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Jean-Frédéric Schnyder: „1478 Eule“, 1989

© Galerie Eva Presenhuber

Serientäter: Die eigenwilligen Bilder von Jean-Frédéric Schnyder

Der Schweizer Künstler sieht sich als Arbeiter im Atelier oder in der Landschaft. Die Galerie Eva Presenhuber zeigt in Zürich Werke aus 30 Jahren.

Von Bernhard Schulz

Ich fange morgens an zu arbeiten und höre abends auf.

Jean-Frédéric Schnyder

Bereits an der legendären Ausstellung „When Attitudes Become Form“ von Harald Szeemann beteiligt gewesen zu sein, 1969 in Bern, bedeutet so etwas wie eine lebenslange Auszeichnung als Wegbereiter der Konzeptkunst. Nur legt Jean-Frédéric Schnyder auf diese oder irgendeine andere Auszeichnung keinen Wert. Er betrachtete seine Kunst – neben Malerei auch Objekte und Skulpturen – als Tätigkeit, die er genauso ausüben wollte wie jede andere Arbeit, nicht mehr und nicht weniger.

1969 war Schnyder 24 und stand nach absolvierter Fotografenlehre an der Schwelle zum Künstlerberuf. Heute, knapp 55 Jahre später, kann er auf ein Lebenswerk zurückblicken oder vielmehr, er könnte es, doch macht er einfach weiter, mit derselben unbeirrbaren Arbeitsethik, die ihn stets geleitet hat, unabhängig von den wechselnden Phasen öffentlicher Aufmerksamkeit.

Es gibt auch „Billige Bilder“ in Schnyders Werk

Fast eine Retrospektive ist es, die ihm seine Galeristin Eva Presenhuber in ihren schönen Räumen in Zürich, nicht weit vom Kunsthaus entfernt, ausrichtet. Sie ist überschrieben „Œl auf Leinwand“*, so knapp wie korrekt, denn gezeigt werden ausschließlich Arbeiten in dieser Technik. Sie gliedern sich in 67 Gemälde, also intendierte Applikationen von Farbe auf Trägergrund, und 161 „Billige Bilder“, die zufällig entstanden sind, durch das Abstreifen der Pinsel an Tüchern oder allgemein eben Leinwand.

Man betritt die Galerie im Raum der „Billigen Bilder“, die – quadratisch bis hochrechteckig und maximal in A4 – über die Wände verteilt sind, sorgsam auf einem rahmenden Untergrund befestigt. Ein Flickenteppich, so man das einzelne „Bild“ betrachtet, und von zugleich spielerischer wie strenger Ordnung, so man den ganzen Raum in den Blick nimmt. Jedes einzelne Tüchlein ist ein abstraktes, gestisches Gemälde; ob der Künstler da bisweilen nachgeholfen hat?

1993 vertrat er die Schweiz auf der Biennale von Venedig

Es ist ihm zuzutrauen. Denn Schnyder, und das zeigt sich beim Gang durch die weiteren Galerieräume, unternimmt immer wieder Ausflüge in grundlegende Konzeptionen der Malerei. Er bildet ab, stellt dar, verfremdet, abstrahiert. Und wenn Bild und Bildtitel oftmals Heiterkeit erzeugen, dann nicht, weil der Künstler es auf einen Witz abgesehen hätte, sondern der Witz aus der Übereinstimmung von Titel und Werk entsteht.

So verweist denn der Titel der Ausstellung auch auf eine einzelne Arbeit, die „Öl auf Leinwand“ heißt und genau das zeigt: den Schriftzug „Öl auf Leinwand“, der von einem Klecks Ölfarbe teil-überdeckt wird.

1993 bespielte Schnyder den Schweizer Pavillon der Biennale von Venedig mit einer Serie von 119 Pleinair-Gemälden mit Ansichten der Autobahn vom Nordosten der Schweiz bis nach Genf im Südwesten, gesehen von den Brücken, die die Autobahn überspannen. Ein Jahr lang dauerten Wanderung und Malarbeit, es entstand eine Physiognomie der Schweiz aus der Perspektive des Automobilverkehrs.

Plastikflaschen werden sorgfältig fotorealistisch abgemalt

Schnyder arbeitet nicht unbedingt wie damals an einer geschlossenen Serie, aber seriell und bestimmte Bildideen fortsetzend. Die 1481 Ölgemälde, die Schnyder in den vier Jahrzehnten seit 1982 geschaffen hat und die in einem jetzt vorgelegten Werkverzeichnis dokumentiert sind, lassen solche seriell angelegten Ideen hervortreten, etwa die Landschaften im Geiste des Schweizer Nationalmalers Ferdinand Hodler mit ihren unterschiedlichen Lichtstimmungen.

Immer wieder springt die Diskrepanz von Dargestelltem zu Darstellendem, von Motiv und Malerei ins Auge, so wenn er Zeilen von Hölderlin in feierlichem Duktus mit dem Pinsel schreibt oder ein Gedicht von Brecht mit einer fiktiven Ansicht jenes Hauses unterlegt, dem das Gedicht seine Entstehung verdankt. Ein Bild mit zwölf einfarbigen Quadraten heißt schlicht „Kitsch“, eine Anspielung auf des großen Italieners Lucio Fontanas aufgeschlitzte Leinwände „Art Brut“.

„Es muss einfach schön sein und Freude machen“

Plastikflaschen aus dem Drogeriemarkt malt er mit der Sorgfalt des Fotorealismus, und einen Blumenstrauß verpixelt er, aber in so großen Pixeln, dass man weiten Abstand nehmen muss, um die Pixel wieder zu einem (Ab-)Bild zusammenzusetzen.

Ob er selbst beim Malen lachen muss? Und wie kommt man auf solche Ideen? Schnyder ist nicht sehr auskunftsfreudig. „Ich fange morgens an zu arbeiten und höre abends auf“, antwortet er lakonisch, aber nicht verbissen, sondern freundlich lächelnd. „Es muss einfach schön sein und Freude machen“, hat er einmal gesagt. Auch darin steckt jene leise, nie an die Oberfläche drängende Ironie, die Schnyders Werk kennzeichnet. Es ist noch viel umfangreicher als das, was in Zürich zu sehen ist; aber schon das ist ein Œuvre, das seinen Platz in der Kunstgeschichte behauptet.

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