zum Hauptinhalt
Boris Pistorius (M.), Bundesminister für Verteidigung, und Ejup Maqedonci (l.), Verteidigungsminister der Republik Kosovo, besuchen das Kosovo Search and Rescue International Training Centre (SARITC).

© dpa/Soeren Stache

Ärger mit Serbien: Boris Pistorius auf schwieriger Balkanreise

Kosovo, Bosnien, Serbien – Verteidigungsminister Boris Pistorius muss bei seinem Besuch erkennen, wie festgefahren die Lage auf dem Balkan ist. Und wie gefährlich sie für Europa werden kann.

Es gibt sie, die Projekte, die Hoffnung machen auf dem Balkan. Und natürlich will Boris Pistorius sie sehen auf seiner ersten Reise in die Region, die zwar viele Jahre nicht mehr in den Schlagzeilen war, aber nie richtig zur Ruhe gekommen ist. Der Verteidigungsminister schaut sich am Dienstag nahe Sarajevo an, wie bosnische Soldaten Deutsch und Französisch lernen – im Vorgriff auf gemeinsame EU-Einsätze in der Zukunft.

In Kosovos Hauptstadt Pristina hat er zuvor gesehen, wie moderne Ausrüstung aus Deutschland dazu beigetragen hat, insgesamt 92.000 Minen unschädlich zu machen. Politisch vermint aber bleibt der Balkan.

Das dürfte der Lieblingsminister der Deutschen vor allem zum Abschluss seiner Tour an diesem Mittwoch zu spüren bekommen. Der Empfang in Belgrad dürfte eher kühl ausfallen – nicht nur, weil Pistorius das Kosovo zuerst bereist hat und dort viel länger war, während für die Gesprächspartner in Serbien nur zweieinhalb Stunden eingeplant sind.

Pistorius hat ausgesprochen, was alle über Serbien denken, bisher aber kein deutscher Spitzenpolitiker ausgesprochen hat.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.

Vor allem das, was Pistorius in Pristina gesagt hat, wird dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic kaum gefallen haben. Der Sozialdemokrat packte die Kritik, dass das in die EU strebende Serbien nur halbherzig auf Distanz zu Moskau geht und Sanktionen gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine nur zum Teil mitträgt, in die Formel, Belgrad könne „nicht auf zwei Hochzeiten tanzen“.

„Pistorius hat ausgesprochen, was alle über Serbien denken, bisher aber kein deutscher Spitzenpolitiker ausgesprochen hat“, meint der Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic, der den Minister begleitet. „Er hat dem Kosovo klar seine Sympathie bekundet und zugleich zur Besonnenheit gemahnt.“

Pistorius muss die richtige Balance finden auf dem Balkan

Die richtige Balance zu finden, ist schwer in diesem Konflikt zwischen Kosovo und Serbien, der seit Kriegsende im Sommer 1999 zwar eingehegt, aber nie erfolgreich an den Wurzeln gepackt wurde. Das Versprechen, alle sechs Westbalkanstaaten in die Europäische Union aufzunehmen, ist noch weit davon entfernt, eingelöst zu werden – fünf EU-Staaten erkennen das Kosovo noch nicht einmal an.

Pistorius‘ Kritik an Serbien, das auch wenig zur Aufklärung der Vorkommnisse vom 24. September beiträgt, als ein kosovarischer Polizist im mehrheitlich serbischen Nordkosovo von Angreifern getötet wurde, ist das Eine. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani sieht Paramilitärs am Werk und sagt, neben Pistorius stehend, „dass Serbien weitere Angriffe plant“.

Der mahnt auch seine Gastgeberin, auf „Deeskalation und Dialog zu setzen“ sowie die Sache mit dem Euro im Norden zu überdenken. Die Zentralbank hat kürzlich angeordnet, dass er nun überall offizielles Zahlungsmittel sein soll, auch im Nordkosovo, wo nicht nur die Renten noch in serbischen Dinar ausgezahlt werden.

