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Ulrich Eckhardt, geboren 1934, war 29 Jahre lang Chef der Berliner Festspiele.

© Bernd Krüger

Ulrich Eckhardt feiert seinen 90. Geburtstag: Erinnerungen eines Impresarios

29 Jahre lang hat er die Berliner Festspiele geleitet – und sich dann noch einmal neu erfunden, als Pianist und Organist. Eine Begegnung mit Ulrich Eckhardt zum 90. Geburtstag.

Die beiden Mandelbäumchen stehen noch. Nicht besonders üppig gewachsen, aber stolz und gerade flankieren sie die Terrasse von Ulrich Eckhardts Zehlendorfer Landhaus; und erinnern ihn an Claudio Abbado. 1974, da war er noch ganz frisch im Amt als Geschäftsführer der Berliner Festspiele, hatte er den italienischen Maestro zum ersten Mal eingeladen – und dann alljährlich wieder.

Als Abbado nach seiner Zeit bei den Philharmonikern 2002 dann Berlin verließ, übergab er Ulrich Eckhardt die zwei Mandelbäumchen, die bis dahin in Kübeln auf seiner Dachterrasse am Ludwigkirchplatz gestanden hatten. Nach sagenhaften 29 Jahren an der Spitze der Festspiele war der Pensionär damals gerade dabei, sein zweites Leben zu starten: als ausübender Künstler. Und das lebt er weiterhin, wenn er am Dienstag seinen 90. Geburtstag feiert.

Aus Bonn in die Mauerstadt

Parallel zum Jurastudium hat Ulrich Eckhardt einst Klavier studiert und sich dann zum Kapellmeister ausbilden lassen. Doch mit dem ersten Job als Bonner Kulturdezernent bog er beruflich doch in Richtung Kulturmanagement ab, wurde 1973 zum Impresario der Mauerstadt, der aufsehenerregende Projekte verwirklichte und dafür unermüdlich seine Netzwerke pflegte, vor allem in den schwer zugänglichen Ostblock.

Die Freie Volksbühne hat Ulrich Eckhardt als Festspiel-Chef aus Investorenhand für die Kultur zurückgewonnen – als Haus der Berliner Festspiele.

© dpa/Soeren Stache

Nach seiner Verabschiedung aber hat er geschafft, was ihm kaum einer zutraute. Der machtbewusste Macher fiel nicht ins schwarze Loch der ungewollten Freizeit, sondern ließ sich vom Pfarrer seiner Gemeinde den Schlüssel zur Kirche geben, übte Tag und Nacht an der Orgel, eroberte sich erst das „Universum Johann Sebastian Bach“ und dann das ganze Repertoire, begann, Gottesdienste zu begleiten. Und Benefizkonzerte zu geben, vor allem im Berliner Umland, wo es historische Instrumente zu retten galt.

Zu Ostern ist Ulrich Eckhardt in Klein-Glienicke aufgetreten, am 5. Mai in der Heilandskirche Sacrow, am 21. Juli wird er in der Jesus-Christus-Kirche die „Bibel & Bach“-Reihe eröffnen, für den Herbst sind Konzerte in der Villa Tastomania in Wörlitz und in St. Michael am Engelbecken geplant, außerdem ein Abend im Gemeindehaus Dahlem, bei dem er zusammen mit dem Pianisten Johannes Roloff an zwei Flügeln spielt.

Der Geist ist hellwach

Eckhardts Augen blitzen, wenn er von seinen Projekten erzählt. Zum Gehen braucht er inzwischen einen Stock, aber die Finger laufen weiterhin stolperfrei über die Tasten. Und der Geist ist hellwach. Stundenlang kann er höchst unterhaltsam erzählen aus seiner überreichen Vita, von den 1970er und 80er Jahren, der spannendsten Periode der deutschen Nachkriegsgeschichte, von der geistigen Aufbruchstimmung, die in West-Berlin herrschte. Damals gab es im Kulturbetrieb noch Tabus, die es sich zu schleifen lohnte, vieles, wogegen man sein konnte. Und noch mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnte.

