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Vietnamesische Textilarbeiterinnen in Ho-Chi-Minh-Stadt.

© REUTERS/YEN DUONG/ARCHIVE

Update

Gegen Kind- und Zwangsarbeit: EU einigt sich auf Lieferkettengesetz

Millionen Menschen leiden unter Ausbeutung. Mit dem Regelwerk sollen ihre Rechte sowie die der Umwelt weltweit gestärkt werden. Firmen, die von Ausbeutung profitieren, sollen es künftig schwerer haben.

| Update:

Nach Beginn der Trilog-Verhandlung am Mittwoch kam es am frühen Donnerstagmorgen in Straßburg zu einer wegweisenden Einigung zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Gesundheit. Delegierte des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten haben sich auf ein europäisches Lieferkettengesetz geeinigt.

Dadurch sollen größere Firmen zu mehr Sorgfalt entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten verpflichtet und bei Missachtung mit Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes sanktioniert werden. Unternehmen müssen zudem einen Plan verabschieden, der sicherstellt, dass Geschäftsmodell und Strategie mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. Außerdem sollen die Möglichkeiten für Betroffene – wie Kinder- oder Zwangsarbeiter – gestärkt werden, gegen negative Auswirkungen zu klagen und Ansprüche zivilrechtlich geltend zu machen.

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„Dieses Gesetz ist ein historischer Durchbruch“, twitterte Lara Wolters, EU-Parlamentarierin und zuständige Berichterstatterin nach Ende der Verhandlungen. Die Einigung sei ein großer Schritt auf dem Weg, den Menschen vor den Profit zu stellen und verantwortungsvolle Unternehmen zur Norm zu machen.

Finanzsektor von Sorgfaltspflichten ausgenommen

Auch die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sprach von einem „Gamechanger“ hin zu einer gerechteren Globalisierung. Verbraucherinnen und Verbraucher in der gesamten EU könnten künftig darauf vertrauen, dass sie mit ihrem Konsum von Schokolade oder Kaffee nicht Mensch oder Umwelt ausbeuten.

Das europäische Gesetz gehe dabei „in vielen Teilen“ über das seit Jahresbeginn in Deutschland geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinaus. Es soll zum Beispiel bereits für Firmen mit mindestens 500 Beschäftigten gelten (in Deutschland liegt die Grenze aktuell noch bei 3.000, ab 2024 bei 1.000). Dazu wies der SPD-Europaabgeordnete René Repasi darauf hin, dass deutsche Firmen nach dem neuen EU-Gesetz für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar seien, was bislang nach deutscher Gesetzgebung ausgeschlossen sei.

Heftig kritisiert wurde von linken Abgeordneten sowie Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), dass Firmen des Finanzsektors zunächst vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden sollen. Das Thema galt lange als einer der Knackpunkte der Verhandlungen. „Europäische Finanzinstitute tragen durch ihre Investitionen und Kredite erwiesenermaßen massiv zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei“, sagte Finn Schufft von Germanwach. Auch die Klima- und Umweltpflichten gehen vielen nicht weit genug.

Kritik von Wirtschaftsverbänden

Wirtschaftsnahe Kreise sehen in den Ergebnissen der Trilog-Verhandlung dagegen eine Gefahr für den hiesigen Standort. Laut BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner enthält das Gesetz zahlreiche Rechtsunsicherheiten, etwa bei Haftungsfragen. In Verbindung mit dadurch drohenden Sanktionsrisiken gefährde der Kompromiss „die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft.“ Es sei zudem falsch, die Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt vorrangig auf die Unternehmen abzuwälzen. Der BDI appellierte am Donnerstag daher an das EU-Parlament und den Rat, „den Kompromiss abzulehnen.“

Die Einigung muss nämlich noch von beiden EU-Institutionen bestätigt werden, was normalerweise allerdings nur eine Formsache ist. Bis das europäische Lieferkettengesetz zur Anwendung kommt, würde dann ohnehin noch viel Zeit vergehen: Es handelt sich um eine Richtlinie, die erst in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Verpflichtungen sollen zudem erst nach drei bis vier Jahren gelten.

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