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Rosa von Praunheims Werk  „An einem schönen Tag im April“.

© Rosa von Praunheim

Ausstellung in Nürnberg geschlossen: Rosa von Praunheim freut sich über die Debatte

Die St. Egidien-Kirche in Nürnberg hat nach Protesten eine Ausstellung von Rosa von Praunheim geschlossen. Der reagiert gelassen – und ist über die Aufmerksamkeit sogar begeistert.

Auf der Facebookseite der evangelischen St. Egidien-Gemeinde in Nürnberg geht es in diesen Tagen hoch her. Die Kommentarspalten sind voller Einträge wie diesen: „Blasphemie auf der untersten Schiene.“ „Ich bin so geschockt.“ „Eine Kirche der Schande. Meine Familie und ich werden austreten.“ „Einfach nur krank“. Anlass ist die Ausstellung „Jesus liebt“, die der Berliner Filmemacher, Dichter und Maler Rosa von Praunheim eigens für die Barockkirche geschaffen hat. Sie umfasst farbenfrohe Gemälde und Collagen, die teils christliche, teils homoerotische Motive zeigen.

Auch per Mail und Telefon protestierten Menschen gegen die Ausstellung, die zum Programm der „Pride Weeks“ des CSD Nürnberg gehört. In den Sozialen Medien gab es sogar Hassbotschaften. Und so entschied sich die Kirche nach vier Tagen dafür, die Schau vorläufig zu schließen. „Aufgrund der Rückmeldungen empfinden wir eine Fürsorgepflicht, nicht einen Modus der weiteren Provokation zu fahren“, sagte Pfarrer Thomas Zeitler dem Evangelischen Pressedienst.

Er hat „Jesus liebt“ organisiert und klebte am Dienstag einen Zettel an die Kirchentür, auf dem zu lesen ist, dass die Gemeinde aufgrund der Reaktionen auf die Ausstellung „in einen Prozess der Klärung“ eintrete, wie „ein produktiver Umgang mit der Situation aussehen könnte“. Der geschäftsführende Pfarrer des Kirchenvorstands, Martin Brons, sagte: „Wir stellen uns der Aufgabe, die entstandenen Verletzungen, die einzelne Bilder ausgelöst haben, ernst zu nehmen“.

Erstaunlich, dass sich die Märchenstunden der Bibeltreuen im aufgeklärten Zeitalter immer noch halten.

Rosa von Praunheim, Maler, Dichter und Filmemacher

Rosa von Praunheim, der schon ganz andere Skandale erlebt hat, bleibt angesichts der Kontroverse gelassen und sagt am Telefon: „Ich bin natürlich begeistert, dass die Ausstellung dadurch Aufmerksamkeit bekommt“.

Der 80-jährige Berliner Filmemacher, Dichter und Maler Rosa von Praunheim.
Der 80-jährige Berliner Filmemacher, Dichter und Maler Rosa von Praunheim.

© dpa/Jens Kalaene

Es sei schön, wenn eine Diskussion angeregt werde, etwa über die Homophobie der Kirche. Auch das Thema Missbrauch schneidet der 80-jährige Künstler an. So zeigt eine Collage einen von Blumen umschwirrten Schutzengel, zu dessen Füßen zwei Kinder spielen. In der linken Ecke steht in roter Farbe „Fake News“, denn der kirchlich-religiöse Raum ist eben für Kinder häufig kein sicherer Ort gewesen.

Warnhinweis „Achtung: Sex“

Drei Motive sind hinter einem Vorhang platziert, der Bereich wurde mit einem Warnhinweis versehen. „Achtung: Sex“ und „Adults only“ ist dort unter anderem zu lesen. Es dürften vor allem diese Bilder sein, die die Gläubigen aufbringen. Auf einem werden drei ikonenhafte Jesus-Motive mit schwulen Gruppensexszenen kombiniert.

Eins zeigt unter dem Titel „Ficken für den Frieden“ eine fotografische Männerorgie, über die gemalte Schmetterlinge, eine Libelle und ein Kolibri fliegen. „Der Papst träumt von der Liebe“ bringt ein Foto Benedikts XVI. unter anderem mit einer nackten Männerfigur zusammen, auf deren erigiertem Penis „Rosa v. P 23“ zu lesen ist – die Signatur des Künstlers, der vor seiner Karriere als Filmemacher eine Zeitlang freie Malerei an der Hochschule der bildenden Künste in West-Berlin studiert hat.

Zu den ablehnenden Reaktionen und Hassbotschaften sagt von Praunheim: „Viele, die da schreiben, haben die Ausstellung gar nicht gesehen, sondern nur Gerüchte gehört.“ Von einer ernsthaften Auseinandersetzung könne keine Rede sein. Erstaunlich sei allerdings, „dass sich die Märchenstunden der Bibeltreuen im aufgeklärten Zeitalter immer noch halten“.

Rosa von Praunheims Collage „Mit wem hat sie gevögelt?“ (Ausschnitt).
Rosa von Praunheims Collage „Mit wem hat sie gevögelt?“ (Ausschnitt).

© Rosa von Praunheim

Damit spielt er etwa auf den Mythos der unbefleckten Empfängnis an, den er in einem seiner neuen Werke aufs Korn nimmt. Eine betende Marienfigur wird darin von fünf Tierabbildungen eingerahmt, unter ihr steht die Frage: „Mit wem hat sie gevögelt?“ Was eher in die Abteilung Teeanger-Humor passt, denn in die sexy Provo-Schiene, zu der einige der anderen Werke gehören. Wobei sich an einem Ausstellungsort wohl niemand darüber aufgeregt hätte.

In Begleitprogramm der Ausstellung lief zudem Rosa von Praunheims Film „Hitler & Jesus – eine Liebesgeschichte“. Darin zieht der Regisseur Parallelen zwischen den Strategien und der Wirkung der beiden Männer. Auch hierzu gab es auf Facebook kritische Stimmen („Antichristen sind das. Eine Schande für unseren heiligen Gott. Sie werden ein strenges Urteil empfangen.“), allerdings auf Verteidiger*innen der Vorführung. Das gilt ebenfalls für die Ausstellung.

Rosa von Praunheim hofft derweil, dass „Jesus liebt“ bald wieder öffnen kann. Der „tapfere Pfarrer“ Thomas Zeitler kämpfe darum. Wie lange der gemeindeinterne Klärungsprozess dauern wird, ist derzeit unklar. Laufen sollte die Ausstellung in den Kirchenräumen eigentlich bis zum 12. August. Anschließend sind Stationen in München und Hamburg geplant. Rosa von Praunheim kann sich überdies vorstellen, dass die Galerie Mond in Charlottenburg, mit der er schon mehrfach zusammengearbeitet hat, ebenfalls Interesse hat. Dann garantiert ohne Skandal – schließlich kennt die Regenbogen-Hauptstadt ihren Rosa.

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