zum Hauptinhalt
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag über Kreml-Sprecher Dmitri Peskow weitere Informationen zu dem abgehörten Gespräch verlangt.

© Reuters/Mikhail Metzel

Update

SPD und Grüne gegen Untersuchungsausschuss: Kreml verlangt nach weiteren Informationen zur Abhöraffäre

Der Kreml will über die vom Kanzler angekündigten Untersuchungen zum Telefonat deutscher Luftwaffen-Offiziere informiert werden. SPD, Grüne und FDP vermuten hinter der Affäre eine Taktik Putins.

Der Kreml hat nach der Veröffentlichung eines abgehörten Telefonats deutscher Luftwaffen-Offiziere das Gespräch selbst scharf kritisiert und weitere Informationen dazu verlangt.

Die deutsche Taurus-Abhöraffäre bezeugt nach Ansicht des Kremls die „direkte Verwicklung“ des Westens am Konflikt in der Ukraine. „Die Aufnahme selbst lässt vermuten, dass die Bundeswehr substanziell und konkret Pläne diskutiert, russisches Territorium anzugreifen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag.

Die Union fordert jüngst eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. Vertreter von SPD und Grünen haben sich gegen einen Untersuchungsausschuss zur Abhöraffäre bei der Bundeswehr ausgesprochen. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat zu besonnener Aufklärung aufgerufen.

Bundeskanzler Olaf Scholz habe eine schnelle und gründliche Aufklärung des Falls angekündigt, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. „Wir hoffen, dass wir irgendwie erfahren, meinetwegen sogar durch die Medien, zu welchem Schluss die Untersuchung gekommen ist.“

Am Freitag hatte Russland ein mitgeschnittenes Gespräch hoher Offiziere veröffentlicht, in der diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörterten, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. Diskutiert wird auch über die mögliche Zerstörung der von Russland gebauten Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.

SPD und Grüne wollen sich nicht auf womöglichen Trick Putins einlassen

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verlangte am Montag bei einem Treffen mit dem Außenminister von Montenegro, Filip Ivanovic, in der Hauptstadt Podgorica eine rasche und lückenlose Aufarbeitung des Vorfalls. „So wichtig es für uns als Bundesregierung ist, diesen Vorfall jetzt aufzuklären, so klar sind aber die Fakten. Und es kann hier zu keiner Täter-Opfer-Umkehr kommen.“ Die Bundesaußenministerin betonte: „Hätte Russland dieses Land nicht brutalst angegriffen, dann müsste die Ukraine sich auch nicht verteidigen. Dann müssten wir auch keine Waffen liefern, wenn dieser Völkerrechtsbruch von Russland nicht ausgegangen wäre.“

Der frühere Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), erklärte, der russische Präsident Wladimir Putin wolle mit der Veröffentlichung des Gesprächsmitschnitts Deutschland und Europa spalten. „Deshalb ist es richtig, auch in den innenpolitischen Debatten im Fokus zu haben, dass eine größtmögliche bundesdeutsche Geschlossenheit ein wichtiger Aktivposten ist, um sich auch Putin europaweit widersetzen zu können.“

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger im Bayerischen Rundfunk: „Es ist wichtig, dass wir uns in Deutschland jetzt nicht angewöhnen, dass Hack- und Leak-Aktionen des Kreml die Agenda im politischen Berlin bestimmen. Das ist das, was Putin sich wünscht.“ Sie wertete die Veröffentlichung als Zeichen der Schwäche Russlands: „Das ist ein Zeichen von Schwäche, das macht man nur, wenn der Druck groß ist.“

Hätte Russland dieses Land nicht brutalst angegriffen, dann müsste die Ukraine sich auch nicht verteidigen

Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin

SPD und Grünen sind sich einig, dass ein Untersuchungsausschuss nicht hilfreich und „kein adaquätes Mittel“ sei. Als ehemaliger Vorsitzender so eines Untersuchungsausschusses wüsste Hellmich, dass die Arbeit zwei bis drei Jahre dauere.

Mit den Hintergründen der Abhöraffäre müsse man sich nun „in Ruhe“ und mit „Souveränität“ beschäftigen, mahnt FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir jetzt nicht alle übereinander herfallen“, sagte sie am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Denn das liege im Ermessen Putins, „dass wir jetzt sozusagen uns an den Hals gehen.“

Botschafter Lambsdorff im russischen Außenministerium

Es sei keine Überraschung, dass Deutschland abgehört werde. Dennoch sei es eine „kleine Offenbarung, dass Russland mitgehört“ habe. „Da müssen natürlich die Institutionen in der Bundesrepublik sehr genau hinschauen, inwieweit sind wir eigentlich auf diese hybriden Angriffe technisch wirklich vorbereitet“, sagte die FDP-Politikerin weiter.

Man habe daher bereits den deutschen Botschafter einberufen, behauptete Peskow mit Blick auf ein Gespräch von Alexander Graf Lambsdorff am Montagvormittag im Außenministerium in Moskau. Der deutsche Botschafter hat allerdings bereits klargestellt, dass es sich nicht um eine Einbestellung handelte, sondern einen bereits seit längerem geplanten Termin über „bilaterale Themen“.

Die Deutschen seien der ewige Feind Russlands, schrieb derweil der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew. Der Aufruf aus dem Zweiten Weltkrieg „Tod den deutsch-faschistischen Besatzern“ sei wieder aktuell, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal. Medwedew, der einst als liberaler Hoffnungsträger im Kreml saß, versucht sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren als Hardliner gegen den Westen in Moskau zu profilieren.

In Großbritannien reagierte man zurückhaltend auf das abgehörte und von Russland veröffentlichte Gespräch von Bundeswehr-Offizieren über den Marschflugkörper Taurus. „Das ist offensichtlich eine Sache für Deutschland, dies zu untersuchen, und man hat das Wort von Bundeskanzler Scholz dazu“, sagte der Sprecher von Premierminister Rishi Sunak am Montag vor Journalisten. Scholz habe gesagt, dass es sich um eine sehr ernste Angelegenheit handle und sie deshalb jetzt sehr sorgfältig untersucht werde, sagte der Sprecher.

Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace sagte der Zeitung „Times“: „Wir wissen, dass Deutschland stark von russischen Geheimdiensten durchdrungen ist. Das zeigt, dass es weder sicher noch zuverlässig ist.“ Der ehemalige Heereschef Richard Dannatt forderte bei Times Radio, die beteiligten deutschen Luftwaffenoffiziere müssten streng getadelt werden. „Sie haben angedeutet, dass es Briten in der Ukraine gibt.“ Es sei aber niemandes Sache, die Anwesenheit britischer Militärs in der Ukraine zu kommentieren. (dpa, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false