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Duell zwischen Sonderermittler und Angeklagten. Jack Smith und Ex-Präsident Donald Trump.

© REUTERS/TASOS KATOPODIS/KEVIN WURM

Update

Donald Trump bekommt einen Maulkorb: Richterin Chutkan: Seine Redefreiheit „ist nicht absolut“

Der Streit, was der Ex-Präsident öffentlich über die Prozesse gegen ihn sagen darf, endet mit einem Kompromiss: keine „sensiblen“ Details, die Zeugen einschüchtern können.

| Update:

Zum Gerichtstermin an diesem Freitag in Washington erscheint Trump nicht. So fehlt auch der Medientross, der ihn begleitet und die Bilder liefert, die sonst um die Welt gehen, zum Beispiel bei seiner Anklage wegen „Verschwörung gegen die USA“ vor acht Tagen.

Zu entscheiden ist eine Verfahrensfrage: Was dürfen Trump und seine Anwälte öffentlich über den Prozess, die Zeugen und die Beweislage sagen? Nach der Anhörung des Sonderermittlers Jack Smith und der Anwälte Trumps wählt Richterin Tanya Chutkan den Mittelweg: einen teilweisen Maulkorb.

Sie weist den eng gefassten Antrag des Sonderermittlers Smith zurück. Der wollte dem Ex-Präsidenten verbieten, überhaupt öffentlich über Beweismittel in den Verfahren gegen ihn zu sprechen und sie zu kommentieren. In der Vergangenheit habe er seine Medienmacht missbraucht, um Zeugen einzuschüchtern.

Auch als Angeklagter habe der Ex-Präsident ein „Recht auf freie Rede“. Aber es gilt „nicht absolut“, urteilt Chutkan. Er dürfe „sensible Details“ nicht publik machen. Sie bekräftigt die Auflage, dass Trump Zeugen weder einschüchtern noch beeinflussen dürfe. Als Beispiele für „sensibles Material“ werden genannt: Informationen, durch die sich Verfahrensbeteiligte identifizieren lassen; Beweismaterial aus Hausdurchsuchungen; Aufnahmen, Abschriften und Berichte von Aussagen. Sie lehnte auch den Antrag der Verteidigung ab, mehr Menschen aus Trumps Team Zugang zu „sensiblen Beweisen“ zu geben.

Die Verhandlung am Freitag zeigt: Die US-Justiz ist derzeit in Sachen Trump Tag für Tag mit parallelen Verfahren befasst und produziert Entscheidungen mit weit reichenden Folgen, auch wenn die TV-Bilder fehlen und sie nicht gleich Schlagzeilen machen. Hinter den Kulissen wird mit Tricks und Härte um jedes Detail gekämpft.

In Georgia droht Trump die vierte Anklage

Smith hat gerade beantragt, mit dem Hauptverfahren in Washington am 2. Januar zu beginnen. Das wäre kurz vor dem dritten Jahrestag des Sturms auf das Kapitol und den ersten Vorwahlen in den USA. Trump will, dass der Prozess bis nach der Wahl im November 2024 verschoben wird.

Mitte der Woche hat Trump im Ringen um die Herausgabe von Daten zu seinem Twitter-Account eine Niederlage erlitten. Kommende Woche wird die vierte Anklage gegen ihn erhoben: im Bundesstaat Georgia wegen seiner Versuche, mit Druck auf den Wahlleiter das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten ändern zu lassen. Falls er dort verurteilt würde, hätte er als Präsident – anders als auf Bundesebene – kein Begnadigungsrecht.

Doch der Reihe nach: Bei der Anklageerhebung am 2. August hatte die damalige Richterin Moxila Upadhyaya – auch sie eine Einwanderin in die USA wie Tanya Chutkan – Trump eindringlich darauf hingewiesen, dass er nur vorerst und unter bestimmten Bedingungen auf freiem Fuß bleibt. Er darf Zeugen weder einschüchtern noch beeinflussen.