Als Festspiel-Chef war Ulrich Eckhardt ein „Arbeiter im Weinberg der zivilen Gesellschaft“, er mischte sich überall ein, baute seine einst als „Schaufenster des Westens“ gedachte Institution um zur Innovations-Agentur, die „in alle Richtungen kommunizierte“. Ein pädagogischer Impetus trieb ihn dabei an: Nur wenn die Leute die Zusammenhänge erkennen, können sie schließlich ein Bewusstsein entwickeln!

Blick in den Lichthof des Gropiusbaus bei der legendären „Preußen“-Ausstellung 1981.

©  Margarete Nissen

Neben den ebenso anspruchs- wie glanzvollen Musikprogrammen der Berliner Festwochen sind vor allem die bahnbrechenden Ausstellungen in Erinnerung geblieben, über Preußen, über „Jüdische Lebenswelten“, die „Deutschlandbilder“ oder auch „Berlin, Berlin“. Ulrich Eckhardt kämpfte dafür, dass der Gropiusbau zum Ausstellungshaus wurde, und als die Politik nach Einsturz und Wiederaufbau der Kongresshalle ratlos war, wie das Gebäude genutzt werden sollte, hob er den Finger, erfand das „Haus der Weltkulturen“.

Er holte die Freie Volksbühne zurück in staatliche Obhut, nachdem der Senat das Theater an Investoren verkauft hatte, und er entschied „als am Potsdamer Platz noch die Kaninchen hoppelten“, dass im dort entstehenden Musicaltheater die Berlinale ihre Zentrale bekommen sollte. Die Showbühne wurde daraufhin mit Mitteln der Berliner Festspiele für die Bedürfnisse der Filmfestspiele ertüchtigt und erweitert.

Lob für „Musikfest“-Chef Winrich Hopp

Als „das Wichtigste, was ich hinterlassen habe“, bezeichnet Ulrich Eckhardt aber die „Topographie des Terrors“. Auf sein hartnäckiges Betreiben hin wurde das noch 1986 als Übungspiste für Fahrschüler missbrauchte Gelände der Gestapo-Zentrale als historisch bedeutendes Terrain anerkannt und schließlich zum Gedenkort mit Dokumentationszentrum ausgebaut.

Lobende Worte findet Eckhardt vor allem für Winrich Hopp. Er nennt ihn „fast einen Wunschnachfolger“ für die Klassik-Aktivitäten der Festwochen, die – seiner Meinung nach unsinnigerweise – 2001 in „Musikfest Berlin“ umbenannt wurden. Weniger kann er sich für die Arbeit des Intendanten Thomas Oberender begeistern, der sich mit Immersionsprojekten verzettelte, statt an den dringend nötigen kulturellen Brückenbau Richtung Ex-Ostblock zu denken. Es schmerzt ihn auch, dass so lange so wenig passierte im Haus der Berliner Festspiele.

Ulrich Eckhardt hat im Alter gelernt, sich an Details zu erfreuen, statt immer nur ans große Ganze zu denken. Da ist zum Beispiel dieses außergewöhnliche „Rossignol“-Register der Orgel in Sacrow. In der Barockzeit höchst beliebt, wurde es später als unmusikalisch verachtet und aus den meisten Instrumenten ausgebaut. Heute weiß man es als höchst aparte Spielerei wieder zu schätzen.

Der Gesang der Nachtigall wird dabei durch Pfeifen imitiert, die falsch herum montiert sind, sodass ihre Luft in eine mit Wasser gefüllte Metallschale strömt. Bei seinem jüngsten Konzert in der Heilandskirche hat Eckhardt das Register bei der Zugabe eingesetzt, im tonmalerischen Stück „Le rossignol en amour“ des französischen Komponisten Francois Couperin. Das Publikum war begeistert.

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