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124 Reisen in zwei Jahren. Das Leben des Außenministers in Flugrouten.

© TSP/ Carmen Klaucke

Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Der Vielflieger

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat seit 2013 genau 124 Reisen in alle Welt unternommen. Seine Ziele zeigen, welche Prioritäten er setzt. Eine Analyse.

Sein Aktionsradius ist die ganze Erde. Den Großteil seiner Zeit widmet er aber Europa und dessen Krisen. Das zeigt Frank-Walter Steinmeiers Bewegungsprofil aus den ersten 19 Monaten der zweiten Amtszeit als Außenminister. 124 Reisen an 242 der 580 Kalendertage seit Mitte Dezember 2013. Flugziele verraten auch eine Rangliste: Brüssel, wo EU und Nato zu Hause sind und die Ministerräte sich oft treffen, liegt mit 21 Reisen an der Spitze. 19 Mal Paris zeigt dessen Bedeutung als strategischer Partner in Europa.

Eine Betrachtung nach der Häufigkeit kann freilich irreleiten. Paris sechsmal wichtiger als London (drei Reisen) und fünfmal wichtiger als Rom (vier Reisen)? Riga viermal so bedeutend wie Madrid? Und wieso zehnmal Wien im Vergleich zu nur zweimal Washington? Wien steht für die Iran-Gespräche. Sechs der sieben letzten Reisen führten dorthin – und schließlich zum Erfolg. So trat Steinmeier am Donnerstag doch noch die erste Kubareise eines bundesdeutschen Außenministers an. Zweimal hatte er sie wegen der Iran-Verhandlungen verschieben müssen.

Deutsch-französischer Motor

Paris’ herausragende Position folgt der "strategischen Entscheidung", den deutsch-französischen Motor zu stärken, sagt Steinmeiers Sprecher Martin Schäfer. Paris ist aber auch eine Drehscheibe internationaler Diplomatie jenseits bilateraler und EU-Themen, etwa für Konferenzen zu Syrien und der Bedrohung durch den IS.

Ordnet man die Reisen nach brennenden Ereignissen, bleibt Europa mit mehr als 30 Reisen nach Brüssel und in die Länder, die in den drei Halbjahren den EU-Vorsitz innehatten (Griechenland, Italien, Lettland) an der Spitze: Gerungen wurde um den Zusammenhalt der EU, die Euro-Krise, die Flüchtlingsbewegungen.

An zweite Stelle rückt der Krieg in der Ukraine mit mehr als zwei Dutzend Reisen nach Kiew, Donezk und Dnipropetrowsk, nach Moskau und Minsk zu Verhandlungen, aber auch ins Baltikum, nach Polen, Tschechien und die Slowakei, um die neuen EU- und Nato-Mitglieder zu beruhigen und auf ihre Sorgen vor einem aggressiven Russland einzugehen. Nur zwei Mal Moskau weist aus, dass "die Beziehung nicht mehr so wie früher" ist, sagt Schäfer. Man spricht aber weiter viel miteinander, wegen der Ukraine und dem Iran, nur eben anderswo, häufig auch in Berlin.

Krisendiplomatie statt Kontaktpflege?

Wo bleibt bei so viel Krisenmanagement die präventive Diplomatie und die langfristige Kontaktpflege? Wenn ein Gazakrieg eskaliert, Steinmeier aber gerade in Ulan Bator ist, zürnen die Kommentatoren. Oder wenn er durch Afrika reist, während in der Ukraine ein Waffenstillstand bricht.

Immer unterwegs: Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Immer unterwegs: Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

© Michael Kappeler/dpa

"Da kann der Eindruck entstehen, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein", bittet Sprecher Schäfer um Verständnis. Man dürfe den nachhaltigen Aufbau von Beziehungen aber auch nicht dem Krisenmanagement unterordnen. Es sei schwierig genug, Zeitfenster für mehrtägige Reisen nach Afrika, Nahost und Lateinamerika freizuhalten. Absagen oder verschieben soll die letzte Option sein – wie im Februar: Da saß die Begleitpresse schon im Flieger, als die Brasilienreise wegen der Minsker Verhandlungen vorerst gestoppt wurde.

Manche Reisen machen kaum Schlagzeilen, wirken aber nachhaltig auf die ansässige Bevölkerung, weil "Ort und Partner und Botschaft zusammenpassen", wie in Breslau die Ordination von Rabbinern, die in Potsdam ihre Ausbildung absolviert hatten. Wie die Einweihung der nach Kriegsschäden wiederhergestellten Fenster der Kathedrale von Reims. Oder die Vergebungsbitte an die Opfer deutscher Kriegsverbrechen in Civitella bei Perugia.

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