Trumps Medienmacht kann Menschen zerstören

Doch was heißt das konkret bei einem Angeklagten, der mit TV-Auftritten, Wahlkampfreden und über seine Social-Media-Kanäle Millionen erreicht? Wenn er Menschen verunglimpft, kann das dazu führen, dass Trump-Anhänger sich auf einschüchternde Weise vor deren Wohnungen versammeln. Ein Mob wollte Vizepräsident Mike Pence beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 lynchen, damit er die ordentliche Wahl Joe Bidens nicht zertifiziert.

Sonderermittler Smith hatte eine eng gefasste „Protective Order“ beantragt, eine Schutzanordnung. Sie sollte es Trump und seinen Anwählten untersagen, sich öffentlich zu äußern über „die Identität, die Aussagen oder die Glaubwürdigkeit von möglichen Zeugen“ sowie über „die Schuld oder Unschuld des Angeklagten, die Erfolgsaussichten des Verfahrens und die Beweislage“.

Harter Kampf um den Gerichtsort Washington

Im Justizbezirk der Hauptstadt gelten schärfere Vorgaben als anderswo in den USA. Dort wird die Anklage wegen „Verschwörung gegen die USA“ verhandelt samt Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol und seinen Versuchen, die Wahl Bidens zum Präsidenten zu kippen.

Trump habe seine Medienpräsenz in der Vergangenheit dazu missbraucht, Stimmung gegen Zeugen, Richter, Anwälte und weitere Beteiligte an Verfahren gegen ihn zu machen, argumentiert Smith. Seine Auffassung von Zeugenschutz durch Maulkorb übernahm Richterin Chutkan jedoch nicht.

In den Tagen seit der Anklage hat Trump die Hauptstadt und ihr Justizsystem übel beschimpft. Washington sei eine „Stadt des Filzes und Verfalls“. Es sei „unmöglich, dass ich einen fairen Prozess in Washington DC bekomme“. In einem anderen Post schrieb er, „ein faires Verfahren mit dieser Richterin“ sei „unmöglich“. Es müsse anderswo stattfinden.

Recht auf freie Rede und unbehinderten Wahlkampf

Trump und seine Anwälte beriefen sich auf das verfassungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung. Das gelte erst recht für Bürger, die einen Wahlkampf führen.

Das folgt seiner generellen Verteidigungslinie: Redefreiheit unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Er sei überzeugt, dass die Wahl nicht fair war. Das müsse er sagen dürfen. Und: Sein Wahlkampf dürfe weder zeitlich noch inhaltlich eingeschränkt werden. Deshalb Gerichtsverhandlungen erst nach der Wahl.

Wenn ihr mich verfolgt, verfolge ich euch.

Donald Trump auf Truth Social

Juristen äußern in US-Medien unterschiedliche Ansichten. Die Anklage sei öffentlich bekannt, „es wäre unfair, wenn der Ex-Präsident nicht öffentlich antworten darf“, meint Stephen Gillers, Jura-Professor an der New York University. Arthur Berger, Anwalt und Ethikexperte in Washington, widerspricht. „Angeklagte haben nicht die gleichen Rechte wie andere Bürger. Richter können Auflagen machen.“ Trumps Drohung „Wenn ihr mich verfolgt, verfolge ich euch“, die er nach am 3. August auf seiner Online-Plattform Truth Social postete, könne als Einschüchterung verstanden werden.

Im Streit um den Zugriff der Justiz auf geschützte Daten in Trumps Twitter Account hatte Smith Erfolg. Ihm geht es nicht um die Äußerungen selbst, die sind öffentlich. Sondern um Informationen, wann und wo Trump sie geschrieben hat. Und welche Personen sie empfangen und retweetet haben – und sie möglicherweise als Handlungsanweisung verstanden. Twitter muss 350.000 Dollar Strafe zahlen, weil es der Anordnung zur Herausgabe nicht sofort nachkam.

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