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Ungeklärte Zukunft auch für die gewachsenen Atelierstrukturen der Uferhallen in Berlin-Gesundbrunnen, nachdem die Marema GmbH übernommen hat.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Studie zur Ateliersituation in Berlin: 63 Prozent der Künstler jetzt oder bald ohne Arbeitsraum

Es geht an die Substanz. Immer weitere Künstlerräume werden zerstört. Für viele Kreative heißt das: Beruf aufgeben oder wegziehen aus der Stadt. Eine Studie liefert neue Zahlen.

Berlin, einst wegen seiner Freiräume bei Künstler:innen beliebt, ist längst enger geworden. Mitverantwortlich sind Immobilienentwickler, die jeden Quadratzentimeter gewinnbringend nutzen. Und natürlich eine Stadtpolitik, die dies zuließ. Und immer noch zulässt – auch wenn inzwischen viele verstanden haben, wie wichtig die Kunst für Berlin ist.

Etliche neue Verluste drohen gerade: Dazu zählen ein Standort mit 40 Ateliers in der Adalbertstraße in Kreuzberg und Ateliers in den Uferhallen in Gesundbrunnnen. Überall zeigt sich ein ähnliches Spiel: Ein Investor übernimmt, die Mieten steigen gleich oder später auf das Dreifache an. Was kaum ein Künstler oder eine Institution leisten kann.

10.000 Künstler:innen in der Stadt

Die sich zuspitzende Lage bestätigt jetzt eine Umfrage zur Bedarfserhebung der Ateliersituation, die am Beginn dieser Woche vorgestellt wurde. Der Atelierbeauftragte für Berlin lässt jedes Jahr eine Umfrage zur Erhebung der aktuellen Atelier- und sozio-ökonomischen Situation von bildenden Künstler*innen in Berlin durchführen. Rund 10.000 bildende Künstler:innen arbeiten und leben in Berlin, so die Studie.

Die alarmierende Zahl: 63 Prozent der Befragten (n=1673) gaben an, derzeit kein Atelier zu haben, es gerade verloren zu haben oder es zu verlieren. Diejenigen, die ein Atelier haben, seien „oftmals in einer prekären und unsicheren Mietvertragssituation“. 80 Prozent der Befragten gaben an, einen unbefristeten Mietvertrag zu haben. Klingt gut, ist aber gefährlich. Es bedeutet nach Gewerbemietrecht in der Regel eine Kündigungsfrist von sechs Monate zum Ende eines Quartals und dass eine Kündigung ohne Angabe von Gründen zulässig ist. Lediglich 1,5 Prozent der befristeten Mietverträge haben eine Laufzeit von fünf und mehr Jahren – und damit Planungssicherheit für Künstler:innen.

Viele unsichere Mietverhältnisse

Seit 2017 kann von circa „1500 bis 2000 verlorenen Ateliers ... seriös ausgegangen werden“, heißt es in der Mitteilung des Kulturwerks des bbk berlin, dem Berufsverband Bildender Künstler*innen und Künstler, bei dem der Atelierbeauftragte angesiedelt ist. „Dem gegenüber stehen von 2017 bis 30.06.2023 per Saldo nur 310 neu entwickelte geförderte Ateliers und Atelierwohnungen.“ Derzeit gibt es laut Angaben des Atelierbüros 1214 geförderte Ateliers in Berlin. Gebraucht würden auf Dauer etwa 3500, um eine vernünftige Situation für die Künstler:innen der Stadt herzustellen.

Ein Verlust des Studios heißt für 71 Prozent der Befragten eingeschränkte Produktionsmöglichkeiten, 38 Prozent müssten Berlin verlassen, 24 Prozent den Beruf aufgeben, so die Zahlen der Umfrage. Die Studie gibt unter anderem auch darüber Auskunft, welche Ateliers Künstler:innen suchen und wie viel finanzielle Mittel sie insgesamt für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben. Es ist wenig. 73 Prozent der Berliner Künstler:innen verdienen nur bis zu 1500 Euro pro Monat, so die Studie.

„Innerstädtische Ateliers und Arbeitsräume werden immer teurer und Inflation, Energiekrise und Bau- und Mietpreisexplosionen haben die wirtschaftliche Situation für bildende Künstler*innen nur noch verschärft“, heißt es in einer Pressemittteilung des Atelierbeauftragten Martin Schwegmann.

Der Berufsverband bbk berlin fordert Hilfe zur Selbsthilfe bei eventuell schrumpfendem Kulturhaushalt, auf den auch schon der neue Kultursenator Joe Chialo in einigen Interviews eingeschworen hat.

Für den Landeshaushalt 2024/25 fordert der bbk berlin, die für 2023 zusätzlich bewilligten drei Millionen Euro für das Anmietprogramm zu verstetigen. Um die Bestandsimmobilien halten zu können und neue hinzuzugewinnen, seien sogar fünf Millionen Euro zusätzlich notwendig. In der Ausschreibung für die geförderten Ateliers von April 2023 kamen 190 Bewerbungen auf drei angebotene Ateliers, so die Mitteilung.

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