 250
Bundeswehrsoldaten sollen ab April der Kfor-Stabilisierungsmission der Nato angehören.

Pistorius hält das für „legitim“, weil der Kosovo serbische Parallelstrukturen überwinden und das noch junge Staatsgebilde festigen will. Die kurzfristige Ankündigung hält aber auch er – im Sinne entsprechender Erklärungen von EU und USA – für kontraproduktiv. So fordert er „längere Übergangsfristen“, natürlich „ohne mich in die inneren Angelegenheiten einmischen zu wollen“.

So merkt Pistorius schon nach den Gesprächen mit Staatschefin Osmani und Premier Albin Kurti, dass auch er es in dieser Region nicht allen recht machen kann. „Wenn man das alles zusammenfasst, dann weiß man“, berichtet der Minister den immer noch im Land stationierten Bundeswehrkräften, „dieses Mandat dauert nicht umsonst schon 25 Jahre und wird auch voraussichtlich in den nächsten drei Monaten nicht beendet sein.“

Im Gegenteil, das Kontigent wird wieder aufgestockt. Von April an werden rund 250 Deutsche der Kfor-Stabilisierungsmission der Nato angehören, statt wie bisher 70. Das ist zwar auch weiter nur ein Bruchteil des Personalaufwands, der in den ersten Nachkriegsjahren betrieben wurde. Aber dass nicht mehr nur Stabsoffiziere vor Ort sind, sondern eine Infanteriekompanie wieder auf Patrouillen fahren und notfalls robust Ausschreitungen eindämmen soll, ist doch eine Kehrtwende.

Der Eindruck täuscht, dass Belgrad komplett unter dem Einfluss Moskaus steht.

Jakov Devcic, regionaler Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung

Mit der Aufstockung will der Minister auch „klare Signale nach Moskau senden“. Ganz im Sinne des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der im Dezember mit dem Satz „Passt auf den Balkan auf!“ eine zusätzliche Gefährdung der europäischen Sicherheit beschrieb, teilt auch die Bundesregierung die „Sorge vor vermehrten russischen hybriden Destabilisierungsversuchen“.

Auf dem Balkan begann schon einmal ein Weltenbrand

So wurde schon im Mai ein weiteres Bundestagsmandat begründet – eine von außen herbeigeführte Eskalation gilt der Bundesregierung seither als noch wahrscheinlicher. Pistorius kündigt daher an, notfalls noch mehr Soldaten zu schicken. Er erinnert daran, dass schon einmal ein Weltenbrand auf dem Balkan begann.

„Der Eindruck täuscht, dass Belgrad komplett unter dem Einfluss Moskaus steht“, sagt dagegen Jakov Devcic, der regionale Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er verweist darauf, dass Serbien der Ukraine durchaus helfe und im Dauerkonflikt mit dem Kosovo „zurzeit die deutlich konstruktivere Rolle“ spiele.

Er warnt Pistorius davor, den Serben Vucic zu sehr auf Distanz zu halten. „Enttäuschte Hoffnungen“ auf dem Weg in die EU, so Devcic, könnten „einen Stimmungsumschwung erzeugen, insbesondere in Serbien, von dem am Ende doch Russland und China profitieren“.

In der Delegation von Pistorius wird zwar nicht damit gerechnet, dass der Empfang nach dem Spruch mit den zwei Hochzeiten allzu herzlich ausfällt. Den wiederholt Pistorius auch beim Besuch in Bosnien-Herzegowina, wo die Zentralregierung fest an der Seite von EU und Nato steht, Politiker der serbischen Minderheit aber immer wieder von Abspaltung sprechen, Pistorius’ Amtskollege Zukan Helez zufolge aus Moskau gesteuert: „Natürlich gibt es diesen Einfluss.“

Von einem echten Affront in Belgrad aber geht man nicht aus – dafür ist Deutschland als Partner zu wichtig. Der Minister jedenfalls will, wie er sagt, „auch in Serbien auf die Notwendigkeit von Dialog und Deeskalation hinweisen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false