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Massive Sicherheitsvorkehrungen. Der Rote Platz ist seit Ende April abgesperrt.

© Imago/Itar-Tass/Sergei Karpukhin

Tag des Sieges in Russland: Feiern, wenn es nichts zu feiern gibt

Mitten im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland. Nur in Moskau wird militärische Macht demonstriert.

Der Rote Platz in Moskau ist schon seit dem 27. April abgesperrt. Noch nie sei mit den Sicherheitsvorkehrungen für die Feiern zum Tag des Sieges am 9. Mai so früh begonnen worden, schrieb die englischsprachige „Moscow Times“.

Eine Mehrheit der Russen betrachtet Umfragen zufolge den 9. Mai als den wichtigsten Feiertag des Landes. In diesem Jahr soll er nach dem Willen der russischen Führung nicht nur der Historie gewidmet sein, sondern auch der Ehrung der Soldaten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

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Den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Mai 1945 begeht das Land traditionell mit einer Demonstration militärischer Macht. Das wird auch in diesem Jahr so sein. Auf das Schauspiel, Tausende Soldaten und schwere Technik aufmarschieren zu lassen, will der Kreml trotz oder gerade wegen des seit fünfzehn Monaten tobenden Krieges nicht verzichten. Wenigstens nicht in Moskau.

In der Provinz sieht das anders aus. Kurz vor dem Feiertag war über dem Senatsgebäude des Moskauer Kremls eine Drohne abgeschossen worden. Moskau beschuldigte die Ukraine eines terroristischen Angriffs, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies den Vorwurf energisch zurück. Von tatsächlichen Ermittlungen – geschweige denn unabhängigen – ist nichts bekannt. In Russland brennen Tanklager, Züge werden zum Entgleisen gebracht, Stromleitungen gekappt: Gründe zum Feiern gibt es aktuell tatsächlich nicht.

In zahlreichen Regionen sind die Paraden abgesagt

Die Verantwortlichen in zahlreichen russischen Regionen, vor allem in den Städten westlich und südwestlich von Moskau, nutzen den Vorfall, um die Paraden abzusagen. Der Gouverneur des Gebietes Brjansk erklärte, es könne „nicht gelingen, den Feiertag so zu gestalten, wie wir es uns wünschen – mit feierlichen Paraden“. Ähnlich äußerten sich seine Kollegen. In den Gebieten Belgorod und Kursk, die an die Ukraine grenzen, waren die Feierlichkeiten bereits Anfang April abgesagt worden.

Auch Moskau feiert in diesem Jahr nur eingeschränkt. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte den Gedenkmarsch „Unsterbliches Regiment“ ab, der sich normalerweise an die Siegesparade anschließt. Dabei tragen die Teilnehmer Bilder von Familienmitgliedern über den Roten Platz, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben. Zum 70. Jahrestag 2015 hatte auch Putin persönlich teilgenommen und ein Porträt seines Vaters getragen.

Russische Soldaten marschieren zum Roten Platz, um an einer Generalprobe für die Militärparade zum Tag des Sieges teilzunehmen.

© dpa/AP/Uncredited

Angekündigt ist, dass Putin an diesem Dienstag seine traditionelle Rede halten wird. Doch auch der übliche Staatsempfang im Kreml wird in diesem Jahr erneut ausfallen. Er fand zuletzt 2019 statt, dann folgten zwei Jahre Corona-Einschränkungen. Im vergangenen Jahr hielt die russische Führung Jubelfeiern für unangemessen. Entgegen den mutmaßlichen Erwartungen Putins leistete die Ukraine erbitterten Widerstand: Der Krieg hatte gerade erst begonnen.

Söldnerführer Prigoschin droht erneut mit Rückzug

Auch jetzt lassen sich mit dem Tag des Sieges keine Siegesmeldungen für Russland verbinden. Im Gegenteil. In der Nacht zum 5. Mai ließ der russische Söldnerführer Prigoschin ein Video verbreiten, das ihn vor einem Berg von Leichen seiner Kämpfer zeigt. Schreiend, mit zahlreichen Worten der Fäkalsprache Mat gespickt, machte Prigoschin die Armeeführung für die Toten verantwortlich.

Seine Leute würden viel zu wenig Munition erhalten, um den Kampf gegen die ukrainischen Verteidiger von Bachmut zu führen, klagte er. Bachmut im Osten der Ukraine ist der am meisten umkämpfte Ort dieses Krieges. Seit dem Sommer vergangenen Jahres greifen die Söldner dort an – und kommen doch nur meterweise voran.

Nun kündigte Prigoschin ultimativ an, er werde seine Leute nach dem 9. Mai zurückziehen. Doch statt sich in die Verantwortung für den Fehlschlag bei Bachmut drängen zu lassen, liefert das russische Verteidigungsministerium jetzt offenbar doch lieber Munition an die Söldner. Ein Ende des Streits ist das jedoch sicher nicht.

Nur ein Gast aus dem Ausland leistet Putin Gesellschaft

Auch die Liste ausländischer Gäste bei den Feierlichkeiten auf dem Roten Platz fällt in diesem Jahr besonders kurz aus. Selbst der engste Verbündete Putins, der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko, bleibt offensichtlich in Minsk. In Moskau eingetroffen war am Montag lediglich das kirgisische Staatsoberhaupt Sadyr Dschaparow.

Besuch zum 9. Mai: Wladimir Putin empfängt Sadyr Dschaparow, den Präsidenten von Kirgistan.

© dpa/AP/Pool Sputnik Kremlin/Mikhail Metzel

In letzter Minute wurden auch noch die Einladungen an zwei weitere autokratische Führer ehemaliger Sowjetrepubliken bekannt gegeben. Die Oberhäupter von Turkmenistan und Tadschikistan bedankten sich höflich, ob sie an diesem Dienstag auf der Tribüne über dem Lenin-Mausoleum stehen werden, ist unklar.

Auch Millionen ukrainischer Soldaten sind für den Sieg über die Nazi-Diktatur gefallen. Der Präsident Wolodymyr Selenskyj schlug am Montag vor, in seinem Land den 9. Mai künftig als Tag Europas zu begehen.

„Wie vor 80 Jahren kämpft die Ukraine gegen das totale Böse [...], für die Zukunft, unsere eigene und die Europas“, heißt es in einer auf der Webseite des Präsidenten veröffentlichten Erklärung. Schon seit 2015 begeht die Ukraine den 8. Mai als Tag des Gedenkens, die Bezeichnung „Tag des Sieges“ findet seitdem offiziell keine Verwendung mehr.

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