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Walerij Saluschnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte (Archivfoto).

© dpa/AP/Ukrainian Presidential Press Office/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 581: Steckt der ukrainische Top-General Saluschnyj hinter den Nord-Stream-Anschlägen?

Bundesanwaltschaft ermittelt in der Ukraine gegen russische Soldaten, Russland zeigt angeblich getöteten Kommandeur erneut im TV. Der Überblick am Abend.

Die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee sind nun ein Jahr und einen Tag her, und es werden immer mehr Details zum möglichen Tathergang bekannt. Unter anderen veröffentlichte ein Rechercheverbund, zu dem die „Zeit“ und mehrere Öffentlich-Rechtliche Sender gehören, am gestrigen Dienstag eine weitere große Recherche (unter anderem hier nachzulesen).

Das Fazit der Autoren: Die Spuren der Täter führen in die Ukraine, unter anderem nach Kiew und wohl auch in die höchsten Militärkreise. Dazu gleich mehr. Vorab ist wichtig, dass es neben dieser sogenannten Ukraine-Spur mehrere andere Theorien beziehungsweise Spuren gibt; unter anderem nach Russland und ja, auch in die USA, obwohl das aktuell die unwahrscheinlichste ist. Einen guten Überblick über den Stand der Recherchen von Journalisten weltweit zum Anschlag auf Nord Stream gibt der „Deutschlandfunk“ hier und mein Kollege Christopher Ziedler hier.

Nun aber nach Kiew. Wie unter anderem die „Zeit“ berichtet, soll ein Informant dem niederländischen Geheimdienst gesteckt haben, dass das Team, das den Anschlag durchführte, an keinen Geringeren als Walerij Saluschnyj berichtete. Saluschnyj ist der Oberkommandierende der ukrainischen Armee und der Kopf hinter der erfolgreichen ukrainischen Verteidigung gegen den russischen Angriff. Das US-„Time“-Magazin wählte ihn 2022 unter die 100 weltweit einflussreichsten Menschen. Mit den Top-Militärs vieler Nato-Staaten ist Saluschnyj eng vertraut und häufig im Austausch, besonders mit dem scheidenden US-Generalstabschef Mark Milley.

Zumindest merkwürdig an dieser Theorie: Warum sollte der höchste General der ukrainischen Armee in eine solche Aktion verwickelt sein? Operationen wie der Nord-Stream-Anschlag werden normalerweise von den Geheimdiensten koordiniert, der Kopf wäre hier also der nicht minder bekannte Kyrylo Budanow und nicht Saluschnyj. Der befasst sich tagein, tagaus mit der Frage, wie er mit einer zahlenmäßig unterlegenen Armee den mächtigen Feind aus dem Land drängen kann. Diese Ungereimtheit, auch wenn am Ende Beweise dafür oder dagegen fehlen, macht die Ukraine-These nicht unbedingt glaubwürdiger.

Als mögliches Motiv für eine ukrainische Täterschaft wird dabei angeführt, dass die Ukrainer Putins direkten Gasstrom nach Europa langfristig unterbrechen wollten. Die meisten anderen Pipelines nach Europa führen durch die Ukraine, eine durch die Türkei. Länder wie Deutschland, so die These weiter, sollten künftig gar nicht in die Versuchung kommen können, weiter von Putin Gas zu kaufen und sich damit erpressbar zu machen, die Hilfen an Kiew einzustellen. Ob das die Gefahr aufwiegt, dass sich enge Partner Kiews wie Deutschland abwenden könnten, wenn eine Tatbeteiligung der Ukraine an den Anschlägen nachgewiesen wird, sei dahingestellt.  

Fakt ist ein Jahr nach dem Anschlag: Die Spuren und Recherchen sind widersprüchlich. Klar ist aber wohl auch: Die Mittel und Qualität für einen Anschlag wie den auf Nord Stream hätten die Ukrainer mit ihrem exzellenten Geheimdienst wohl gehabt, wie die vielen erfolgreichen Operationen hinter den russischen Linien zeigen

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Die Bundesanwaltschaft prüft ein mögliches Kriegsverbrechen im Kiewer Vorort Hostomel. Russische Streitkräfte sollen dort auf Zivilisten geschossen haben – auch auf eine deutsche Person. Wie eine Sprecherin auf Anfrage bestätigte, hat die Behörde ein erstes personenbezogenes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mehr hier.
  • Russland zeigt den nach ukrainischen Angaben bei einem Angriff getöteten Kommandeur seiner Schwarzmeerflotte erneut im Fernsehen. Admiral Viktor Sokolow sagt in einem Interview, dass die Schwarzmeerflotte erfolgreich arbeite. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Bis zum 1. November müssen deutsche Erdgasspeicher zu 95 Prozent gefüllt sein, um die Versorgung im Winter zu gewährleisten – so sieht es eine im vergangenen Jahr während der Gaskrise eingeführte Verordnung vor. Dieses Jahr haben die Speicher diese Füllstandsmarke vorzeitig erreicht. Mehr dazu hier.
  • Eine russische Offensive im Angriffskrieg gegen die Ukraine ist derzeit nach Ansicht britischer Militärexperten durch den Einsatz bislang ungebundener Truppen weniger wahrscheinlich geworden. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums hervor. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • 130 ukrainische Frauen, die als Flüchtlinge im Ankunftszentrum Tegel leben, schlagen Alarm: In einem Brandbrief an die Berliner Senatsverwaltung für Soziales und das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das die Einrichtung betreibt, erheben sie schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte. Mehr hier.
  • Kämpfer der Söldnergruppe Wagner sind nach Angaben aus Kiew wieder im Osten der Ukraine aktiv. Es handle sich um Wagner-Männer, die zuvor auf dem Gebiet von Belarus stationiert gewesen seien, sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost des ukrainischen Militärs, Ilja Jewlasch, gegenüber Medien. Mehr im Newsblog.
  • Polen und die Ukraine haben einen Boykott aller Turniere des europäischen Fußballverbands Uefa mit Beteiligung Russlands angekündigt. Der Präsident des polnischen Fußballverbands, Cezary Kulesza, gab die Entscheidung im Onlinedienst X, ehemals Twitter, bekannt. 
  • Ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen noch bis mindestens März 2025 einen besonderen Schutz in der Europäischen Union genießen. Die EU-Innenminister befassen sich am Donnerstag in Brüssel mit dem Vorschlag der EU-Kommission, den temporären Schutzstatus um ein Jahr zu verlängern. 
  • Russland hat den USA und Großbritannien eine Beteiligung an der ukrainischen Attacke auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Krim vorgeworfen. London und Washington unterstützten seit Langem das „verbrecherische Regime“ in Kiew, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums.
  • Das russische Außenministerium hat nach eigenen Angaben Sanktionen gegen weitere 23 britische Politiker, Militärs, Journalisten und Wissenschaftler verhängt. Bekanntester Name auf der Liste ist der britische Militärchef Toni Radakin.
  • Der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko sieht derzeit keinerlei Chancen, mit Russland über Frieden zu verhandeln. „Verhandlungen mit wem, mit Russland, mit Putin, Lawrow, mit wem?“, beantwortete der 47-Jährige in der ZDF-Sendung von Markus Lanz eine entsprechende Frage.
  • Aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen sind seit Mitte August bislang sieben Schiffe trotz einer vermeintlichen russischen Seeblockade ausgelaufen. Fünf davon hätten dort seit Kriegsbeginn im Februar 2022 festgesteckt, teilte der Sprecher der ukrainischen Marine, Dmytro Pletentschuk, in Odessa mit.

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