zum Hauptinhalt
Im August 2022 wurde der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von Russlands Präsident Wladimir Putin in der russischen Stadt Sotschi begrüßt.

© via Reuters

Ankaras Nähe zu Moskau: Westen in Sorge wegen Erdogans Russlandpolitik

Im Streit um die Behinderung der Öltransporter sieht der Westen die Türkei in der Verantwortung. Die Russlandpolitik des türkischen Präsidenten macht EU und USA nervös.

Nach tagelangem Streit zwischen der Türkei und dem Westen um Öltanker vor Istanbul löst sich ein Stau der Schiffe vor der türkischen Metropole allmählich auf.

Der türkische Sicherheitsexperte Yörük Isik sagte dem Tagesspiegel, es habe offenbar eine Einigung im Tanker-Streit gegeben.

Fünf Tanker hatte die Türkei bereits am Montag aus ihren Gewässern gewiesen. Man habe die Meerenge Dardanellen gesperrt und sie so aus den eigenen Hoheitsgewässern gebracht, teilte das türkische Transportministerium am Montag mit.  Damit fiel die Zahl der wartenden Tanker auf 13, wie die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf die Schiffsagentur Tribeca meldete; am Sonntag waren es noch 17 Tanker gewesen, in der vergangenen Woche mehr als 20.

Mehr Konsultationen hätten diese chaotische Situation verhindern können.

Yörük Isik, türkischer Sicherheitsexperte

Die Tanker mit einigen Millionen Barrel Öl an Bord waren in Richtung Mittelmeer unterwegs. Die Türkei ließ sie nicht passieren, weil sie Nachweise über einen Versicherungsschutz verlangte.

Seit dem 5. Dezember riskieren Versicherungen und Schiffseigner westliche Sanktionen, wenn sie russisches Öl transportieren, das für einen Preis über dem neuen Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel verkauft wird. Deshalb hatten etliche Tanker aus türkischer Sicht keinen ausreichenden Versicherungsschutz; Europa und die USA sagten dagegen, neue Versicherungspapiere seien nicht nötig.

Türkei und der Westen haben Sprechprobleme

Nach Medienberichten stammt das Öl auf den aufgehaltenen Tankern aus Kasachstan, das nicht von westlichen Sanktionen betroffen ist, und soll in europäische Häfen gebracht werden.

Die US-Regierung hatte am Freitag erklärt, sie stehe mit der Türkei wegen des Themas in Kontakt; nach Medienberichten hatte Ankara russische Tanker durch den Bosporus und die Dardanellen fahren lassen, nicht aber westliche Schiffe. Details einer möglichen Einigung in dem Streit waren nicht bekannt.

Der Fall zeigt, wie schlecht die Kommunikation zwischen der Türkei und dem Westen ist. Der Westen habe die Entscheidung für den Öl-Preisdeckel ohne Abstimmung mit der Türkei getroffen, sagte Sicherheitsexperte Isik.

Die Türkei verwehrte Öl-Tankern die Durchfahrt auf dem Weg nach Europa und nannte als Grund den neuen Gaspreisdeckel der EU.
Die Türkei verwehrte Öl-Tankern die Durchfahrt auf dem Weg nach Europa und nannte als Grund den neuen Gaspreisdeckel der EU.

© imago images/Westend61

Auf der anderen Seite habe die Türkei die neuen Anforderungen für Versicherer eingeführt, ohne mit der Branche zu reden, sagte Isik, der den Schiffsverkehr auf dem Bosporus beobachtet. „Mehr Konsultationen hätten diese chaotische Situation verhindern können.“

Sicherheitsexperte: Ankara ist zurecht vorsichtig

Die Türkei argumentiert, sie könne es nicht zulassen, dass Tanker voller Öl ohne Versicherung durch den Bosporus und damit mitten durch die Metropole Istanbul fahren. Grundsätzlich habe die Türkei mit ihrer Vorsicht recht, sagte Isik.

„Riesige Mengen von Öl und Gas werden durch ein Großstadtgebiet transportiert“, sagte er. „Wenn man Bosporus und Dardanellen zusammenrechnet, wohnen 20 Millionen Menschen in diesem Gebiet, ein Viertel der türkischen Bevölkerung. Da vorsichtig zu sein, ist nur klug.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Westliche Regierungen machen die Türkei jedoch für die Behinderungen der Öltransporter verantwortlich. Nicht der neue Preisdeckel für russisches Öl, sondern die neuen Regeln der Türkei seien Grund für die Störungen, zitierte die „Financial Times“ einen ungenannten Regierungsvertreter aus einem westlichen Land.

Billigere russische Energie vor den Wahlen 2023

Unklar blieb, ob politische Motive hinter dem türkischen Verhalten standen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, die Türkei wolle Russland zu einem Preisnachlass von 25 Prozent bei Erdgas-Importen bewegen. Weil die Türkei einen Großteil ihrer Gas- und Ölimporte aus Russland bezieht, könnten Preissenkungen die Chancen von Erdogan bei den türkischen Wahlen im kommenden Jahr verbessern.

Der Chef des russischen Gasunternehmens Gazprom, Alexei Miller, hatte nach Medienberichten in den vergangenen Tagen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul besucht.

20
Öl-Tanker ließ die Türkei nicht passieren, weil sie Nachweise über einen Versicherungsschutz verlangte.

Erdogan sprach am Sonntag mit Kremlchef Wladimir Putin über Energie-Fragen; ob die Tanker erörtert wurden, war nicht bekannt. Russland erklärte, in dem Gespräch sei es um das Vorhaben gegangen, die Türkei zu einem Verteilzentrum für die Lieferung von russischem Erdgas an die Weltmärkte zu machen. Westliche Sanktionen seit Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine im Februar behindern die Erdgas-Exporte aus Russland.

Erdogan braucht Putin für Einmarsch in Syrien

In dem Telefonat forderte Erdogan nach Angaben des türkischen Präsidialamtes die Vertreibung syrisch-kurdischer Milizionäre aus dem Grenzgebiet zur Türkei. Erdogan droht mit einem Einmarsch nach Syrien, braucht dazu aber grünes Licht von Putin, dem wichtigsten Partner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

Putins Reaktion auf Erdogans Forderung wurde nicht bekannt. Der türkische Staatschef sprach auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über den Getreide-Deal.

Die Russland-Politik des türkischen Präsidenten macht Europa und die USA nervös. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb an das EU-Parlament, die Intensivierung der türkisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen biete „Anlass zu großer Sorge“. Borrell kritisierte laut der Funke-Mediengruppe zudem, dass sich die Türkei nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland beteilige.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false