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Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, ist nicht mehr bei X.

© dpa/Kay Nietfeld

„Fraglich, ob das mit Steuermitteln noch zu rechtfertigen ist“: Antidiskriminierungsbeauftragte fordert Regierung zum Rückzug von X auf

Die Beauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, kritisiert den Anstieg von Rassismus und Queerfeindlichkeit auf der Plattform von Elon Musk. Bislang will aber kein Ministerium X verlassen.

Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat die Bundesregierung aufgefordert, keine Kommunikation mehr über die Plattform X, vormals Twitter, zu betreiben. Sie riet der Regierung, das soziale Netzwerk des US-Milliardärs Elon Musk zu verlassen.

„X für eine öffentliche Stelle kein tragbares Umfeld mehr“, sagte Ataman in einer Mitteilung vom Mittwoch. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kündigte zeitgleich an, wegen des enormen Anstiegs von Trans- und Queerfeindlichkeit, Rassismus, Misogynie und Antisemitismus X zu verlassen. Zuerst hatte der Mediendienst Table Media berichtet.

Die Beauftragte appellierte an die Bundesregierung ihrem Schritt zu folgen. „Ministerien und staatliche Stellen haben eine Vorbildfunktion sollten sich fragen, ob es weiterhin tragbar ist, auf einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet“, sagte Ataman. in einer Mitteilung am Dienstag.

Viele Wissenschaftler haben die Plattform X schon verlassen

Seit der Übernahme von Twitter und der Umbenennung zu X durch Elon Musk gibt es scharfe Kritik an der Plattform. Musk hatte vor Kurzem einen Wahlaufruf für die in weiten Teilen rechtsextremistische AfD geteilt. Seitdem verlassen viele deutsche Nutzer den Kurznachrichtendienst. Eine Umfrage des Wissenschaftsmagazins „Nature“ ergab, dass mehr als 50 Prozent der befragten Wissenschaftler X inzwischen verlassen haben. Elon Musk hat die Presse als Hauptfeind gewählt und will X als alternative Medien-Plattform ausbauen. 

Es stelle sich zudem die Frage, welche Zielgruppen über X noch erreicht werden könnten, teilte Ataman mit. Auch sei die Zahl der Hasskommentare so massiv angestiegen, dass die Antidiskriminierungsstelle dem nur noch mit einem hohen personellem Aufwand begegnen könne. „Es ist fraglich, ob das mit Steuermitteln noch zu rechtfertigen ist“, sagte Ataman. 

Inhaber von X: Elon Musk will mit X eine alternative Medienplattform aufbauen. An geltende Vereinbarungen möchte er sich dabei nicht halten.

© AFP/ALAIN JOCARD

Die EU-Kommission ermahnte Elon Musk in der Nacht zum Mittwoch wegen Desinformation auf seinem Kurznachrichtendienst X nach dem Hamas-Angriff auf Israel. Es gebe Hinweise, dass in der EU über den früher als Twitter bekannten Dienst illegale Inhalte und Desinformation verbreitet würden, sagt EU-Kommissar Thierry Breton.

Karl Lauterbach bleibt Twitter bisher treu

Noch am Wochenende hatten alle Bundesministerien auf Anfrage des Tagesspiegels erklärt, auf X, ehemals Twitter, verbleiben zu wollen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte etwa gesagt:  „Auch auf X finden sich immer noch sehr viele kluge, liebenswerte und demokratiefreundliche Userinnen und User. Die will ich nicht im Stich lassen“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel am Freitag. Er hat mehr als eine Million Follower auf X.

Allerdings hat auch der Gesundheitsminister die wachsende Konkurrenz für X im Blick: „Alternative Social-Plattformen wie Bluesky behalte ich natürlich im Auge“, sagte Lauterbach. „Aber noch bleibe ich beim Twitter-Nachfolger. Antisemitische Äußerungen oder Drohungen werden angezeigt.“ Mit dem Außenministerium und dem Bundesumweltministerium eröffnen zwei Ministerien zusätzlich Accounts auf dem neuen Dienst Bluesky. Andere hatten das – Stand Ende vergangener Woche – nicht geplant oder noch nicht darüber entschieden.

SPD und Grüne reagieren zurückhaltend auf Ataman

Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, zeigte sich hinsichtlich der Forderung von Ataman zurückhaltend: „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung die Reaktion von Twitter auf die Verbreitung von Falschnachrichten und Hasskommentaren sehr aufmerksam beobachtet und, wenn notwendig, auch entsprechende Konsequenzen zieht“, sagte Zimmermann dem Tagesspiegel.

Es sei aber zu bedenken, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete, dass Desinformation durch den Weggang seriöser Akteure Tür und Tor geöffnet würden. „Wenn alle serösen Medien oder staatlichen Akteure dieses für die öffentliche Kommunikation so wichtige Medium verlassen.“

Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, äußerte sich am Mittwoch kritisch zu X: „Es wird immer schwieriger auf dieser Plattform. Da bricht sich der Hass nur noch Bahn“, sagte sie in einem Pressegespräch am Mittwoch. Verantwortlich dafür sei auch die Unternehmensführung um Elon Musk.

„Man muss wirklich darüber nachdenken, zu Alternativen zu wechseln“, sagte Mihalic, die bereits einen Account auf der Plattform Bluesky hat. Trotzdem würden sie und die Grünen-Fraktion zunächst auch bei X bleiebn: „Es ist aber immer eine Abwägung, eine Plattform, die sich etabliert hat, zu verlassen und sie damit den Hatern und Rechtspopulisten zu überlassen.“

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