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Das Logo von „X“, früher „Twitter“

© REUTERS/Dado Ruvic

Der User-Exodus von „X“: Diese Plattform kann kein Staat ertragen

Minister Lauterbach bleibt dem Musk-Netzwerk treu, andere überlegen noch. Dabei ist seit Langem klar: Behörden haben auf Social Media nichts zu suchen.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ein paar Politikerinnen und Politiker haben ihn schon hinter sich, nun hat ihn auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes geschafft: den Absprung von der Plattform „X“. Der Behördenleiterin ist es dort zu diskriminierend geworden.

Andere wollen bleiben, insbesondere die Bundesministerien. Sie beobachten und bangen, ob ihre Repräsentanzen im Hallraum des eigenwilligen Multimilliardärs Elon Musk noch irgendwie mit dem demokratischen Wertekatalog vereinbar sind.

Der Exodus hat eingesetzt, der Irre an der Spitze hat die letzten Dämme eingerissen. Überspült von Hass, Gewalt und Fakes macht sich die Wissenschaftscommunity auf zu neuen Ufern; viele, die bei Sinnen sind, werden folgen.

Was hält die anderen? Politiker, Polit-Aktivisten und Journalisten tun sich mit dem Abschied schwer. Der früher „Twitter“ genannte Dienst – man pflegte ihn ohne Anführungszeichen zu schreiben – ist Teil ihres Lebens geworden. Hier trifft man sich, hier profiliert man sich. Hier ringt man einander nieder.

Twitter/X ist der Ort, wo politische Konflikte erzeugt, Fronten gezogen und scharfe Sätze geschmiedet werden. Leute, die kämpfen und Ruhm gewinnen wollen, sind richtig hier. Es ist das Medium der Polarität.

Kein Geheimnis, dass es auch um Süchte geht. Prominentester Abhängiger dürfte ein Mann sein, der sonst sogar auf Speisesalz verzichten kann – aber wohl nicht auf „X“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, er wolle die „User nicht im Stich lassen“. Ein Selbstbetrug. Er meint seine mehr als eine Million direkt erreichbaren Empfänger („Follower“), die aufhorchen, wenn der Meister spricht. Öffentlichkeit verführt.

Die Aufgaben des Staates in diesem Szenario waren von Anfang unklar und sind es geblieben. Amtlicherseits heißt es, man müsse die Leute erreichen. Aber wofür? Womit? Die Social-Media-Tätigkeiten der Regierung erschöpfen sich in Imagepflege. Für Antworten auf unbequeme Fragen gibt es keinen Account.

Politikern kann man nicht verbieten, „X“ für sich zu nutzen. Aber Datenschützer mahnen den Staat als solchen schon lange zum Rückzug. Die ungeklärten Rechtsverhältnisse der Netzwerke lassen ein einwandfreies Engagement nicht zu. Zudem ermuntert die ohnehin fluide Atmosphäre auf den Plattformen die Akteure, staatliche Ressourcen für Partei und Eigenwerbung zu missbrauchen. Mithin sind die Probleme nicht erst mit der Übernahme durch Elon Musk entstanden. Nur sind sie dadurch evident geworden.

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