedwig Frazier-Bach/Carolyn Paulson

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Behörden und Initiativen beim Stolpersteinprojekt?
Das Stolpersteinprojekt wurde vom Historischen Verein Essen betreut, der seit 2004 die Verlegungen in Essen organisiert und auch den Kontakt zum Künstler Gunter Demnig herstellte. Der Stein wurde von Herrn Demnig am 20.10.2022 im Beisein des Essener Oberbürgermeisters Kufen vor der Hauptverwaltung der Emschergenossenschaft gesetzt. Die Angehörigen in Amerika und Berlin konnten dies über einen Livestream verfolgen.

Wie kam der Kontakt zu den Angehörigen der Familie Bach zustande?
An dieser Stelle sind wir Frau Gorlas zu großem Dank verpflichtet, die sowohl die Töchter und Enkel in Amerika ausfindig machte, als auch die Nachfahren von Margareta Bach, geb. Völker. Die Töchter Anneliese, Gertrud und Hedwig gingen nach dem Krieg zunächst nach Michigan, wo sich ein Freund der Familie, der Chef von Dow Chemicals, um die jungen Frauen kümmerte.

Was waren besonders bewegende Momente bei den Treffen und der Kommunikation mit den Angehörigen?
Für mich gab es zwei besonders bewegende Momente: zum einen das Zusammentreffen beim Empfang im Rathaus durch OB Kufen, wo die Familie ihre große Dankbarkeit ausdrückte, dass nach so vielen Jahren endlich die Erinnerung an ihren Groß- und Urgroßvater wieder lebendig und seine Lebensleistung gewürdigt wird. Zum anderen dann die Gespräche bei uns im Hause, die in sehr herzlicher Atmosphäre stattfanden. Durch die persönlichen Erinnerungen aus den Erzählungen der Töchter, die die Enkel uns weitererzählten, wurde der Mensch Hermann Bach für mich greifbar.

Sehr bewegend war auch, dass sich die Familien aus Amerika und die in Deutschland verbliebenen Nachfahren von Margareta Bach erst über die Reise zum Gedenken an den gemeinsamen Großvater kennengelernt und zueinander gefunden haben. Gerade den Nachfahren mütterlicherseits war das Schicksal und die Bedeutung Hermann Bachs gar nicht bekannt. Sie berichteten, dass man in den Nachkriegsjahren in den USA das Thema „Jüdischsein“ und „Verfolgung in Nazi-Deutschland“ aussparte und möglichst assimiliert leben wollte.

Verwandte von Hermann Bach aus den USA und Deutschland folgten der Einladung der Emschergenossenschaft – v.l. Martin Torrey (EGLV), Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender EGLV), Ulrike Abeling (EGLV), Elena Burges (EGLV), Andreas Völker, Jessica Hays, Thomas Völker, Cathleen Lenning, Thomas Richards, Carolyn Paulson, Kindra Scharich, Patrick Richards, Johannes Gorlas (ehemaliger Angestellter von EGLV) und Martina Gorlas (Journalistin und Buch-Autorin).
Verwandte von Hermann Bach aus den USA und Deutschland folgten der Einladung der Emschergenossenschaft – v.l. Martin Torrey (EGLV), Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender EGLV), Ulrike Abeling (EGLV), Elena Burges (EGLV), Andreas Völker, Jessica Hays, Thomas Völker, Cathleen Lenning, Thomas Richards, Carolyn Paulson, Kindra Scharich, Patrick Richards, Johannes Gorlas (ehemaliger Angestellter von EGLV) und Martina Gorlas (Journalistin und Buch-Autorin).

© EGLV

Was waren aus Ihrer Sicht die herausragenden Leistungen Hermann Bachs bei der Emschergenossenschaft und was können wir heute noch daraus lernen?
Hermann Bach trat schon 1907, also schon bald nach ihrer Gründung, in die Emschergenossenschaft ein. In der aufstrebenden Industrieregion waren neben den häuslichen und den organisch belasteten Abwässern der Lebensmittelherstellung insbesondere die hochgiftigen Abwässer aus den Kokereien ein großes Problem für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen und Tiere. Zwischen 1922 und 1933 reichte Hermann Bach 14 Patente zur Reinigung dieser Abwässer und zur Trinkwasserherstellung ein. Schon damals beschäftigte er sich mit der Kreislaufführung, indem er die Herstellung von Düngemitteln aus Klärschlämmen erfand, was wir heute beim Thema Phosphor-Recycling aus Klärschlamm, ab 2029 in Deutschland verpflichtend, wieder aufgreifen.

Was beeindruckt Sie besonders an der Persönlichkeit Hermann Bachs?
Hermann Bach war ein Visionär: er erkannte schon Ende der 20-er Jahre, dass die Industrie sehr wenig Interesse an - kostspieliger - Abwasserreinigung habe und nur unter Druck handele. Auch seien die notwendigen Forschungen von einzelnen Betrieben nicht zu leisten. So schreibt er: „Das Ideal wäre, wenn das ganze Reichsgebiet mit einem Netz von Abwassergenossenschaften überzogen werden könnte. Von dem Maße, in dem man sich in der Zukunft diesem Ideal wird nähern können, hängt die Reinhaltung unserer Binnengewässer ab. Die Verschmutzung unserer Flüsse vermehrt sich durch die Abwässer der sprunghaft sich entwickelnden Industrie in bedrohlichem Maße und man darf nicht zu lange zögern, soll schwer wieder gutzumachenden Schäden rechtzeitig vorgebeugt werden.“

Und weiter: „Die Abwasserreinigung ist eben Sache des öffentlichen Anstandes und für den Abwassererzeuger Sache der Selbstachtung und der Rücksichtnahme auf die berechtigten wirtschaftlichen, hygienischen und ästhetischen Belange der Mitbürger… Sie ist auch eine Angelegenheit des Naturschutzes. Jede andere Einstellung ist unrichtig.“

Ebenso setzte er sich für den fachlichen Austausch des Betriebspersonals zur Verbesserung von Methoden und Ergebnissen ein, sein Buch „Die Abwasserreinigung – ein Fachbuch auch für den Klärwärter“ war wegweisend und hat zur Verbesserung der Abwasserreinigung in Deutschland geführt.

Als Präsident der Deutschen Wasserwirtschaft (DWA) greifen wir im Rahmen des Nationalen Wasserdialogs dieses Thema auf und sehen, dass gerade kleinere Kommunen mit den Themen überfordert sind und wir eine Bewirtschaftung der Flussgebiete nach Einzugsgebieten benötigen - und mehr Wasserverbände größeren Ausmaßes brauchen.

Gibt es seit den Ehrungen durch die Emschergenossenschaft und über die im Netz aufrufbaren Veröffentlichungen hinaus inzwischen weitere Erkenntnisse zu Hermann Bach und seiner Familie, etwa auch zu seinen Todesumständen?
Wir arbeiten an der Publikation seiner zahlreichen Veröffentlichungen und Patentschriften, um die große Bedeutung Hermann Bachs für die Entwicklung der Abwasserreinigung zu würdigen. Wir sind sehr dankbar, dass uns die Familie bei ihrem Besuch einen Ordner mit Originalen aus der Vorkriegszeit übergeben hat. Frau Gorlas plant ebenfalls eine weitere Schrift zur Familiengeschichte. Ob sich die Todesumstände näher klären lassen, ist ungewiss, man kann jedoch nach allen verfügbaren Informationen davon ausgehen, dass Hermann Bach während eines Verhörs am 7. Januar 1944 von der Gestapo ermordet wurde.

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