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Derzeit wird nur die gebärende Person bei der Geburt als Mutter rechtlich anerkannt.

© imago images/Westend61

Rechtliche Diskriminierung queerer Familien: Kommt jetzt die Reform des Abstammungsrechts?

Bundesjustizminister Buschmann hat ein Eckpunktepapier zur Reform des Familienrechts angekündigt. Werden queere Familien jetzt gleichgestellt? Wie weit reichen die Änderungen?

Mehr als drei Jahre ist es her, dass das erste lesbische Elternpaar vor das Bundesverfassungsgericht zog, um gegen die rechtliche Diskriminierung von queeren Familien zu klagen. Nun rückt eine tatsächliche Reform des Abstammungsrechts offenbar in unmittelbare Nähe. So hat Bundesjustizminister Marco Buschmann kürzlich in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe angekündigt, dass ein Eckpunktepapier mit konkreten Vorschlägen noch im Januar kommen soll.

„Wir wollen sicherstellen, dass alle Kinder von Geburt an eine rechtssichere Beziehung zu beiden Eltern haben können“, sagte Buschmann. Zukünftig soll die „Partnerin der Frau, die das Kind gebiert, auch Mutter des Kindes werden können, ohne dass sie das Kind adoptieren muss“. Ob die zweite Mutter tatsächlich rechtlich mit dem Vater gleichgestellt wird oder stattdessen eine Sonderregelung geschaffen wird, ist noch unklar. 

Die zweite Mutter muss das Kind derzeit adoptieren

Derzeit ist es so, dass die Person, die das Kind gebärt, automatisch als Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen wird. Als zweite Person kommt laut Familienrecht lediglich ein Vater infrage, also eine männliche Person. Von der Regelung ausgeschlossen sind lesbische Paare, aber auch einige Paare, bei denen eine Person nicht-binär oder trans ist.

Der zweite Elternteil muss das gemeinsame Kind stattdessen im Rahmen einer Stiefkindadoption adoptieren. Dieser Prozess wird von betroffenen Paaren oftmals als „demütigend“ beschrieben und kann sich über Monate oder sogar Jahre ziehen. Auch Buschmann kritisierte im Interview, dass der Umweg über das Adoptionsrecht „mühevoll, kostenintensiv und mit Rechtsunsicherheit verbunden“ sei.

Mehrelternschaften sind weiterhin nicht vorgesehen

Im Koalitionsvertrag von 2021 versprach die Ampelregierung deshalb, die Ungleichbehandlung abzuschaffen und queere Elternpaare endlich mit heterosexuellen Paaren gleichzustellen. Seither hat sich auf politischer Ebene allerdings wenig getan und auch das Bundesverfassungsgericht, dem mehrere Fälle klagender Familien vorliegen, hat bislang kein Urteil verkündet.

Einem Grundsatzurteil aus Karlsruhe will die Bundesregierung nun offenbar zuvorkommen. An bestimmten Rechtsgrundsätzen solle dabei festgehalten werden, betonte Buschmann. „Auch künftig soll ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können. Und auch künftig soll die Frau, die das Kind geboren hat, immer Mutter des Kindes sein.“

Das würde bedeuten, dass Mehrelternschaften weiterhin nicht vorgesehen sind. Außerdem würden trans Männer, die Kinder gebären, weiterhin rechtlich diskriminiert. Unklar ist überdies, ob die Ehe eine Voraussetzung für die Anerkennung der Elternschaft bei queeren Paaren bleibt.

Interimslösung für trans Personen

„Väter und Mit-Mütter müssen rechtlich gleichgestellt werden. Eine Stiefkindadoption darf nicht mehr erforderlich sein“, sagt Hakan Demir, SPD-Berichterstatter für das Selbstbestimmungsgesetz und Mitglied im Innenausschuss. Er kritisiert, dass die derzeitige Gesetzeslage trans Personen diskriminiere. „Wir werden im Rahmen des Selbstbestimmungsgesetzes eine Interimslösung schaffen. Damit ist auf Antrag die Bezeichnung Elternteil statt ‘Mutter’ oder ‘Vater’“ bei einem geänderten Personenstandseintrag möglich.“ Das Abstammungsrecht müsse dann weiteres regeln.

Lucy Chebout, Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, erwartet vom Eckpunktepapier, dass es die Diskriminierung beseitigt, „ohne neue Differenzierungen in das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung einzuführen“, etwa was die Art der Samenspende angeht. So ist noch nicht geklärt, inwieweit neben einer Regelung für registrierte Samenspenden aus einer Samenbank auch private Samenspenden etwa aus dem Bekanntenkreis berücksichtigt werden sollen. Ein Gesetzentwurf müsse überdies zeitnah auf das Eckpunktepapier folgen, fordert Chebout, „sonst könnte es knapp werden, bis zum Ende der Legislatur im nächsten Jahr“.

Die Wortwahl Buschmanns bei den Ausführungen zum Eckpapier bezeichnet sie als „nicht ganz präzise, denn es geht nicht um ein ‘nice to have’ für Frauenpaare, sondern um fundamentale Rechte, die Frauen, trans und nicht binären Personen und ihren Kindern bislang verwehrt werden.“

Das Versprechen vom queerpolitischen Aufbruch

Auch in der Community stieß die Ankündigung auf gemischte Reaktionen. „Die angekündigten Verbesserungen geben Anlass zur Hoffnung“, sagt René_ Rain Hornstein von der TIN-Rechtshilfe. Allerdings sei unklar, inwieweit trans*, inter* und nicht-binäre Menschen bei der Reform mitgedacht würden. „Für diesen Personenkreis sind Anpassungen des Abstammungsrechts dringend notwendig.“ Ob das Eckpunktepapier noch im Januar kommt, sei Hornstein zufolge fraglich. Schließlich hätten sich vergangene Gesetzesvorhaben wie das Selbstbestimmungsgesetz „erheblich verzögert“.

Auch Sarah Ponti, Grundsatzreferentin beim Lesben- und Schwulenverband Deutschland, fordert, das Versprechen vom queerpolitischen Aufbruch endlich einzulösen. Schließlich hätten viele Regenbogenfamilien große Hoffnungen in die Reformpläne gesetzt und deshalb in den vergangenen Jahren keine Stiefkindadoption mehr durchgeführt. „Das Eckpunktepapier muss die Vereinbarungen zur Abstammungsrechtsreform im Koalitionsvertrag umfassend umsetzen“, so Ponti. Sollte das Gesetzgebungsverfahren zügig umgesetzt werden, könnte eine Reform des Abstammungsrechts noch in diesem Herbst Realität werden.

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